Selten dürfte der Begriff 'Hammertime' so passend gewesen sein wie in Baku. Lewis Hamilton zauberte im letzten Augenblick eine Runde hervor, die ihm seine 66. Pole Position in der Formel 1 einbrachte. "So etwas habe ich noch nie gesehen", zog Niki Lauda seine Kappe. "Was Lewis heute geschafft hat, hätte niemand anders gekonnt. Nur Lewis kann diesen Unterschied zu allen anderen ausmachen."

Sicherlich war Hamiltons Pole-Runde beeindruckend. Auf seinem letzten Run im Q3 erzielte der Mercedes-Pilot eine persönliche Bestzeit - und Streckenrekord - in 1:40.593 Minuten. Damit fuhr Hamilton in seiner eigenen Welt, seinem Teamkollegen Valtteri Bottas brummte er unter gleichen Voraussetzungen 0,434 Sekunden auf. Und dem Rest? Ferrari war mehr als eine Sekunde entfernt...

Alles-oder-Nichts-Runde

"Das war eine Alles-oder-Nichts-Runde", sagte Hamilton. "Wenn es jemals eine Zeit gab, wo es perfekt laufen muss, dann war es dieser Zeitpunkt. Immer wieder mal braucht man so etwas, aber dann gelingt es nicht. Aber ich glaube, dass das hier die perfekte Runde war." Der Pole-Run in Baku sei sogar noch spezieller gewesen als zuletzt in Kanada, wo Hamilton mit seinem großen Idol Ayrton Senna gleichgezogen war.

Beim Qualifying zum Aserbaidschan Grand Prix überschlugen sich die Lobeshymnen auf den dreifachen Weltmeister - doch was genau war eigentlich so speziell an dieser Runde, die ihm den ersten Startplatz am Sonntag einbrachte? Es waren ganz einfach die Umstände. Wegen einer Unterbrechung, die Daniel Ricciardo mit seinem Unfall ausgelöst hatte, musste Mercedes den bewährten Plan komplett über den Haufen werfen.

Ricciardo zerstört den Plan

Im vorangegangenen Qualifying hatten sich die Silberpfeile stets die Zeit für eine Vorbereitungsrunde genommen, bevor der wirkliche Angriff auf die Bestzeit erfolgte. Diesen Plan zogen Hamilton und Bottas konsequent ab der ersten Runde im Qualifying durch. Nur im entscheidenden Q3 klappte das nicht, weil nach dem Ricciardo-Crash die nötige Zeit fehlte.

"Nach der roten Flagge standen wir deshalb unter Druck, da nur noch eine gezeitete Runde möglich war", erklärte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. "Das war die Stunde der Wahrheit und beide Jungs lieferten ab."

Hamilton zu gierig

In dieser Situation glänzte besonders Hamilton, nachdem er sich kurz zuvor durch eigenes Verschulden in eine schlechte Ausgangslage versetzt hatte. Bei seinem ersten Run im Q3 leistete er sich in der letzten Kurve einen Verbremser und warf dadurch die Pole weg. Stattdessen stand Bottas zunächst an der Spitze. "Meine Runde war gut", erklärte Hamilton. "Dann war es in der letzten Kurve ganz komisch. Bevor ich reinfuhr, sagte ich mir, 'Ich bin deutlich vorn, also nicht gierig sein'. Aber natürlich war ich gierig, verbremste mich und verlor die Pole."

Hamilton räumte ein, dass danach eine Menge Druck auf ihm lastete. Schließlich hatte er gezeigt, dass er der schnellste Mann an diesem Samstag war - nur das Ergebnis sprach zunächst eine andere Sprache. Und dann musste es ausgerechnet mit der ungeliebten Variante funktionieren. "Wir haben das ganze Wochenende probiert, es mit nur einer Runde zu schaffen", sagte Hamilton. "Aber für uns beide war es unmöglich."

Druck bei Hamilton

Mercedes tat sich in Baku bislang schwer, die Reifen schnell ins richtige Temperaturfenster zu bekommen. Deshalb legten Hamilton und Bottas stets eine Vorbereitungsrunde ein. So aber mussten beide Fahrer mit scheinbar nicht optimal vorbereiteten Supersofts angreifen.

Das hätte auch schiefgehen können, wie Hamilton anmerkte: "Da herrschte schon Druck. Es ist so einfach sich zu verbremsen und einen Fehler zu machen, wenn diese Reifen kalt sind. Es war unwahrscheinlich, dass wir genug Temperatur in die Reifen bekommen. Aber wo ein Wille, da ein Weg. Hoffnung ist eine starke Sache. Ich habe einfach jedes verfügbare Werkzeug benutzt, dass ich zur Verfügung hatte, um auf Temperaturen zu kommen."

Bottas unerwartet schnell

Hamilton war nicht der einzige, der unter diesen Bedingungen überzeugen konnte. Auch Kollege Bottas gelang mit seinem letzten Run eine Zeitenverbesserung um rund zwei Zehntelsekunden. Nur war bei ihm der Druck wesentlich geringer, weil er ohnehin die provisorische Pole innehatte. "Wir hatten keinen weiteren Run geplant", sagte der Finne. "Also haben wir es für diese eine Runde einfach probiert. Schlecht war es nicht."

Das beeindruckte auch Hamilton, der am Ende hinter Bottas aus der Boxengasse herausfuhr und sehen konnte, wie der Finne ebenfalls unerwartet schnell unterwegs war. Hamilton: "Ich habe Valtteri vor mir gesehen und wusste, dass er eine gute Runde fahren würde. Ich erinnere mich noch, wie ich aus der letzten Kurve herauskam und dachte, 'Bitte, lass es reichen'. Das tat es dann auch und ich war einfach nur glücklich."