Lewis Hamilton und der Baku City Circuit: Diese Kombination scheint auch in der Formel-1-Saison 2017 keine Liebesgeschichte zu werden, denn am Freitag kämpfte der Mercedes-Pilot erneut eine aussichtslose Schlacht mit dem Straßenkurs am Kaspischen Meer. In beiden Sessions verlor Hamilton über eine Sekunde auf die Bestzeit von Max Verstappen - und der Übeltäter soll wie an seinen durchwachsenen Wochenenden in Sochi und Monaco wieder einmal der Pirelli-Reifen sein.

Im 2. Freien Training landete Hamilton lediglich auf dem zehnten Platz. Während um ihn herum die Konkurrenz ihre Zeiten auf der Supersoft-Mischung in den Asphalt brannte, bekam der dreimalige Weltmeister auf der weichsten Reifenmischung an diesem Tag keine Runde zusammen. "Die Reifen sind einfach zu hart. Sie sind viel zu hart", klagt Hamilton, der seine schnellste Runde auf dem Soft-Reifen fuhr und angesichts der heißen Temperaturen in Baku wenig Verständnis für die Performance der Pneus aufbrachte.

"Du kannst nicht an diesen unglaublich warmen Ort kommen, an dem die Strecke an die 50 Grad Celsius hat und der Reifen funktioniert immer noch nicht. Das macht doch keinen Sinn", schimpft der Mercedes-Star, dem die Reifenmischungen an diesem Wochenende offenbar völlig fremd vorkommen: "Es ist fast so, als ob wir einen harten und einen extraharten Reifen hier hätten. Extra-Hart hat zwar noch nie zuvor jemand hergestellt, aber den und einen harten Reifen haben wir jetzt hier."

Die Tatsache, dass Red Bull plötzlich an der Spitze liegt und das Kräfteverhältnis deutlich anders ist, scheint für ihn ein einwandfreies Indiz dafür zu sein, dass Pirelli seine Hausaufgaben nicht richtig gemacht hat: "Der Grip ist hier sehr schlecht und ich denke, das gilt für jeden. Alle kämpfen damit, die Reifen ans Arbeiten zu bringen. Die Red Bull und die Ferrari möglicherweise weniger als andere, aber das ganze Feld hat Probleme damit."

Valtteri Bottas war in Baku bisher besser aufgelegt als Lewis Hamilton, Foto: Sutton
Valtteri Bottas war in Baku bisher besser aufgelegt als Lewis Hamilton, Foto: Sutton

Fahrfehler wegen Pirelli

Bestätigt fühlte sich Hamilton außerdem durch die zahlreichen Verbremser der Konkurrenz. Ganze 59 Mal mussten die Marshals am Freitag in Baku die gelben Flaggen schwenken - vier Mal zeichnete Hamilton selbst mit einem Verbremser dafür verantwortlich: "Was in der Regel passiert, ist: Du fährst in die Auslaufzone und brauchst eine Ewigkeit um den Rückwärtsgang einzulegen. Dann fährst du rückwärts, und in der Zeit in der du das erledigt und den ersten Gang wieder eingelegt hast, sind deine Reifen abgekühlt und nicht mehr im Arbeitsfenster."

Danach sei es nicht mehr möglich, mit dem Reifen zu attackieren. "Du fährst die nächsten zwei oder drei Runden wie auf rohen Eiern und versuchst, die Temperatur zurück in den Reifen zu bekommen. Das ist ein Albtraum", fügt er an. Dass es an der Strecke liegen könnte, schließt er aus: "Die Reifen tragen einen großen Teil dazu bei, weil sie schlechter sind. Im Sinne von größer, schwerer, steifer und härter. Sie funktionieren einen Großteil der Zeit einfach nicht."

Hamiltons Teamkollege Valtteri Bottas stellte sich indessen deutlich besser an. Der Finne landete am Nachmittag mit nur einer Zehntel Rückstand auf Verstappen auf Rang zwei und bewies damit, dass der F1 W08 in Baku durchaus konkurrenzfähig ist. "Wir bewegen uns in die richtige Richtung und werden für Samstag hoffentlich noch einen Schritt machen. Wenn uns das gelingt, werden wir vorne mit dabei sein und um die Pole Position kämpfen", gibt sich Bottas angriffslustig.

Wissenswertes über den Baku GP: (00:52 Min.)

Wolff: Hamilton nicht zur richtigen Zeit rausgeschickt

Mercedes-Teamchef Toto Wolff hatte für Hamiltons Abschneiden eine einfache Erklärung: "Wir hatten eine etwas chaotische Session mit viel Verkehr und vielen gelben Flaggen. Wir haben ihn einfach nicht zur richtigen Zeit rausgeschickt", so der Österreicher. Laut Wolff hatte seine Speerspitze schlichtweg nicht die Voraussetzungen, die für einen erfolgreichen Trainingstag notwendig gewesen wären "Ich denke, du musst in Baku einfach in einen Rhythmus kommen und einige Runden fahren, um das Selbstvertrauen zu erlangen und die Reifen in das richtige Fenster zu bekommen."

Trotz der besseren Performance pflichtete Bottas Hamilton aber in dem Punkt bei, dass ein weicherer Reifen das Fahren auf dem Baku City Circuit deutlich erleichtern würde. "Ich denke, jeder würde sich für den Ultrasoft entscheiden, wenn er die Wahl hätte. Aber die Reifen die wir hier haben, sind nun mal für uns alle gleich. Unser Job ist es, das Beste daraus zu machen", so der Sieger des diesjährigen Russland GP.

Etwas daraus machen will Hamilton ohne jeden Zweifel, denn nach zuletzt zwei Siegen in drei Rennen wird er in der WM nur ungern wieder an Boden auf Vettel verlieren wollen. "Valtteris Zeit im 2. Freien Training sieht vielversprechend aus. Im Auto steckt offensichtlich eine gute Pace, was ermutigend ist. Jetzt geht es darum, heute Abend die Köpfe zusammenzustecken und herauszufinden, wie wir diese Pace über den Rest des Wochenendes abrufen können", so der Brite.