Daniel Ricciardo, Valtteri Bottas und Lance Stroll - wer bitte hätte nach einer Runde des Aserbaidschan GP gedacht, dass unsere Rennanalyse diese drei Piloten behandelt? Doch das Rennen in Baku entwickelte sich völlig irre. Daniel Ricciardo, der spätere Sieger, hatte zwischenzeitlich schon eine Minute Rückstand auf die Spitze. Valtteri Bottas, der Zweite des Rennens, hatte sogar schon mehr als eine Runde Rückstand. Wie bitte ist das möglich? Motorsport-Magazin.com zeichnet die Rennen der Top-3 nach.

Daniel Ricciardo (Red Bull): Von P17 zum Sieg

Red Bull bekam für den achten Lauf der Formel-1-Weltmeisterschaft ein kleines Geschenk von Renault: Die Franzosen brachten ein neues Mapping, das um den Baku City Circuit etwa zwei Zehntel gebracht haben soll. Zusätzlich mit weiteren Chassis-Upgrades war Red Bull richtig nah an Mercedes und Ferrari. Eigentlich hätte Red Bull im Qualifying Ferrari schlagen müssen, aber es ging zu viel schief.

Daniel Ricciardo war nach seinem Sieg nicht unglücklich, Foto: Red Bull
Daniel Ricciardo war nach seinem Sieg nicht unglücklich, Foto: Red Bull

Daniel Ricciardo landete im dritten Qualifying-Segment in der Leitplanke, startete deshalb nur von P10, Max Verstappen vergab Startplatz drei mit einem kleinen Fehler auf seiner schnellsten Runde und einem entsynchronisierten Getriebe. Von Startplatz zehn begann das Rennen für Ricciardo auch noch katastrophal: Am Start konnte der Red-Bull-Pilot nur einen Platz gutmachen, dabei fuhr er sich sogar noch Trümmerteile ein.

Ein Teil verfing sich so ungünstig in der vorderen Bremsbelüftung, dass Ricciardo in Runde sechs unplanmäßig zum Boxenstopp kommen musste. Das Teil wurde aus dem Bremsschacht entfernt, immerhin hatte die Bremse keinen Schaden davon genommen. Das Team nutzte den Stopp, um gleich von Supersoft auf Soft zu wechseln. Der Plan war, von nun an durchzufahren.

Mit 43 Sekunden Rückstand auf die Spitze machte sich Ricciardo auf Platz 17 an die Aufholjagd. In Runde neun ging er an Pascal Wehrlein im Sauber vorbei, gewann zusätzlich eine Position durch das Ausscheiden von Jolyon Palmer. Platz 15. In Runde zehn schlug der Honigdachs dann richtig zu: Er ging an Carlos Sainz und Marcus Ericsson mit einem tollen Doppel-Überholmanöver vorbei, zudem kassierte er in dieser Runde Fernando Alonso. Dabei gewann er noch eine Position, weil Daniil Kvyat seinen Toro Rosso am Streckenrand abstellen musste. Platz elf!

Doch der Defekt am Toro Rosso brachte nicht nur einen Platzgewinn mit sich, sondern noch etwas viel wertvolleres: Eine Safety-Car-Phase. Als Bernd Mayländer ausrückte, hatte Ricciardo bereits 55 Sekunden Rückstand auf den Führenden Lewis Hamilton im Mercedes. Und weil ohnehin alle zum Reifenwechsel in die Box fuhren, konnte Ricciardo gleich noch zurück auf Supersoft wechseln - die in Baku ebenfalls ewig hielten, dabei aber noch etwas schneller waren.

Durch den Ausfall von Max Verstappen während der ersten Safety-Car-Phase gewann Ricciardo gleich noch einen Platz. Zehnter. Beim Restart konnte der Australier gleich an Kevin Magnussen im Haas vorbeigehen - Platz neun. Dann die nächste Safety-Car-Phase, wegen Trümmern auf der Strecke. Beim erneuten Restart gewann Ricciardo gleich vier Plätze: Er profitierte von der Kollision zwischen den beiden Force-India-Piloten Esteban Ocon und Sergio Perez, die auch noch Kimi Räikkönen im Ferrari traf. Dazu ging Ricciardo am Renault von Nico Hülkenberg vorbei: Rang fünf am Ende von Runde 20.

In der anschließenden Rennunterbrechung, die wegen zahlreicher Trümmerteile auf der Strecke ausgerufen wurde, wechselte Red Bull an Ricciardos Auto noch einmal Reifen: Dem Australier kam der Fehler des Vortages zugute, denn er hatte aufgrund des Unfalls noch einen frischen Satz Supersofts in den Heizdecken.

Auf den ersten Metern des Restarts wurde Ricciardo von Hülkenberg wieder überholt - aber nur für ein paar Meter. Ricciardo bremste in Kurve eins extrem spät, holte sich die Position von Hülkenberg zurück und ging gleichzeitig an beiden Williams-Piloten Felipe Massa und Lance Stroll vorbei - Platz drei!

Die letzten beiden Positionsgewinne von Ricciardo verliefen dagegen recht langweilig: Lewis Hamilton musste in Führung liegend seine Cockpit-Umrandung tauschen lassen, Sebastian Vettel musste wenige Runden später - ebenfalls in Führung liegend - eine Strafe in der Boxengasse absitzen. Ricciardo übernahm in Runde 34 die Führung und gab sie bis zum Ende des Rennens nicht mehr her.

Fazit: Ricciardo hat sich im Qualifying zunächst selbst aus dem Rennen genommen. Dann kam am Sonntag auch noch Pech dazu. Mit einer gehörigen Portion Glück und starker Überholmanöver holte er sich am Ende noch völlig überraschend den Sieg. Als goldener Move erwies sich das Dreifach-Manöver gegen Hülkenberg, Stroll und Massa. Hätte er hinter Stroll Zeit verloren, wäre es noch extrem eng geworden am Ende.

Valtteri Bottas (Mercedes): Von P20 auf P2

Valtteri Bottas war eigentlich schon aus dem Rennen. Der Mercedes-Pilot startet von P2 und kollidierte in Kurve zwei mit Landsmann Kimi Räikkönen. Dabei wurde der Mercedes von Bottas stark beschädigt, der Finne humpelte mit einem Plattfuß fast sechs Kilometer weit an die Box. Die Reparatur dauerte fast so lange wie der Rückweg in die Boxengasse, Bottas nahm das Rennen mit mehr als einer Runde Rückstand wieder auf.

An Überholen war gar nicht erst zu denken, Bottas musste sich zunächst mit Zurückrundungen durch das Feld kämpfen. Nur durch die Ausfälle von Jolyon Palmer und Daniil Kvyat konnte er Plätze gutmachen. Wie bei Ricciardo brachte der Ausfall von Kvyat aber auch bei Bottas noch viel mehr, als nur einen Platzgewinn.

Durch das Safety-Car wurde Bottas nicht nur an die Spitze herangeführt, er durfte sich auch noch zurückrunden. Doch auch dieses Geschenk hätte ihn nicht sofort wieder an das Feld herangeführt. Erst die zweite Safety-Car-Phase ließ ihn den Rückstand zum Vorletzten ganz abknabbern. In der Zwischenzeit gewann Bottas noch einen Platz durch den Ausfall von Max Verstappen - Rang 17 für den Mercedes-Piloten.

Wie Ricciardo ging auch Bottas beim unplanmäßigen Boxenstopp auf die Soft-Reifen, die er dann ebenfalls während der Saftey-Car-Phase wieder loswerden konnte. Allerdings musste sich Bottas mit gebrauchten Supersofts zufrieden geben.

Beim zweiten Restart profitierte Bottas dann wie viele andere auch vom Force-India-Crash. Zusätzlich konnte er Pascal Wehrlein überholen. Schon befand sich Bottas auf P13. Durch die Saftey-Car-Phasen machte Bottas in zwölf Runden mehr als eine Runde Rückstand wett und verbesserte sich von Platz 18 auf 13.

Beim Restart nach der Rot-Unterbrechung verlor Bottas zunächst wieder einen Platz an Esteban Ocon. Den Franzosen konnte er aber in Runde 39 wieder schnappen. Dazwischen ging die Aufholjagd aber im Parallelflug mit Ocon weiter: Ericsson, Vandoorne, Grosjean, Sainz, Alonso und Magnussen waren leichte Beute. Dazu kam der Ausfall von Massa. Und die beiden Zwischenfälle von Hamilton und Vettel. Und schon lag Bottas auf Rang drei.

Mit einem fulminanten Schluss-Sprint gelang es Bottas schließlich noch, Lance Stroll auf der Ziellinie zu überholen. 0,106 Sekunden trennten Bottas und Stroll am Ende.

Fazit: Der Zwischenfall in Kurve zwei geht auf die Kappe von Bottas. Ohne diese Berührung hätte der Finne das Rennen locker gewonnen. Die Aufholjagd wurde ihm leicht gemacht, doch das Manöver zum Schluss gegen Stroll war stark.

Lance Stroll (Williams): Plötzlich auf dem Podium

Das Rennen von Lance Stroll verlief nicht ganz so aufregend - mit dem Podium gerechnet hätte er vor dem Rennen aber wohl am wenigsten von den Top 3. Am Start kassierte ihn erst einmal Teamkollege Felipe Massa. Nur durch den Bottas/Räikkönen-Crash konnte er seine achte Startposition in der ersten Runde halten.

Danach ging es bei Stroll gesittet zu. Durch den Ausfall von Verstappen gewann auch er eine Position. P7 für den Kanadier, der zwei Wochen zuvor beim Heim GP erst seine ersten WM-Punkte holte. Während der ersten Safety-Car-Phase gewann Stroll zunächst drei Plätze, weil Räikkönen, Massa und Ocon zum Reifenwechsel an die Box kamen. Eine Runde später stoppte aber auch Stroll - und kam auf Rang sieben wieder zurück.

Beim zweiten Restart profitierte Stroll aus nächster Nähe vom Force-India-Crash. Perez, Ocon und Räikkönen fuhren allesamt direkt vor dem Williams-Piloten. Für Stroll ging es von P7 auf P4 nach vorne. Beim Neustart nach der Unterbrechung konnte er zwar gleich an Teamkollege Massa vorbeigehen, allerdings verlor er auch eine Position an Ricciardo. Durch die Probleme bei Hamilton und Vettel war es indirekt das Überholmanöver um die Führung.

Danach befand sich Stroll auf einem einigermaßen komfortablen zweiten Platz. Doch Valtteri Bottas stürmte von hinten heran und holte sich den zweiten Platz noch auf der Ziellinie von Stroll.

Fazit: Auch Stroll profitierte natürlich vom Chaos vor ihm: Im Gegensatz zu Ricciardo und Bottas machte der Youngster zuvor aber keine Fehler. Stroll fuhr das ganze Baku-Wochenende über stark und fehlerfrei. Im Rennen fehlte ihm zwar etwas Pace auf Massa, doch insgesamt war Platz drei der Lohn des Tüchtigen.