Die Formel 1 betritt zum ersten Mal in dieser Saison europäischen Boden. Zum vierten Mal gastiert die Königsklasse in Russland, genauer gesagt in Sochi. Nach den ersten drei Saisonrennen hat sich ein erstes Bild ergeben, dazu kommen aber einige weitere Fragen. Motorsport-Magazin.com beleuchtet die Brennpunkte vor dem Russland GP.

Brennpunkt 1: Nächste Runde im Duell Vettel vs. Hamilton

Drei Rennen sind gefahren, und das WM-Duell der Saison scheint bereits festzustehen. Sebastian Vettel und Lewis Hamilton teilten sich die Siege untereinander auf. Ferrari hat den Anschluss an Mercedes vor allem im Rennen geschafft. Die Silberpfeile suchen noch nach dem Schlüssel, die Reifen im Rennen perfekt zu nutzen. Bislang konnte Vettel zweimal daraus Kapital schlagen, beide Male aber brachte ihn erst die Strategie an der Konkurrenz vorbei.

In Russland steht das nächste Duell bevor. Das Sochi Autodrom gehört statistisch zu den Lieblingsstrecken von Lewis Hamilton. Zwei der bislang drei ausgetragenen Rennen konnte er gewinnen, im Vorjahr belegte er immerhin Rang zwei. Vettel dagegen wurde mit dem Kurs im Olympiapark noch nicht warm. Rang acht im Debütjahr 2014 folgte Platz zwei ein Jahr später, in der vergangenen Saison schied er nach einem Torpedo-Angriff seitens Daniil Kvyats aus. Bislang kam es noch nicht zu einem echten Zweikampf der Rivalen, entschieden wurden die Rennen am Kommandostand. Wird es dieses Mal anders sein?

Hamilton vs. Vettel: Das Duell geht in die nächste Runde: (00:50 Min.)

Brennpunkt 2: Findet Bottas seine Form im Rennen?

Zum ersten Mal in seiner Karriere startete Valtteri Bottas in Bahrain von der Pole Position, im Rennen lief es für ihn aber gar nicht rund. Ein defekter Generator und damit zu kühle Reifen zwangen Mercedes kurz vor dem Start, den Reifendruck zu erhöhen. Als das Rennen lief und die Reifen an Bottas' Wagen auf Temperatur waren, war der Druck zu hoch und der Finne konnte das Tempo nicht mitgehen. Doch auch nach dem Reifenwechsel passte es nicht. Kurz gesagt: Bottas enttäuschte. Und das, obwohl er sich den Sieg fest vorgenommen hatte.

Zuvor in China legte der Finne einen bösen Fehler hin, als er sich hinter dem Safety Car drehte. In Australien verlor er gleich zu Rennbeginn viel Zeit auf das Spitzenduo und fand erst am Ende des Rennens zu Pace. So auch in Bahrain. Dort aber nützte es nichts, weil der mit neuen Reifen ausgerüstete Lewis Hamilton per Teamorder am Finnen vorbeigelotst wurde. Um nicht dauerhaft in dieser Rolle zu verschwinden, muss Bottas in Russland von Beginn an im Rennen beweisen, dass er das Tempo mitgehen kann.

Brennpunkt 3: Welche Rolle spielt die Teamorder?

Valtteri Bottas musste Lewis Hamilton in Bahrain vorbei lassen, Foto: Mercedes-Benz
Valtteri Bottas musste Lewis Hamilton in Bahrain vorbei lassen, Foto: Mercedes-Benz

Durch die Anweisung an Bottas rückte ein ganz anderes Thema wieder auf die Agenda: die Teamorder. Zu lange wartete Mercedes mit dem Positionstausch, der Hamilton an Bottas vorbeibrachte. Stattdessen sah der Kommandostand der Silberpfeile zu, wie sich Vettel an der Spitze ein Polster erarbeitete. Kein Wunder, stand Mercedes in den letzten Jahren doch für freies Fahren der Teamkollegen. Doch mit Ferrari ist nun plötzlich ein Gegner vorhanden, der auf Augenhöhe unterwegs ist. In den letzten drei Jahren war dieser Mercedes nur vom Hörensagen bekannt.

Nun ist die Situation anders, und Toto Wolff kündigte bereits an, dieses Mittel der Stallorder auch künftig einzusetzen, wenn es die Situation verlangt. Für Bottas mussten diese Worte wie eine Drohung klingen. Bei Ferrari stellt sich die Frage gar nicht, Kimi Räikkönen macht ohne zu murren Platz für Vettel. Aber Bottas? In Russland könnte es die nächste Situation geben. Für den Finnen wäre es bereits in der Frühphase der Saison eine Degradierung. Oder läuft es vielleicht umgekehrt und Hamilton müsste Platz für Bottas machen? Oberste Prämisse für Mercedes habe nach eigener Aussage immer der Rennsieg. Dass ein Lewis Hamilton aber freiwillig zur Seite fährt, ist kaum vorstellbar.

Brennpunkt 4: Red Bull sucht weiterhin den Anschluss

Red Bull sucht weiter nach der Form, Foto: Sutton
Red Bull sucht weiter nach der Form, Foto: Sutton

In Bahrain erlebte Red Bull eine einzige Enttäuschung. Ausfall von Max Verstappen, nur Rang fünf für Daniel Ricciardo. Die noch nach den Trainings geäußerte Zuversicht, im Rennen etwas bewegen zu können, löste sich schnell im steifen Wüstenwind auf. Weiterhin hangelt man sich von Rennen zu Rennen, erst in Barcelona soll auf Chassis-Seite eine große Weiterentwicklung kommen, ehe in Kanada Renault ein umfangreiches Update bringt. Das Chassis-Problem sollte in Russland also zum letzten Mal auftreten, der Spanien GP steht ja bereits 14 Tage später auf dem Programm.

Doch es droht nicht nur deshalb ein schweres Rennen in Sochi für Red Bull. Kein Sieg, kein Podium, nur 20 Punkte in drei Rennen - das ist die bisherige Bilanz der Bullen im Kaukasus. Daher wird man den Blick am kommenden Wochenende wohl eher nach hinten richten müssen. Denn gerade Williams wusste bislang in Russland zu überzeugen. Nach Punkten sind die Briten das zweitbeste Team in Russland hinter Mercedes.

Brennpunkt 5: Rennen ohne Reifenverschleiß

Auf dem Asphalt im Sochi Autodrom verschleißen die Reifen kaum, Foto: Sutton
Auf dem Asphalt im Sochi Autodrom verschleißen die Reifen kaum, Foto: Sutton

Auch 2017 bleibt Pirelli nicht von Kritik verschont, wenngleich sich die Fahrer wohl eher darüber beschweren, dass sie noch extrem viel lernen müssen. Denn die Pneus bauen nicht mehr so stark ab, im Gegenzug ist es jedoch deutlich schwerer, sie in das richtige Arbeitsfenster zu bekommen. In Bahrain machte die Hitze den Reifen etwas zu schaffen, wenngleich von richtigen Dramen nichts zu sehen war. Mehr als zwei Stopps waren nicht notwendig.

In Sochi nun könnte der Verschleiß einen neuen Nullpunkt erreichen. Der Asphalt im Sochi Autodrom ist extrem glatt und fordert die Reifen kaum. Bereits im Vorjahr reichte den meisten Fahrern ein einziger Stopp, um das Rennen zu überstehen. 2017 bringt Pirelli mit dem Ultrasoft zwar auch die weichste Mischung im hauseigenen Portfolio. Doch insgesamt ist der Reifenabbau 2017 geringer. Stattdessen stehen die Fahrer nun vor der Aufgabe, die Reifen gerade im Qualifying bestmöglich auf Temperatur zu bringen. Es wird daher erwartet, dass häufiger zwei Aufwärmrunden gefahren werden, um erst in Umlauf drei die Zeit zu setzen. Strategisch verspricht der Samstag also mehr Spannung als der Sonntag.

Brennpunkt 6: Nächste Wendung für Daniil Kvyat?

Daniil Kvyat kehrt an den Ort seiner größten Pleite zurück, Foto: Sutton
Daniil Kvyat kehrt an den Ort seiner größten Pleite zurück, Foto: Sutton

Exakt ein Jahr ist es nun her, als Daniil Kvyat Sebastian Vettel und in der Folge auch seine Karriere in die Wand donnerte. Beim Russland GP 2016 gab es die zweite haarige Aktion mit dem Deutschen binnen zwei Wochen, doch anders als noch in China trug Kvyat die alleinige Schuld. Es folgte die Strafversetzung zu Toro Rosso, wenn es auch offiziell als Beförderung von Max Verstappen verkauft wurde. Vermutlich war beides richtig. Doch Kvyat musste den bis dahin größten Rückschlag seiner Karriere verkraften, ausgerechnet nach seinem Heimrennen. Nun kehrt er zurück. Erlebt Kvyat in heimischen Gefilden den nächsten Wendepunkt seiner Karriere?

Brennpunkt 7: Marathon zur ersten Kurve

Der Weg zur ersten Kurve ist in Sochi extrem weit, Foto: Mercedes-Benz
Der Weg zur ersten Kurve ist in Sochi extrem weit, Foto: Mercedes-Benz

Der Start ist in dieser Saison extrem wichtig, sind die Fahrer ja nun komplett auf sich selbst gestellt. In Russland kommt aber auch den ersten Sekunden nach dem Start immense Bedeutung zu. Denn der Weg von der Pole Position zur ersten Kurve beträgt satte 1.029 Meter. Über ein Kilometer Vollgas vergeht also, ehe man wieder auf die Bremsen steigt. Dies bietet den Verfolgern eine sehr gute Chance, sich im Windschatten an den Vordermann heranzusaugen und ein Manöver zu setzen. Mit den breiteren Autos und dem damit erzeugten zusätzlichen Windschatten sollte dieser Effekt sogar zunehmen. Es gilt also: Selbst wer den Start scheinbar gewinnt, kann in Kurve eins schon wieder hinten liegen.