Zum ersten Mal in der Formel-1-Saison 2017 stand Sebastian Vettel beim Kanada GP in Montreal nach einem Rennen nicht auf dem Podium. Vettel schrammte nach einem aufregenden Rennen mit Platz vier knapp daran vorbei. "Die Pokale hier sind sehr schön...", ärgerte sich Vettel nach dem Rennen - als ihm bereits das nächste Malheur passiert war.

Nach dem Rennen wurde Vettel in der Red-Bull-Hospitality gesichtet. Manch einer glaubte, er wolle sich vielleicht bei Max Verstappen beschweren, der ihm in Kurve eins den Frontflügel folgenschwer beschädigt hatte.

Vettel konnte der Kollision nicht ausweichen, Foto: Sutton
Vettel konnte der Kollision nicht ausweichen, Foto: Sutton

Doch Vettel nahm die Szene gelassen: "Max hat seine Chance auf der Außenseite gewittert und versucht, an allen vorbeizufahren. Das ist ihm auch gelungen, dabei hat er aber meinen Frontflügel übersehen. In diesem Moment sieht man das aber nicht, deshalb kann man ihm keinen wirklichen Vorwurf machen."

Tatsächlich war Vettel nur zu Red Bull gegangen, um sich die Hände zu waschen. Das Frust-Eis nach dem Rennen wollte nicht am Stiel bleiben und klatschte Vettel auf die Hand. Symptomatisch für einen verkorksten Sonntag.

Vettel: Am Start nichts falsch gemacht

Dass Vettel überhaupt mit Verstappen kollidieren konnte, lag an den unterschiedlichen Starts. Vettel ging von Position zwei aus ins Rennen, Verstappen von fünf. Dabei waren es für den Ferrari-Pilot nur 288 Meter bis zur ersten Kurve. Doch schon beim Start in die Formationsrunde stellte Vettel fest, dass auf seiner Startposition erstaunlich wenig Gummi lag. Entsprechend niedrig war das Grip-Niveau.

Vettel war der Pechvogel am Start, Foto: Sutton
Vettel war der Pechvogel am Start, Foto: Sutton

"Mein Start war gut, ich denke, ich habe alles richtig gemacht", rechtfertigt sich Vettel. "Ich kam aber nicht so gut weg und habe mich dann darauf konzentriert, mich in Lewis' Windschatten zu positionieren. Gleichzeitig habe ich bemerkt, dass Valtteri einen bisschen besseren Start hatte und wollte ihn natürlich auf die Innenseite drücken, was auch funktioniert hat."

Doch Verstappen, der auf der Außenbahn mit Überschuss kam, durchkreuzte Vettels plan, ging am Ferrari vorbei und beschädigte dabei noch seinen Frontflügel. "Ich konnte nirgends hin", erklärt Vettel. "Hätte ich später gebremst, hätte ich Lewis abgeräumt. Hätte ich früher gebremst, hätte ich sofort aufgegeben. So habe ich versucht, mich irgendwie rauszuhalten und es war klar, dass es dann nicht zu meinen Gunsten läuft. Aber dann war es schade um den Flügel."

Vettel fiel im Gewusel von Startplatz zwei auf Rang vier zurück, weil letztlich auch Bottas vorbeigehen konnte. Schlimmer als die zwei verlorenen Plätze wog aber die Beschädigung am Frontflügel. Während die Zuschauer am TV gut sehen konnten, dass der Ferrari beschädigt war, realisierten es Vettel und seine Crew zu spät. Erst als sich beim Restart nach der Safety-Car-Phase weitere Teile verabschiedeten, bemerkte Ferrari das Ausmaß der Beschädigung und wechselte die Nase.

Ferrari sieht Schaden zu spät

"Es war schlecht, dass wir den Schaden nicht sofort bemerkt haben", resümiert Vettel. "Ich habe gefragt, ob die Ingenieure das checken können. Ich hatte ein etwas komisches Gefühl aus Kurve sechs heraus, aber dann kam das Safety-Car. Ich war mir nicht sicher, denn es war die erste Runde des Rennens, die ist immer speziell. Es war sehr windig, da dachte ich, es wäre vielleicht eine Böe gewesen. In der ersten Runde sind die Reifen auch nicht so da. Wir hätten es sehen müssen..."

Ferrari entschied sich zu spät für den Boxenstopp, Foto: Sutton
Ferrari entschied sich zu spät für den Boxenstopp, Foto: Sutton

Teamchef Maurizio Arrivabene verteidigt seine Truppe: "Unsere Daten haben anfangs gezeigt, dass der Schaden nicht so ernst war." Allerdings hatte die Fehleinschätzung gravierende Folgen: Als der Flügel dann komplett zu Bruch ging, beschädigte er auch noch den Unterboden und die Luftleitbleche unter dem Chassis. "Schwer zu sagen, was mich das in Rundenzeit ausgedrückt gekostet hat aber von da an fühlte sich das Auto nicht mehr so an wie die letzten beiden Tage", analysierte Vettel.

Allerdings kostete die späte Erkenntnis nicht nur Performance: Statt während der Safety-Car-Phase zu stoppen, musste Ferrari den Stopp samt Nasenwechsel unter Rennbedingungen abwickeln. Dadurch verlor Vettel rund 20 Sekunden mehr, als er bei einem Wechsel hinter dem Safety-Car verloren hätte.

Ferrari sattelt auf Zweistopp um

Von da an ging es nur noch um Schadensbegrenzung - und Spaß für Vettel: "Das Rennen habe ich genossen, es hat Spaß gemacht, das war gutes Racing. Bei manchen Manövern wollte ich fast meine Augen zu machen!" Vettel arbeitete sich relativ schnell durchs Feld, doch hinter Esteban Ocon war zunächst Schluss.

Vettel legte in Runde 49 einen zweiten Stopp ein und ging von Super- auf Ultrasoft. Der Gedanke hinter dem zusätzlichen Stopp: Auf den uralten Supersofts würde es schwer, an den schnellen Force India vorbeizugehen. "Ich wollte es aber probieren, deshalb bin ich erst etwas später zum Reifenwechsel gekommen - vielleicht hätte ich früher kommen sollen", gibt sich Vettel selbstkritisch.

Der Plan ging aber dennoch auf: Vettel konnte mit frischen Ultrasofts die Lücke nach dem Stopp schnell schließen. Teamkollege Kimi Räikkönen musste mit Bremsproblemen unfreiwillig Platz machen.

Fünf Runden vor Rennende wurde es dann richtig aufregend für Vettel, als er erneut auf die Force India traf. "Wenn mehrere Autos im Pulk fahren, ist es unglaublich schwierig, weil alle Windschatten haben und DRS nichts mehr bringt", erklärt Vettel. Doch der teaminterne Zweikampf der beide Force India und die frischen Reifen halfen dem Deutschen.

Nach Zweikampf mit Ocon: Vettel fast in Mauer

Vier Runden vor Rennende schnappte er sich Ocon und ging auf Platz fünf. Das Manöver war hart, Vettel bremste sich in Kurve eins vorbei am Franzosen. Ocon war das Manöver ein bisschen zu hart. Vettel verteidigt sich: "Esteban hat leicht gezuckt, ich dann auch. Ich bin aufs Ganze gegangen, wir haben hart gekämpft. Ich hatte innen kaum Grip, wenn dann muss er nachgeben. Ich habe einfach versucht, die Kurve zu kriegen."

Fast wären Esteban Ocon und Sebastian Vettel kollidiert, Foto: Sutton
Fast wären Esteban Ocon und Sebastian Vettel kollidiert, Foto: Sutton

Vettel bekam die Kurve, Ocon nicht. Der Force India ging geradeaus durchs Gras und wirbelte viel Dreck auf. "Dadurch habe ich viel Zeit verloren", so Vettel. "Ich wollte eigentlich sofort Perez überholen, weil er da nicht mehr im DRS-Fenster von Ricciardo war. Aber ich habe mit den dreckigen Reifen das Auto in T4 fast verloren und bin fast in die Mauer gekracht. Ich habe das Heck verloren und musste dann zurücknehmen. In Kurve acht habe ich es dann fast wieder verloren. Der Wind war dort das ganze Rennen über heftig, ich habe mich fast gedreht. Auf jeden Fall konnte ich Perez in dieser Runde nicht mehr packen."

Doch zwei Runden später musste auch Perez im zweiten Force India dran glauben - Platz vier für Vettel. Der Zug für eine Podiumsplatzierung war da jedoch bereits abgefahren. Daniel Ricciardo profitierte von den Zweikämpfen zwischen den Force India und Vettel und konnte Platz drei gerade noch so über die Ziellinie retten.

Schlussendlich wusste Vettel nicht, ob er sich über die Schadensbegrenzung nun freuen sollte oder nicht. "Wenn du nach sechs Runden Letzter bist, ist alles ein Gewinn. Aber bei der Pace war heute mehr drin als P4." Ob es für die Mercedes gereicht hätte, weiß auch Vettel nicht. "Sie hatten eine starke Pace, aber sie konnten sich das Rennen auch einteilen. Ich war die ganze Zeit in Zweikämpfe verwickelt, da achtet man nicht so gut auf die Reifen."