Stoffel Vandoorne galt vor seinem Debüt als Vollzeitfahrer für McLaren als das große Super-Talent. Als der am besten ausgebildete Formel-1-Rookie der letzten Jahre. Als der junge Mann, der vielleicht sogar dem großen Fernando Alonso auf Anhieb gefährlich werden würde. Kurzum: Ein Supertalent, das sofort einschlagen kann.

Drei Rennen später: Wer war noch mal Stoffel Vandoorne? Der Belgier ist innerhalb kürzester Zeit komplett untergegangen, berichtet wird kaum noch über ihn. Wie auch - dank des Krisen-McLaren kommt er kaum ans Fahren, fiel schon zweimal aus. Zuletzt in Bahrain war nach einem Schaden an der Power Unit noch vor dem Rennstart Feierabend.

Von Alonso überstrahlt

Ganz anders Alonso. Vandoornes Teamkollege fuhr dieses Jahr an gefühlt jedem Wochenende - laut eigener Aussage - das beste Rennen seines Lebens, schnupperte mehrmals bis zum Ausfall an den Punkten, beschwerte sich medial wirksam über den Motor und nimmt nebenbei auch noch das Indy500 mit. Mehr Präsenz mit null WM-Punkten geht nicht.

Da stellt sich unweigerlich die Frage: Schadet der schwache McLaren Vandoornes Reputation als Rennfahrer? Kurz vor dem Russland Grand Prix gab der 25-Jährige eine deutliche Antwort. "Nein, das denke ich nicht", sagte Vandoorne an diesem Donnerstag im Fahrerlager von Sochi. Gleichzeitig räumte er ein, dass die aktuelle Situation bei McLaren ungewohnt sei. Kein Wunder, fuhr Vandoorne in den Nachwuchs-Formelserien von Titel zu Titel.

Stoffel: "Ich war es früher gewohnt, um Siege und Meisterschaften zu kämpfen. Egal, in welcher Serie ich gefahren bin. Dieses Jahr ist es ein anderes Szenario, weil wir dazu nicht in der Lage sind. Man denkt und arbeitet anders mit dem Team, achtet auf Details und versucht, in die richtige Richtung zu drängen. Natürlich ist das keine Situation, in der du als Rennfahrer stecken möchtest. Hoffentlich kommt bald eine Besserung."

Stoffel Vandoorne ist eines der McLaren-Opfer, Foto: Sutton
Stoffel Vandoorne ist eines der McLaren-Opfer, Foto: Sutton

#BelieveInStoffel

Es sind harte Zeiten für den erfolgsverwöhnten Vandoorne. Droht nun in Sochi der nächste Rückschlag? An gleicher Stelle hatte er vor zwei Jahren völlig überlegen die Meisterschaft in der GP2 vorzeitig perfekt gemacht. Jetzt muss er McLaren helfen, die Honda-Krise zu bewältigen. Und dafür selber zurückstecken. "An den ersten drei Wochenenden lief es nicht so glatt", sagte er. "Wir sind viele Programme gefahren. Das Wichtigste ist jetzt, dass wir ein normales Wochenende ohne Probleme haben."

McLaren ist gezwungen, den Rückstand aus den völlig verkorksten Winter-Testfahrten während der Saison aufzuholen. Während die Konkurrenz die Grand-Prix-Trainings für Fein-Abstimmungen nutzt, muss McLaren sein Auto erst einmal verstehen. Wenn es denn fährt... Zuletzt streikte die MGU-H der Power Unit gleich mehrfach.

Vandoornes bisherige Karriere

Jahr Rennserie Ergebnis
2010 Formel 4 EurocupMeister
2011Formel Renault 2.0 NEC Platz 3
2012 Formel Renault 2.0 Euro Meister
2013 Formel Renault 3.5 Vize-Meister
2014GP2 Vize-Meister
2015 GP2 Meister
2016 Super FormulaPlatz 4

Ein bisschen Normalität

Immerhin einen Lichtblick gab es letzte Woche: die Testfahrten in Bahrain. Ziemlich überraschend spulte Vandoorne am zweiten und letzten Tag 81 Runden ab - und das ganz ohne Probleme. "Es war schön, mal einen normalen Tag zu haben", sagte Vandoorne zu Motorsport-Magazin.com. "Es ist eine ganze Weile her, seit uns das zuletzt gelungen ist. Wir hatten keine Probleme, oft das Setup gewechselt und viel gelernt."

Auch das ärgerliche Problem mit der MGU-H schien plötzlich verschwunden, obwohl nach einem Motorenwechsel eine baugleiche Spezifikation zum Einsatz kam. "Wir haben ein paar neue Dinge ausprobiert, auch neue Settings am Motor", verriet Vandoorne. "Ich habe noch nicht das abschließende Urteil gehört, ob das die Probleme zu 100 Prozent lösen wird. Hoffentlich wird das aber der Fall sein."

In Russland kommen weitere Updates zum Einsatz, denn trotz der Motoren-Problematik soll die Entwicklung auf Chassis-Seite weiter vorangetrieben werden. Honda wird allerdings wohl noch eine Weile brauchen, um das Power-Defizit zu beben und gleichzeitig Standfestigkeit zu gewährleisten.

Mehr in der Box als auf der Strecke: F1-Debütant Stoffel Vandoorne, Foto: Sutton
Mehr in der Box als auf der Strecke: F1-Debütant Stoffel Vandoorne, Foto: Sutton

Kleine Stichelei gegen das Team

In Russland erwartet der Motoren-Partner schon jetzt ein weiteres hartes Wochenende. Das ausgegebene lautet, beide Autos am Sonntag über die Ziellinie zu befördern. Worte, die ein Rennfahrer überhaupt nicht gern hört. Doch Vandoorne hat sich mit der aktuellen Situation abgefunden.

Im Gegensatz zu Alonso spart er sich öffentliche Kritik am Team. Nur nach dem Bahrain-Test setzte er eine kleine Spitze: "Alle Tage sollten so laufen. Das sollte keine einmalige Angelegenheit sein." Auch, damit er sein zweifelsohne großes Talent endlich in einem Formel-1-Rennwagen unter Beweis stellen kann.