Ursprünglich hatte Felipe Massa gar nicht vor, 2017 noch in der Startaufstellung der Formel 1 zu stehen. Doch der Rücktritt von Nico Rosberg und der darauffolgende Wechsel Valtteri Bottas' von Williams zu Mercedes änderten für den brasilianischen Routinier alles. Massa sitzt entgegen seiner eigentlich Pläne erneut für den britischen Traditionsrennstall im Cockpit. Und in seiner insgesamt 15. Saison in der Königsklasse macht er an der Seite von Rookie Lance Stroll zudem eine für ihn ganz neue Erfahrung: Er gibt für den Rookie den Lehrmeister, wie es einst Michael Schumacher für ihn bei Ferrari tat.

"Ich schätze es erinnert mich daran", fühlt Massa sich als Mentor Strolls in sein Lehrjahr beim siebenmaligen Weltmeister zurückversetzt. Der Brasilianer kam 2006 nach zwei Jahren als Stammpilot bei Sauber und einem als Ferrari-Testfahrer zur Scuderia, um von Schumacher zu dessen Nachfolger ausgebildet zu werden. Bei Williams lernt er nun seinerseits die Rolle des Ausbilders kennen, allerdings unter anderen Vorzeichen.

Während Massa aus Freude am Racing und Pflichtgefühl gegenüber seinem Team noch ein Jahr in der Formel 1 drangehangen hat, war Schumacher damals auf der Jagd nach seinem achten WM-Titel. Dementsprechend anders stellte sich der Informationsaustausch dar. "Ich denke, ich gebe meine Informationen etwas ungezwungener an Lance weiter, als es Michael damals bei mir getan hat", so Massa. Der ambitionierte Schumacher ließ sich nicht immer ganz freiwillig in seine Karten schauen: "Ich habe schon mehr von ihm verlangt, als er mir geben wollte."

Massa ließ sich nie davon abbringen, Schumacher um Rat zu fragen, Foto: Sutton
Massa ließ sich nie davon abbringen, Schumacher um Rat zu fragen, Foto: Sutton

Massa: Schumi nach Niederlagen weniger kooperativ

Im Laufe der Saison 2006 kam der Youngster mit dem Ferrari immer besser zurecht und lag das eine ums andere Mal auch vor seinem Ausbilder - was nicht ganz nach dessen Geschmack war. "Natürlich war er nicht zu 100 Prozent glücklich, wenn ich vor ihm lag", so Massa, der beim 14. Saisonrennen in der Türkei seinen ersten Grand-Prix-Sieg einfuhr, während Schumacher als Dritter neben ihm auf dem Treppchen stand.

Trotz der steilen Formkurve verkniff sich Massa seine Neugier nie: "Ich habe immer sehr viel gefragt, weil ich Michael als Lehrer sah, als meinen Meister. Ich hatte also keine Angst ihn zu fragen, was er wie macht." Hin und wieder ließ sich der ehrgeizige Schumacher vom Youngster allerdings auch gerne mal bitten: "Manchmal musste ich mehrmals fragen, wenn er nicht sofort mit der Sprache rausrücken wollte."

Nachdem Schumacher in Monza seinen Rücktritt bekanntgegeben hatte und Massa damit für die Saison 2007 den Verbleib bei Ferrari an der Seite von Neuzugang Kimi Räikkönen ermöglichte, war Betteln allerdings kein Thema mehr und die Formel-1-Legende zeigte sich stets als kooperativ: "Ich habe ihn alles gefragt und er hat es mir gesagt. Letztendlich hat er schon viel preisgegeben. Sehr viel", fügt Massa an.

In der zweiten Hälfte der Saison 2006 hatte Massa die Nase auch mal vor Schumacher, Foto: Sutton
In der zweiten Hälfte der Saison 2006 hatte Massa die Nase auch mal vor Schumacher, Foto: Sutton

Massa für Stroll ein offenes Buch

Anders als Schumacher 2006 kämpft Massa mit seinem Williams FW40 in der Saison 2017 nicht um einen WM-Titel. Da obendrein auch noch unklar ist, ob der 36-Jährige seine Formel-1-Laufbahn um ein weiteres Jahr verlängert, lässt er Stroll nicht zappeln, wenn es um Informationsaustausch geht. "Ich helfe ihm sehr und versuche ihn auf alles hinzuweisen, was mir auffällt", erklärt Massa seinen Ansatz als Lehrmeister.

Stroll hatte vor dem Saisonstart stets betont, dass er Massas Hilfe zwar zu schätzen wisse, aber dennoch seinen eigenen Weg gehen müsse. Allerdings steht er nach vier Rennen ohne Punkte da und konnte bisher eher mit Fahrfehlern auf sich aufmerksam machen, während Massa mit 18 WM-Zählern die Fahne für Williams im Alleingang hochhält. Mittlerweile fragt Stroll offenbar häufiger um Rat.

Massa lässt Stroll bei Williams nicht zappeln, Foto: Sutton
Massa lässt Stroll bei Williams nicht zappeln, Foto: Sutton

"Wenn er in einer Kurve Zeit auf mich verliert, kommt er und fragt. Dann sage ich ihm, was er anders machen sollte. Das ist gar kein Problem", so Massa, der sich vor der Saison schon darauf eingestellt hatte, für Williams die Kohlen aus dem Feuer zu holen. Dementsprechend wichtig ist es ihm, Stroll möglichst schnell auf Kurs zu bringen: "Natürlich ist es besser, wenn beide Fahrer des Teams Punkte einfahren. Das ist es, was wir brauchen und was jedes Team braucht."

Im Kampf gegen Force India & Co. wird Stroll früher oder später sicherlich mehr Druck zu spüren bekommen, wenn es mit Punkten weiterhin nicht klappen sollte. Im Moment sieht Massa die Sache aber noch gelassen: "Wir dürfen nicht vergessen, dass er noch lernt und gerade erst angefangen hat. Wir müssen ihm ganz einfach die Zeit geben."