Für Red-Bull läuft der Saisonstart 2017 alles andere als wie unter den neuen Regularien gehofft. Anders als gewünscht steht für Daniel Ricciardo und Max Verstappen bislang gerade einmal ein einziges Podium (China) zu buche, 55 Punkte fehlen Red Bull in der Teamwertung auf Spitzenreiter Ferrari.

Erneut gibt es Probleme mit den Power Units von Renault. Frühe Zuverlässigkeitsprobleme nötigten die Franzosen, bei der MGU-K auf das Vorjahresmodell zurück zu rüsten. Das hemmte zudem die Entwicklung. Deshalb soll eine eigentlich große für Barcelona geplante Modifikation kleiner Ausfallen, bevor dann beim Kanada GP größer Hand an die Power Unit gelegt wird.

Red Bull vor 2017 von allen maßlos überschätzt?

Doch drückt der Schuh 2017 nicht nur beim Antrieb. Auch das Red-Bull-Chassis ist aktuell kein Traumwurf, vergleicht man es mit den führenden Konzepten von Ferrari und Mercedes. Für viele überraschend, hatte man Red Bull rund um Star-Designer Adrien Newey im Zug der Reglement-Änderung besonders viel zugetraut. Noch dazu basiert die Formel 1, wie sie gegenwärtig ist, auf von Red Bull vorgeschlagenen Konzepten.

Ex-Mercedes-Technikguru Paddy Lowe, jetzt bei Williams, zählt jedoch nicht zu jener Gruppe, die nun verblüfft auf Red Bull starrt. "Es überrascht mich nicht", sagt Lowe zur aktuellen Form Red Bulls. Sogar sein Williams-Team wähnt er in Schlagdistanz zu den Bullen. "Weil alle Team hart gearbeitet haben. Ich habe nie gedacht, dass Red Bull das eine Team ist, das die Regeländerung besonders gut meistert. Das wurde in der Presse gehypt", begründet Lowe.

Red Bull war 2017 von vielen Seiten durchaus die klare Wachablösung Mercedes' zugetraut worden. Stattdessen ist RBR zurzeit nur dritte Kraft, Foto: Mercedes-Benz
Red Bull war 2017 von vielen Seiten durchaus die klare Wachablösung Mercedes' zugetraut worden. Stattdessen ist RBR zurzeit nur dritte Kraft, Foto: Mercedes-Benz

Red Bulls Tippel-Schritte Richtung Mercedes & Ferrari reichen nicht

Immerhin der Rückstand Red Bulls entwickelt sich indessen offenbar in die richtige Richtung. Lag im Australien- und China-Qualifying der beste Red Bull noch je 1,3 Sekunden hinter der Pole-Zeit, waren es in Bahrain nur noch 0,8 Sekunden. Doch zeichnet dafür nur ein Fahrer verantwortlich?

"Das ist der Ricciardo-Faktor", sagte Dr. Helmut Marko in Bahrain im Interview mit Motorsport-Magazin.com. Doch nicht nur: "Außerdem verstehen wir das Auto langsam, und langsam reagiert es, obwohl nur minimale Adaptionen gemacht wurden, in die richtige Richtung", erklärte Dr. Helmut Marko . Es sei erfreulich, dass nur so kleine Änderungen derart große Auswirkungen hätten. "Beim Chassis wissen wir mittlerweile, wo es mangelt", ergänzte Marko.

Hinzu komme allerdings das gleichwertige Motoren-Problem. Noch dazu stellte Red Bulls Motorsportberater nach vielversprechenden Trainings wiederum in puncto Chassis klar: "Wir haben noch immer gravierende Probleme. Aber wir wissen, mit wie viel Gewicht wir gefahren sind, und sind zuversichtlich." Erst Barcelona werde sich Gröberes ändern. Um Mercedes und Ferrari zu ärgern, reichen die aktuellen Lösungen einfach nicht.

Auf Soft hatte Red Bull in Bahrain sogar gegen Williams mehr als nur Probleme, Foto: Sutton
Auf Soft hatte Red Bull in Bahrain sogar gegen Williams mehr als nur Probleme, Foto: Sutton

Frisst ausgerechnet der Red Bull die Reifen im Eiltempo?

Darin bestätigt sehen sollte sich Marko schon am Rennsonntag. Plötzlich war Red Bull alles andere als auf Pace, hatte besonders auf der Soft-Mischung gewaltige und unerklärliche Probleme mit dem Reifenmanagement. "Wir verstehen das nicht", so Marko zu Motorsport-Magazin.com nach einem erneut enttäuschenden Grand Prix. "Wir müssen schauen, warum unsere Performance derartig variiert. Wir haben die weichen Reifen nicht auf Temperatur bekommen, sogar Massa hat uns überholt."

Ausgerechnet Red Bull also - der Rennstall, der seit Jahren dafür steht besonders Reifen schonenden Boliden zu konstruieren - hat ein Problem mit den Pirelli. Nur an der Außentemperatur habe das nicht gelegen, auch mangelnder Downforce habe damit zu tun, gestand Marko. Mercedes und Ferrari machen hier aktuell den besseren Job. Doch liegt es offenbar eben nicht nur an der Stärke der Konkurrenz, wie Daniel Ricciardo bemerkte: "Wenn du dir Mercedes oder Ferrari ansiehst, könnten wir einfach sagen, dass sie ihre Reifen gut zum Arbeiten bekommen, weil sie viel mehr Downforce haben und so mehr Temperatur im Reifen generieren. Aber der Fakt, dass Felipe mich überholt hat und in diesen ersten paar Runden weggezogen ist, ist vielleicht ein Zeichen für uns."

Ein Zeichen für Nachholbedarf beim Chassis. Auch wenn Christian Horner in Bahrain den etwas anderen, sehr cleanen Kern-Ansatz Red Bulls verteidigte, muss das Team offensichtlich etwas anpassen. Wann? "Das wird sich erst mit Barcelona ändern", kündigte Marko am Motorsport-Magazin.com-Mikrofon die Zeitenwende zum Spanien GP an.

Spätestens in Kanada sollen Mercedes und Ferrari den Red Bull auch wieder aus der Heck-Perspektive sehen, Foto: Sutton
Spätestens in Kanada sollen Mercedes und Ferrari den Red Bull auch wieder aus der Heck-Perspektive sehen, Foto: Sutton

Red Bull mit Großangriff spätestens ab Kanada

In einem Interview auf der offiziellen F1-Homepage bestätigt Marko dies nun noch einmal mit aller Vehemenz: Von Red Bull scheint eine regelrechten Spanien-Offensive zu erwarten zu sein. "Wir sind sehr optimistisch, dass wir in Barcelona, wo eine große Veränderung an Teilen kommt, einen signifikanten Schritt nach vorne machen werden", kündigt Marko an. "Das Chassis wird in Barcelona aufgemotzt", warnt der Motorsportberater die Konkurrenz mit Nachdruck vor. "Und Renault plant etwas für Montreal ..."

Bis zum Spanien GP aber ist noch ein Rennen zu fahren, bis Kanada deren zwei. Droht Red Bull also schon vor dem Mega-Upgrade, den Anschluss zu verlieren? "Wer sagt denn das?", fragt Marko. "Als wir mit Sebastian gegen Alonso um den Titel gekämpft haben (2012; d. Red.), waren wir noch nach der Sommerpause 42 Punkte dahinter - und haben gewonnen! Also sind wir die Meister des Aufholens!", stellt Marko mit einem Lachen klar. Stellt sich nur die Frage, ob ihm Selbiges am Ende nicht im Hals stecken bleiben wird. Etwa, sollte der Faktor Vettel, nicht Red Bull, damals fürs Aufholen hauptverantwortlich gezeichnet haben. Denn der fährt jetzt Ferrari.