Überraschung in Sochi: Nachdem Ferrari zuvor alle Sessions des Russland-Wochenendes für sich entschieden hatte, gewinnt am Ende doch wieder Mercedes an der Schwarzmeerküste. Trotz der ersten rein roten Startreihe eins seit neun Jahren schnappt Valtteri Bottas mit seinem Debütsieg in der Formel 1 der Scuderia den dritten Saisonerfolg vor der Nase weg. Sebastian Vettel muss sich bei seinem 90. F1-Podium mit Platz zwei, Kimi Räikkönen mit P3 abfinden.

Vettel: Rennen am Start verloren

Dabei hatte doch alles so gut ausgesehen für Ferrari. Selbst Mercedes-Teamchef Toto Wolff hielt einen Mercedes-Triumph in Sochi nach dem rot dominierten Qualifying schon für so gut wie ausgeschlossen. Doch alles kommt anders - direkt am Start schießt Bottas aus Startreihe zwei vorbei an der roten Wand, geht in Führung und lässt sich den Platz an der Sonne nur vorübergehend nach seinem Boxenstopp noch einmal nehmen.

Entsprechend groß ist der Ärger bei Ferrari über den verbockten Start. "Der Start war nicht perfekt, auch später wurde das Rennen beeinträchtigt", hadert Teamchef Maurizio Arrivabene bei Sky mit dem Start und einer zweiten Situation ganz am Ende (Stichwort Massa, siehe unten, d. Red.). "Vielleicht habe ich das Rennen beim Start verloren und hätte da aggressiver sein können", bestätigt Vettel. Grundsätzlich sei ihm sein Start allerdings stark vorgekommen. "Ich hatte ein gutes Gefühl, auch wenn es sich so angefühlt hat auf den ersten Metern, als ob ich hinter mir ein Zelt aufgespannt hatte als Valtteri angeschossen kam. Es gab einen starken Gegenwind. Er hatte massiven Windschatten", schildert Vettel.

"Es ist ein langer Weg zur zweiten Kurve. Valtteri hatte mehr Schwung und ich war innen. Ich wusste, dass es eng werden würde. Aber dass er es sogar schafft vor uns zu kommen und dann die Tür zuzumachen - das hat er geschickt gemacht, es war eine der Schlüsselszenen", sagt der jetzt mit 13 Punkten Vorsprung WM-Führende. "Wenn wir Track Position behalten hätten, denke ich, dass wir auch die Pace gehabt hätten, ihn hinter uns zu halten. Denn es ist hier schwer, zu überholen. Er hätte nicht viel Druck machen können, auch nicht mit überlegener Pace", ergänzt Vettel.

Direkt am Start peitschte Bottas in Russland vorbei an Ferrari, Foto: Sutton
Direkt am Start peitschte Bottas in Russland vorbei an Ferrari, Foto: Sutton

Vettel: Konnte mit Bottas nicht mithalten

In der Folge versuchte sich Vettel an das Heck des Finnen zu heften, hatte dabei jedoch so seine Mühen. "Er ist einen super ersten Stint gefahren, da muss man den Hut ziehen, wir konnten nicht mithalten", gesteht Vettel. "Hintenraus habe ich mich im ersten Stint dann wohler gefühlt, vorher hatte ich Probleme mit den Vorderreifen, und konnte die Lücke etwas schließen. Aber das hat er dann gemerkt und konnte das Rennen kontrollieren."

Einem Undercut durch Vettel kommt Mercedes zuvor, sodass Ferrari die gegenteilige Variante versucht: deutlich länger fahren und am Ende noch einmal mit wesentlich frischeren Supersofts attackieren. "Es gab ja eine Gap zu Kimi und deshalb habe ich versucht, einfach so lange wie möglich den ersten Satz zu fahren. Wir haben gehofft, dass sich vielleicht noch eine Möglichkeit ergibt", erklärt Vettel.

Valtteri Bottas war in Russland für Vettel nicht zu schlagen, Foto: Sutton
Valtteri Bottas war in Russland für Vettel nicht zu schlagen, Foto: Sutton

Starke Ferrari-Schlussoffensive am Ende wirkungslos

Tatsächlich scheint die Ferrari-Strategie zunächst aufzugehen. Nach seinem Boxenstopp dreht Vettel mächtig auf, holt in großen Schritten auf. "Das Auto war sehr, sehr stark heute - und Seb war in fantastischer Form am Ende des Rennens und hätte es beinahe noch geschafft", sagt Arrivabene.

Doch einmal im direkten Windschatten des Mercedes' tat sich Vettel aufgrund der Dirty Air sofort wesentlicher schwerer. "Am Schluss hatte ich dann frischere Reifen und war deutlich schneller, aber es ist unheimlich schwer, hier nah genug heranzukommen", beschreibt Vettel. "Aber er ist auch ein fehlerloses Rennen gefahren und war die ganze Zeit sehr schnell. Da konnte ich nicht mithalten und deshalb hat er verdient gewonnen."

Zufrieden sei er trotz des verpassten Sieges dennoch. "Insgesamt war es ein gutes Rennen. Der Speed im Rennen war ja da und P2 und P3 sind ein gutes Ergebnis für das Team", sagt Vettel.

Überrundungsärger mit Massa: Vettel packt den Mittelfinger aus

Ganz ohne Wermutstropfen geht es dann aber doch nicht. Eine Szene unmittelbar vor Rennende regt Vettel im Cockpit gewaltig auf: Beim Überrunden von Felipe Massa fühlt sich der Ferrari-Pilot massiv durch den Williams-Mann benachteiligt, verleiht seinem Ärger mit dem Autofahrergruß samt eines "Was zur Hölle war das?" am Boxenfunk Ausdruck.

"Ich habe alles versucht, um Valtteri einzuholen", schildert Vettel die Rennsituation. "Ich war mir sicher, dass Massa rüberfahren und mich vorbeifahren lassen würde. Ich habe dann mehr Zeit verloren als mir lieb war. Aber egal jetzt", gibt Vettel in der Pressekonferenz schon wieder den Entspannten. "Was da passiert ist, war einfach ein kleines Missverständnis, ich war nicht sicher, wo er hinfahren würden. Aber ich habe an diesem Punkt das Rennen nicht verloren. Ich war kurz stinkig auf den Kollegen Massa, auch wenn vielleicht keine Chance mehr da war. Aber so sieht man das in dem Moment, wenn man zehn Runden alles gegeben hat und dann auf einen Schlag eine Sekunde beim Überrunden verliert."

Denn ein Nachteil sei Massa durchaus gewesen - darauf besteht Vettel trotz verklungenen Ärgers. "Es war nur in dem Moment. Aber ja, er hat mich etwas gekostet. Erst hat er Valtteri in der letzten Runde einen sehr guten Windschatten gegeben und ihn vorbeigelassen und dann, bei mir, wusste er scheinbar nicht, dass da noch ein Auto kommt. Ja, er hat in Kurve zwei Platz gelassen. Aber er hätte dann auch in Kurve drei lupfen können, sodass ich Außen rum kann", beharrt Vettel. "Da hat Felipe Valtteri zwei Mal einen Gefallen getan."

Auf den anfänglichen Groll Vettels angesprochen reagiert indessen Felipe Massa seinerseits verärgert. "Er hat sich nicht wirklich am Funk beschwert, oder? Ich habe die Innenseite ganz für ihn offen gelassen, habe aber gesehen, dass er da nicht rein wollte und habe dann die andere Seite offen und ihn sofort vorbei gelassen", stellt Massa bei Sky klar. Vettel solle sich mal nicht so aufregen, eine Gelegenheit sei ihm dadurch wohl kaum entgangen. Massa: "Ich bin mir aber sicher, dass er Valtteri nicht mehr hätte überholen können. Wie auch immer - er beschwert sich halt gern!"

So ganz perfekt aus dem Weg gefahren zu sein scheint Massa allerdings nicht - wenn sich selbst Mercedes beim Brasilianer bedankt. Toto Wolff: "Die Überrundungen liefen mal gegen uns, mal für uns, wie bei Felipe. Danke an dieser Stelle. Ich zahle ihm ein Bier. Das kam uns entgegen."