Die Statistiker zählten beim Russland GP 2017 lediglich ein einziges Überholmanöver in den 51 Umläufen nach der Startrunde. Und dieses eine Überholmanöver fand ausgerechnet zwischen zwei Teamkollegen statt. Pascal Wehrlein ging in Runde fünf an Marcus Ericsson vorbei - es ging um Platz 15. Die Gegenwehr des Schweden dürfte sich in Grenzen gehalten haben.

Auch die Abstände waren das gesamte Rennen über recht groß, DRS kam fast ausschließlich beim Überrunden zum Einsatz. Entsprechend brachte das Rennen wenig Rennaction. Der Showdown in den letzten Runden um den Rennsieg zwischen Valtteri Bottas und Sebastian Vettel war für viele versöhnlich - doch was war zuvor los?

Rennsieger Valtteri Bottas - dem die wenige Action durchaus entgegen kam - führt es auf das Streckenlayout zurück. "Vor den beiden langen Geraden gibt es viele Kurven. Der letzte Sektor besteht ausschließlich aus Kurven und dort braucht man viel Abtrieb, um schnell zu sein. Das gleiche ist mit Sektor zwei: Vor der Gegengeraden folgt Kurve auf Kurve, jeder fährt die gleiche Linie."

"Wenn du mehr Überholmanöver haben willst, brauchst du mehr Geraden und weniger Kurven dazwischen", so die nüchterne Analyse des Rennsiegers. Selbst Überrundungen waren für Bottas schon schwierig. Seit der Regelklarstellung erhalten die Piloten erst blaue Flaggen, wenn der Überrundende weniger als eine Sekunde hinter ihm fährt. "Eine Sekunde mit diesen Autos auf dieser Strecke war auf jeden Fall zu wenig", kritisiert Bottas.

Kombination aus Technik und Strecke

Die Formel-1-Generation 2017 ist durch ihre diffizile Aerodynamik und den vielen Abtrieb wieder empfindlicher für Dirty Air, also die Luftverwirbelungen hinter dem Vorderauto. Schon beim Australien GP gab es lediglich fünf Überholmanöver auf der Strecke.

Schon in Australien waren Überholmanöver Mangelware, Foto: Sutton
Schon in Australien waren Überholmanöver Mangelware, Foto: Sutton

Doch der Albert Park ist ebenso wie das Sochi Autodrom eine Strecke, die Überholmanöver nicht unbedingt begünstigt. Mit 35 Überholmanövern 2014, 31 Überholvorgängen 2015 und 27 im Jahr 2016 rangierte der Russland GP auch in den vergangenen Jahren eher am unteren Ende. Die Prozessionen erinnern stark an die Rennen in Valencia.

Dazu kommt, dass die Strategie in Sochi keine große Rolle spielt. Seit dem Debüt des Rennens im Jahr 2014 war jede Ausgabe ein Einstopp-Rennen. Der sanfte Asphalt und die geringen lateralen Kräfte beanspruchen die Pneus nicht besonders stark. Somit gibt es auch weniger Performance-Differenzen durch unterschiedlich stark verschlissene Reifen.

Auffällig war vor allem, dass es auch im engen Mittelfeld keine Zweikämpfe gab. Dafür wurden die Fans am Ende ganz an der Spitze mit einem Duell entschädigt. Sebastian Vettel gefällt die Formel 1 so: "Es ist sehr eng. Am Sonntag waren wir ein bisschen dahinter, am Samstag knapp davor - aber das ist super so. Es macht auf jeden Fall Spaß, auch wenn es zum Zuschauen vielleicht nicht der Brüller war. Im Auto hat es Spaß gemacht."

Zur Überholproblematik gibt es geteilte Meinungen: Ein Lager will mehr Action auf der Strecke, das andere hält Überholmanöver nicht unbedingt für nötig. Bei den legendären Rennen in Imola 2005 und 2006 gab es schließlich auch keine Überholmanöver zwischen Michael Schumacher und Fernando Alonso - die Rennen lebten von der Spannung. Wie sehen die Leser von Motorsport-Magazin.com die Thematik? Braucht die Formel 1 Überholmanöver oder genügt die potentielle Gefahr? Schreibt uns in den Kommentaren und stimmt ab!