61 Rennen gab es seit Beginn der Power-Unit-Ära im Jahr 2014. Mercedes' Sieg-Quote ist mit 52 Siegen beeindruckend. In dieser Saison allerdings war der Ferrari bislang im Rennen das schnellere Auto. Sowohl in Australien, als auch in China war die Rennpace des F70H besser als die des F1 W08 EQ Power+. Doch im Qualifying stand zweimal Lewis Hamilton ganz vorne. 52 Siegen stehen 59 Pole Positions in der Hybrid-Ära gegenüber. Im Qualifying ist Mercedes noch einen Tick stärker als im Rennen.

Warum? Weil Mercedes die Reifen schneller ins optimale Betriebsfenster bringt und somit mehr Performance aus dem schwarzen Gold extrahieren kann? Kaum. Auffällig ist vor allem, dass Mercedes im entscheidenden Q3 immer deutlich zulegen kann. Das fiel in den letzten Jahren mangels Konkurrenz noch nicht so stark auf, in dieser Saison schon. In China lag Hamilton in Q1 und Q2 noch hinter Vettel, im Q3 plötzlich vor ihm.

Mercedes Motorsportchef Toto Wolff versucht Nebelkerzen zu werfen: "Wir haben auch in den letzten Jahren gesehen, dass wir uns über alle Sessions stetig verbessern konnten. Q3 sah immer besser aus als die anderen Sessions. Es geht darum, zu lernen, wie sich das Auto verhält und dann am Ende alles zu geben."

Ferrari und Renault ohne Q3-Programm

Ganz so mystisch ist es allerdings nicht. Red Bull Motorsportberater Dr. Helmut Marko beklagt schon seit Jahren: "Vom dritten Training ins Qualifying hinein verbessert sich Mercedes um eine Sekunde - durch das übliche Motorenprogramm. Ferrari und Renault haben kein so effektives Motorenprogramm."

Im Qualifying zum China GP wurde das Motorenprogramm richtig deutlich. Sowohl in Q1, als auch in Q2 war Sebastian Vettel schneller als Lewis Hamilton. Im dritten und entscheidenden Abschnitt konnte Hamilton plötzlich nachlegen und drehte die Reihenfolge um.

Vettel konnte seine Q1-Zeit im Q3 um 1,3 Prozent verbessern, Hamilton seine um 1,8 Prozent. Dabei hatte Vettel im Q1 nur Soft und nicht Supersoft montiert - seine Verbesserung müsste eigentlich größer ausfallen. Doch interessanter ist der Blick auf die einzelnen Sektoren: Der dritte Sektor des Shanghai International Circuits besteht hauptsächlich aus Gerade. In keinem Sektor zählt die Power so sehr wie hier.

Hamilton verbessert sich um 1,1 Sekunden im Power-Sektor

Weil die Sektoren unterschiedlich lang sind, verdeutlicht die prozentuale Verbesserung den tatsächlichen Geschwindigkeitsunterschied besser als der absolute Wert. Vettel hat sich über das Qualifying im ersten Sektor um 1,4 Prozent verbessert, im zweiten um 0,9 Prozent, im dritten um 1,0 Prozent.

Sektor 1 Sektor 2 Sektor 3 Runde
Lewis Hamilton
Q1 24,232 27,427 41,674 1:33,333
Q3 24,036 27,079 40,563 1:31,678
Diff. absolut 0,196 0,348 1,111 1,655
Diff. relativ 0,8% 1,3% 2,7% 1,8%
Sebastian Vettel
Q1 24,330 27,537 41,211 1:33,078
Q3 24,053 27,191 40,620 1:31,864
Diff. absolut 0,277 0,346 0,591 1,214
Diff. relativ 1,4% 0,9% 1,0% 1,3 %

Bei Lewis Hamilton verteilt sich die Zeitenverbesserung deutlich unausgewogener. Im ersten Sektor verbesserte er sich um lediglich 0,8 Prozent, im zweiten immerhin um 1,3 Prozent. Im dritten, dem Power-Sektor, verbesserte sich der Brite um sagenhafte 2,7 Prozent. Weil der letzte Sektor von der Fahrzeit her deutlich länger ist als die erste beiden, hat Hamilton hier die Pole geholt.

In Zeit ausgedrückt sieht die Verbesserung so aus: 0,2 Sekunden in Sektor 1, 0,3 Sekunden in Sektor 2 und 1,1 Sekunden in Sektor 3. Bei Vettel verteilt sich die Verbesserung wie folgt: 0,3 Sekunden in Sektor 1, 0,3 Sekunden in Sektor 2 und 0,6 Sekunden im letzten Abschnitt.

Auch bei seinem ersten Versuch im Q3 verbesserte sich Hamilton übrigens im letzten Streckenabschnitt schon überproportional - obwohl er gut sichtbare Fehler einbaute. Trotz des Querstehers in Kurve 11 und des nicht erwischten Scheitelpunkts in Kurve 14 holte er im Vergleich zur Q1-Zeit 2,3 Prozent oder 1,0 Sekunden heraus.

Wie funktioniert Mercedes' Wunder-Modus?

Was genau Mercedes macht, damit im Q3 diese Extra-Leistung abgerufen werden kann, ist ungewiss. Vermutungen, wonach Mercedes bewusst Öl in den Brennraum befördert und dort zusätzlich zum Benzin verbrennt, dementiert Mercedes vehement. Die Konkurrenz wollte in dieser Beziehung eine Klarstellung, die FIA hat den Ölverbrauch auf dem Radar, doch ganz so einfach ist das nicht.

Im Rennen kann einer solchen Technik über die Größe des Öltanks relativ leicht Einhalt geboten werden. Dazu hat die FIA bereits angekündigt, im Laufe der Saison den Öltank im Auge zu behalten. Im Qualifying allerdings ist die Überwachung derzeit so gut wie nicht möglich. Dazu müsste es einen Flusssensor wie beim Benzin geben. Der allerdings müsste noch genauer funktionieren, weil die Mengen noch geringer sind.

Was Mercedes im Qualifying aber genau anstellt, ist weiterhin fraglich. Durch die neuen Kräfteverhältnisse wird die Diskrepanz zwischen Qualifying und Rennen bei Mercedes aber deutlicher. "Mercedes hat nicht mehr diese Überlegenheit. Durch ihren Quali-Modus haben sie noch drei Zehntel im Qualifying, im Rennen hat man gesehen, dass der Speed nicht so da ist. Ferrari ist im Rennen momentan sicher das schnellste Auto", so Marko.