"Unser Auto ist eine Diva", konstatierte Toto Wolff nach dem Monaco GP. Es war das erste Mal seit Singapur 2015, dass seine Mercedes-Boliden ins Ziel kamen, nicht aber auf dem Podium standen. Auch wenn ein Unfall wie beim Spanien GP 2016 zwischen Teamkollegen der Super-GAU ist, er dürfte Wolff lieber sein als die 18 Punkte, die Mercedes am vergangenen Wochenende in Monte Carlo holte.

In Spanien wusste Mercedes, dass man das schnellste aller Formel-1-Autos hat. Wären Nico Rosberg und Lewis Hamilton damals ins Ziel gekommen, hätte es satte 43 Punkte auf das Konto gehagelt. In Monaco aber saß die Diva nicht im Cockpit. Die Diva aus Metall und Karbon gibt sich auch nicht mit einem Snickers zufrieden. Dennoch hat der Silberpfeil mit seinen Allüren menschliche Züge.

An manchen Tagen performt der Mercedes wie Madonna höchstpersönlich, an anderen Tagen eher wie ein Gewinner von Deutschland sucht den Superstar. Das Problem ist nur: Mercedes weiß selbst nicht so ganz, wann der F1 W08 Madonna ist und wann DSDS-Kreischer. "Wir konnten bisher kein Muster sehen", gibt Toto Wolff zu.

Ultrasofts reines Hamilton-Problem

Manche vermuten, dass der Silberpfeil Probleme auf den Ultrasoft-Reifen hat. Doch Valtteri Bottas gewann auf diesem Pneu den Russland GP. Dabei fuhr er auf den Ultrasofts den Vorsprung heraus, den er am Ende gegen Sebastian Vettel auf den Supersofts verteidigen musste. Mercedes hatte auf Ultrasoft Vorteile gegenüber dem Ferrari.

Lewis Hamilton hat auf den Ultrasoft-Reifen Probleme, Foto: Sutton
Lewis Hamilton hat auf den Ultrasoft-Reifen Probleme, Foto: Sutton

Das einzige Muster, das sich hier erkennen ließ, liegt bei Lewis Hamilton: Der Brite scheint Probleme mit den weichsten aller Reifen zu haben. In Melbourne konnte ihn Vettel auf Ultrasoft unter Druck setzen und overcutten. Bei der Rennpace war Hamilton chancenlos. In Russland und Monaco, wo ebenfalls Ultrasoft zum Einsatz kamen ebenso. In China, Bahrain und Spanien kamen härtere Pneus zum Einsatz - und Hamilton holte zwei Siege.

Neue Simulationsdaten lassen Reifendrücke senken

Das Mercedes-Problem lässt sich aber nicht auf die Ultrasoft-Reifen herunterbrechen. Einige wollten in den Reifendrücken die Ursache allen Übels gefunden haben. Je höher die Drücke, desto mehr bekommen die anderen Teams Probleme, während Mercedes die Reifen auch mit geringer Auflagefläche managen kann.

Deshalb, so vermuteten welche, würde Mercedes Pirelli mit übertrieben Simulationsdaten füttern. Pirelli berechnet den Mindestluftdruck vor jedem Rennwochenende aus den Daten, die die Teams an die Italiener übermitteln. Nach den Trainings am Freitag senkte Pirelli die Drücke meist wieder, weil die Kräfte doch nicht so hoch waren. Deshalb soll Mercedes meist von Freitag auf Samstag Performance in Relation zu Ferrari eingebüßt haben.

Doch in Monaco ruderte Pirelli schon vor den Trainings zurück und senkte den Luftdruck, weil die Ingenieure überarbeitete Simulationsdaten erhalten hatten. Und: Mercedes führte die erste Trainingssitzung wieder an. Im 2. Freien Training gab es Probleme, weil man beim Setup den falschen Weg einschlug. Der Reifendruck scheint auch nicht des Rätsels Lösung zu sein.

Entweder oder: Immer nur ein Mercedes-Fahrer mit Problemen

Das einzige Muster, das sich erkennen lässt ist, dass nie beide Fahrer in gleichem Maße betroffen sind. Bottas war in Spanien und Bahrain im Rennen meilenweit von Hamiltons Pace entfernt, Hamilton war in Russland und Monaco jeweils deutlich langsamer als sein Teamkollege. "Ferrari stellt das Auto auf die Strecke und es geht direkt geradeaus, beide Fahrer scheinen gleich konkurrenzfähig zu sein oder nicht. Das war bei uns in dieser Saison anders", konstatiert Toto Wolff.

Mercedes' Problem scheint das Betriebsfenster zu sein. Zu sensibel reagiert das Auto auf minimalste Veränderungen. Ein Problem, das Ferrari aus der vergangenen Saison kannte. Mal war das Auto schnell und die Ingenieure wussten nicht warum, mal war das Auto langsam und man kannte die Gründe dafür ebenfalls nicht.

Der Schlüssel sind die Reifen. "Es geht letztendlich darum, wie das Chassis mit den Reifen interagiert", so Wolff. "Es ist ein komplexes Thema, viele Faktoren entscheiden darüber. Anderen gelingt es, uns nicht. Wir haben ein schnelles Auto, aber es mag die Reifen nicht." Pirelli hingegen betont, das Arbeitsfenster der Reifen sei sogar größer geworden in diesem Jahr. An den Rändern des Fensters falle der Grip außerdem nicht steil ab, vielmehr würde die Grip-Kurve flach auslaufen.

Wolff: Sind 16 Wochen hinter Ferrari

Die Uhr tickt: Sechs von zwanzig Rennen sind nun schon vorbei. Sechs Rennen, in denen Mercedes Daten über die Reifen sammeln konnte. Eine Lösung, wie man der Diva die Allüren austreiben kann, scheint es noch immer nicht zu geben. Aber eine Erklärung, warum es die Konkurrenz besser macht. "Unseres Wissens hat Ferrari sehr früh mit der Entwicklung des Autos begonnen - im Dezember 2015", sagte Wolff der Süddeutschen Zeitung.

"Wir erst im März 2016. Ferrari hat damals schon über 50 Prozent seiner Ressourcen auf das neue Auto gesetzt. Unter einem neuen Reglement ist die Lernkurve in den ersten Wochen natürlich extrem steil", erklärt der Mercedes Motorsportchef und rechnet vor: "Ferrari hat vielleicht 16 Wochen Vorsprung. Und in dieser Zeit findest du Abtrieb, der in Summe vier, fünf Zehntel ausmachen kann. Das ist für uns die wesentliche Erklärung, dass Ferrari so gut ist wider Erwarten."

Aber: Entwicklungszeit im Labor macht das Auto in der Theorie schneller, die Interaktion mit den Reifen lässt sich noch immer am besten auf der Strecke testen. Und dort konnte auch Ferrari nicht früher mit dem Test beginnen. Ferrari allerdings hat das Konzept des Vorjahresautos weitestgehend übernommen. Mercedes hingegen hat - abgesehen vom Konzept der Schmal-Nase - den Silberpfeil stark überarbeitet, den Radstand extrem gestreckt. Vielleicht versteht Ferrari Auto und Reifen deshalb besser.