"Sauer nicht, aber nicht ganz zufrieden", kommentiert Sebastian Vettel unmittelbar nach Ende des Qualifyings zum Aserbaidschan GP Tag und Resultat in Baku. Gerade hatte sich der Ferrari-Pilot als Vierter qualifiziert, muss sich somit mit seinem bislang schwächsten Startplatz der laufenden Saison abfinden. Deutlich mehr als eine Sekunde fehlte Vettel im Baku-Qualifying auf die Rundenrekord-Pole seines schärfsten Rivalen Lewis Hamilton, auch dessen Mercedes-Kollege Valtteri Bottas verpasste Vettel mit acht Zehnteln Vorsprung eine gehörige Abreibung.

Noch dazu schob sich auch Kimi Räikkönen im zweiten Ferrari eineinhalb Zehntel vor den WM-Leader. Immerhin: Den noch am Freitag so glänzend aufgelegten Max Verstappen hielt Vettel hauchdünn, 0,038 Sekunden, hinter sich. "Ich war überrascht, dass sie nicht schneller waren, sie waren das ganze Wochende sehr schnell", wundert sich Vettel über den Ex-Rennstall. Doch wie erklärt sich das schwache Abschneiden Vettel und Ferraris insgesamt? Motorsport-Magazin.com begibt sich auf Spurensuche.

Ferrari-Motorwechsel im Freien Training

Den Anfang nahm das Ferrari-Übel bereits im dritten Freien Training. In der Generalprobe für das Qualifying gelangen Vettel lediglich sieben Runden. Dann streikte der Ferrari, ein Leck am SF17H. Zur Vorsicht wechselte das Team die komplette Power Unit, baute zurück auf das erste Aggregat der Saison mit dem Vettel etwa das Auftaktrennen in Melbourne gewonnen hatte. Für Vettel gleich ein doppelter Nachteil: verpasste Streckenzeit plus kleiner Power-Nachteil.

Sich damit herausreden möchte Vettel jedoch nicht. "Das heute Morgen hat nicht geholfen, aber das ist keine Ausrede, wir sind hier viele Runden gefahren. In der Session jetzt hatten wir keine Probleme. Das ist das Wichtigste", sagt Vettel. "Ich bin kein Fan von Ausreden. Ich hätte es vielleicht einfach etwas besser machen können, aber P3 war möglicherweise sowieso das Maximum für uns als Team. Wir hätten vielleicht näher kommen können, aber nicht nah genug, um das Ergebnis zu ändern", ergänzt der Ferrari-Pilot angesichts des gewaltigen Rückstands auf die Silberpfeile.

Vettel: Am Ende verzettelt

Damit nicht genug. Noch dazu verpasste das Schicksal Ferrari einen harten Schlag in die Magengrube als Daniel Ricciardo im Q3 zum für die Scuderia denkbar ungünstigsten Zeitpunkt per Crash für eine Sessionunterbrechung sorgte. "Wir hätten ohne die rote Flagge mehr Glück haben können", sagt Vettel. Doch auch damit könne man das Ergebnis nicht entschuldigen. Vettel: "Am Ende muss es immer irgendwie funktionieren und heute war es halt nicht so. "

Wissenswertes über den Baku GP: (00:52 Min.)

Immerhin verblieb Ferrari wie allen anderen Teams auch nach der Pause noch ein finaler Run. Doch erneut lief es bei den Roten nicht perfekt. "Ich denke, wir haben uns ein bisschen verzettelt was die Strategie mit den Reifen zum Schluss anging", kritisiert Vettel. "Es war nicht ideal. Ich wollte rausfahren als die Ampel auf Rot ging, dann waren die Reifen kalt", schildert Vettel. "Dann war ich ganz alleine, hatte keinen Windschatten. Deshalb war der letzte Sektor nicht so gut wie er hätte sein können. Aber ich hätte die letzte Runde vielleicht auch etwas besser hinbekommen können", gesteht der Deutsche.

Räikkönen schlägt Vettel, hadert trotzdem

Genau das gelang unterdessen seinem Teamkollegen. Kimi Räikkönen verbesserte sich im letzten Versuch noch einmal deutlich, manifestierte so Startplatz drei. Doch auch der Finne zeigte sich ganz und gar nicht zufrieden mit dem Verlauf des Qualifyings in Baku. "Es ist besser als zuvor, aber es war schwierig, die Reifen zum Arbeiten zu bringen. Es war die ganze Zeit ein Kampf", sagt Räikkönen. "Zum Glück habe ich mit dem letzten Satz ein besseres Gefühl finden können, aber es war noch nicht perfekt."

Das erkläre auch den großen Rückstand auf Mercedes. Ferrari habe im Qualifying nicht das Maximum aus dem Auto geholt. "Wenn du die Reifen hinbekommst, kannst du viel, viel schneller fahren. Natürlich sind wir jetzt nicht nah genug an Mercedes dran. Aber viel hat eben mit den Reifen zu tun", berichtet der Iceman. Vettel hingegen vermutet das weniger. "Ich denke, dass dieses Wochenende jeder ein bisschen mit Reifen kämpft, manchmal mehr, manchmal weniger", sagt Vettel.

Lichtblick Vettel geschlagen? Räikkönen trotzdem längst nicht zufrieden, Foto: Sutton
Lichtblick Vettel geschlagen? Räikkönen trotzdem längst nicht zufrieden, Foto: Sutton

Vettel sicher: Nichts ist verloren

Vielmehr glaubt der Wahl-Schweizer, dass es den Mercedes - auch bedingt durch sein Pech im dritten Training - schlicht gelungen ist, mehr Vertrauen zu finden. "Das hat sicher nicht geholfen. Insgesamt haben sie sich vielleicht etwas sicher gefühlt und etwas mehr im Auto gefunden. Wenn man mit dem Auto eins wird - gerade auf einer Strecke wie hier - dann holt man noch ziemlich viel Zeit raus", sagt Vettel. "Ich glaube, jeder war überrascht, wie viel Mercedes da noch drauflegen konnte."

Überbewerten dürfe man diese Machtdemonstration Mercedes' jedoch nicht. "Wir, sie und Red Bull sahen das ganze Wochenende ziemlich auf einem Level aus", erinnert Vettel. Verloren sei in Baku nichts, im Auto stecke jede Menge Potential. "Die Longruns gestern waren sehr gut. Aber es hilft natürlich nicht, wenn man ein bisschen weiter hinten steht. Nicht ideal, aber morgen ist ein langes Rennen und wir haben eine gute Pace. Von P4 ist der Weg zurück ja nicht lang", sagt Vettel.

Das größere Problem habe Ferrari zudem auf dem Shortrun gehabt, nicht dem Longrun. "Und wenn wir unsere Position verbessern, ist es ja schon ein Podium. Aber Mercedes wird morgen auch schnell sein. Ich habe aber keinen Zweifel, dass wir sie herausfordern können. Eine Kristallkugel habe ich nicht, aber es wird ein enges Rennen, denke ich. Ich erwarte keine großen Pace-Unterschiede zwischen den drei Teams. Was die Pace angeht, mache ich mir keine Sorgen, grundsätzlich ist das Auto schnell. Nichts, wovor man Angst haben müsste."