36. Diese Zahl bekommt Kimi Räikkönen derzeit nicht aus seinem Kopf. Dabei besagt die 36 aber weder sein Gehalt in Millionen, noch das Alter seines Rücktritts. Stattdessen markiert die 36 die Anzahl jener WM-Punkte, welche er in den ersten zwölf Saisonrennen auf den aktuellen WM-Spitzenreiter Fernando Alonso verloren hat.

36 Zähler die durch technische Probleme, Ausfälle, Motorwechsel, schlechte Startpositionen und einen zu Saisonbeginn klar überlegenen Renault verloren gingen. Jetzt rennt er diesen 36 Punkten hinterher. Oder besser: Er fährt ihnen hinterher - und dabei der Konkurrenz auf und davon.

Denn sein MP4-20 ist schon seit einigen Rennwochenenden, Fernando Alonso wagte sogar zu sagen "seit Imola", das schnellste Auto im Feld. Leider, aus Sicht des Ice Man, aber nicht das zuverlässigste.

Und so steht der finnische Schweiger aus Espoo sieben Rennen vor der spätestens Krönung des neuen Weltmeisters vor der schwierigen Aufgabe diese 36 Zähler aufzuholen. Angesichts des zweite Plätze 'belohnenden' Punktesystems eine beinahe unmögliche Aufgabe. Besonders wenn er, wie heute im Qualifying in Ungarn, aufgrund seines Ausfalls als Erster ins Einrunden-Qualifying starten muss und damit die schlechtesten Streckenbedingungen vorfindet.

Ein erster Schritt in Richtung 36 minus X

"Es war nicht einfach, als Erster auf die Strecke zu fahren", lautete demnach erwartungsgemäß Kimis Post-Qualifying-Kommentar. "Das Grip-Niveau war nicht sehr gut und es war ziemlich rutschig. Der Zustand des Belags hat sich erst im Laufe des Qualifyings verbessert." Alles bekannte Weisheiten, die für Alonso und dessen 36-Punkte-Vorsprung sprechen. "Doch ich habe so hart wie möglich attackiert, um diesen Nachteil auszugleichen."

Als Lohn für den vollen Angriff, der ihm als einzige Möglichkeit noch verbleibt, ergatterte Kimi Räikkönen sich Startplatz vier - hinter Michael Schumacher, Juan Pablo Montoya und Jarno Trulli, aber noch vor Fernando Alonso! Und der durfte als Letzter, also bei den besten Bedingungen, auf die Strecke gehen.

Aber Alonso kämpfte mit "Untersteuern" und einer "nicht perfekten Balance", was sich besonders in der letzten Kurve auswirkte, als er weit ins Gras hinausfuhr und wertvolle Zehntel wegschmiss. "Dadurch habe ich auf jeden Fall Positionen verloren", gestand der ansonsten in diesem Jahr, bis auf den Mauerkontakt in Kanada, fehlerfrei gebliebene Spanier offen ein. An den Nerven dürfte es trotz der entscheidenden Phase der Saison kaum gelegen haben. Schließlich sind da ja noch diese ominösen 36 WM-Zähler Vorsprung.

Kimi ist auf der Jagd nach 36 Dingen., Foto: Sutton
Kimi ist auf der Jagd nach 36 Dingen., Foto: Sutton

Auch ein Rückfall in alte Qualifying-Tage, in denen er sich in der Vergangenheit öfter einmal einen Ausritt in der Qualifikation leistete, dürfte nicht zu befürchten sein. Vielmehr schlägt sich sein Team mit einem fast noch schlimmeren Problem herum: Man ist auf der Lieblingsstrecke des Spaniers, auf welcher er seinen ersten Sieg einfahren konnte und die dem R25 eigentlich auf das Chassis geschneidert sein sollte, nicht konkurrenzfähig genug.

"Es ist frustrierend, nur auf den Plätzen sechs und neun zu landen", betont Alonso. "Aber wir waren über das gesamte Wochenende nicht wirklich konkurrenzfähig." Zwar baut der Chefrenningeineur der Gelb-Blauen, Pat Symonds, wie immer auf die "Renn-Pace" der Franzosen, doch droht noch weiteres Unheil. Und zwar nicht nur, weil auch Ron Dennis realistischerweise davon überzeugt ist, dass McLaren morgen "sehr, sehr stark" sei wird.

Nichts spricht für Renault

"Besonders enttäuscht von der schlechten Startposition bin ich deshalb, weil das Überholen auf dem Hungaroring sehr schwierig ist", bringt Fernando einen der Schlüsselpunkte ins Spiel. "Die einzigen Möglichkeiten ergeben sich wohl nur beim Start und während der Boxenstopps."

Und auch beim Start scheint Fernando einen Nachteil zu besitzen: "Er ist darüber hinaus noch dadurch gehandicapt", fügt Renault-Motorenguru Denis Chevrier an, "dass er auf der dreckigen Seite der Strecke starten muss."

Zwar gilt für Kimi Räikkönen das gleiche, doch steht dieser genau vor dem Spanier auf Startplatz vier. Angesichts der bekannten Renault-Raktenstarts eine große Gefahr für den Finnen. Deswegen weiß er genau, dass "für mich jetzt ein guter Start sehr wichtig" ist.

Denn umso mehr Autos des dicht gedrängten Mittelfelds Räikkönen schon am Start und dann im Verlaufe des Rennens zwischen sich und den Renault mit der Startnummer fünf bringen kann, desto größer ist die Chance, dass er den 36-Punktevorsprung von Alonso schon am Sonntag Punkt für Punkt anknabbern kann.

Muss Fernando um seinen Vorsprung zittern?, Foto: Sutton
Muss Fernando um seinen Vorsprung zittern?, Foto: Sutton

Mit den starken Toyota, den überraschend guten Ferrari und den schnellen B·A·R, gibt es jedenfalls genügend Anwärter um diese Pufferzone zu füllen. Und dann ist da ja noch Kimis Teamkollege, der als silberner Notfallpuffer dienen könnte.

Aber der heißblütige Kolumbianer möchte aller Teamdienlichkeit zum Trotz selbst gerne seinen zweiten McLaren-Sieg einfahren, weswegen das Ziel von Norbert Haug beide Autos "auf das Podium" zu bringen, durchaus auch nach hinten losgehen kann. Denn eigentlich gibt es für die Silbernen morgen nur einen Zieleinlauf und der lautet Kimi Räikkönen vor Juan Pablo Montoya, vielen anderen Fahrern und Fernando Alonso irgendwo außerhalb der Punkte.

Nur dann könnte das kleine Renault-Formtief Kimi bei der Wahrung seiner letzten mathematischen Titelchance in die Hände spielen. Und nur dann kann er das angepeilte Maximum von zehn Zählern von den 36 Punkten Rückstand abknabbern. Vorerst bleibt es aber noch bei 36.