Im großen Formel-1-Debüt-Interview hast du uns letztes Jahr gesagt, dass der Wintertest für dich als Fahrer so viel wichtiger ist als ein Rennwochenende. Bleibst du nach deinem ersten Wintertest bei deiner Meinung?
Esteban Ocon: Ja, definitiv! Der Wintertest war sehr wichtig, um mich vorbereiten zu können. Ihn zu verpassen ist, wie wenn du vor dem Rennen das Training verpasst. Du gewöhnst dich an das Team und an das Auto. Wenn dein Sitz nicht richtig passt, der Pedalrahmen etwas wackelt oder dich irgendetwas nervt, dann kannst du es ändern, noch bevor es im Qualifying richtig wichtig wird. Das ist wirklich wichtig.

Es ist auf jeden Fall einfacher, mit viel Vorbereitung in eine Formel-1-Saison zu starten als in Spa im 1. Freien Training einzuspringen. Es ist viel einfacher, auch wegen der Sitzposition. Ich musste mich in Spa beeilen, um den Sitz überhaupt noch hinzubekommen. Jetzt hatten wir einen Monat, um den Sitz anzupassen und es fühlt sich viel besser an. Wenn du fährst und dich dabei nicht wohl fühlst, wirst du auch nicht schnell sein.

Was hast du persönlich für deinen Fahrstil aus den Wintertests mitnehmen können?
Esteban Ocon: Sehr viele Sachen, viel zu viel um über alles zu sprechen! Wir haben so viel über das Auto gelernt, welche Richtung wir vom Setup her einschlagen müssen, aber ich habe auch gelernt, wie ich mit meinen Ingenieuren arbeiten und sie verstehen muss. Dazu habe ich gelernt, wie die Reifen funktionieren, wie generell alles reagiert.

Esteban Ocon hat inzwischen viele verschiedene Overalls zuhause, Foto: Mercedes
Esteban Ocon hat inzwischen viele verschiedene Overalls zuhause, Foto: Mercedes

Du hast die Reifen angesprochen: Pirelli hat in diesem Jahr komplett neue Reifen gebracht, aber wir hören, dass es noch immer 'Pirelli-Reifen' sein sollen, also die grundlegende Charakteristik noch da ist. Was meinst du?
Esteban Ocon: Ein bisschen von beidem. Es ist komplett anders, weil man viel mehr pushen kann. Aber auf der anderen Seite ist es noch immer ein Pirelli-Reifen, man hat also noch immer ein bisschen Abnutzung. Ich würde sagen, es ist ein stark verbesserter Reifen, aber grundlegend noch immer ein Pirelli.

Wie war der Winter trainingstechnisch für dich? Du musstest ja wegen der neuen Autos ordentlich an Muskelmasse zulegen...
Esteban Ocon: Das war besser als die letzten Jahre, denn ich bin kein großer Fan von Cardio-Training! Deshalb war ich glücklich, mit Gewichten trainieren zu können. Das war auch nötig, denn die Autos sind wirklich hart zu fahren. Am liebsten mache ich Klimmzüge. Da schaffe ich inzwischen 25 hintereinander. Ich war auch auf einer Protein-Diät und musste alle zwei Stunden essen. Hauptsächlich Fleisch und Eier. Ich musste aber nie wirklich auf mein Gewicht achten. Ich bin zwar groß, aber glücklicherweise sehr leicht.

Was war deine Reaktion, als du in Barcelona zum ersten Mal ins neue Auto gestiegen bist?
Esteban Ocon: Als ich zuvor zum ersten Mal in ein Formel-1-Auto gestiegen bin, dachte ich mir: 'Wow, das Ding hat eine Menge Leistung!' Jetzt habe ich mich an die Leistung gewöhnt und dachte mir, das ist komisch, wir haben nicht mehr so viel Leistung. Aber als ich zum ersten Mal in eine Kurve gefahren bin, war es eine andere Geschichte! Da war auf einmal so viel Grip und das war sehr eindrucksvoll und sehr schön.

Du warst jetzt in einer kurzen Zeit bei vielen Teams in verschiedenen Rennserien. Erst GP3, dann DTM mit Mercedes, dann Formel 1 mit Manor und jetzt Formel 1 mit Force India. Du selbst kannst dabei gar nicht viel entscheiden. Wie fühlt es sich an, immer nur rumgereicht zu werden?
Esteban Ocon: Um ehrlich zu sein: Man gewöhnt sich daran, sehr oft das Team zu wechseln und auch immer ein Rookie zu sein. Ich bin in meinem ersten Formel-Jahr Koiranen gefahren, im zweiten Jahr mit dem ART Junior Team und dann zu Prema. Dann zu ART, was wieder ein neues Team war und dann zu ART in die DTM! Dann noch zu Renault, zu Manor, Force India und Mercedes. Ich musste mich an alle Teams gewöhnen und mit neuen Leuten arbeiten. Natürlich ist es besser, etwas länger bei einem Team zu bleiben, um eine Beziehung aufzubauen und genau zu wissen, wie jeder funktioniert, aber manchmal hat man einfach keine Wahl und man muss sich so schnell wie möglich daran gewöhnen.

Ocon kämpft jetzt im Fernduell gegen Wehrlein, Foto: Sutton
Ocon kämpft jetzt im Fernduell gegen Wehrlein, Foto: Sutton

Normalerweise gilt es immer, zuerst den Teamkollegen zu schlagen. Du bist aber in einer speziellen Position: Hast du das Gefühl, auch Pascal Wehrlein immer schlagen zu müssen?
Esteban Ocon: Er ist nicht mehr mein Teamkollege, aber mein Teamkollege im Junior-Programm. Er hat wahrscheinlich ein anderes Ziel als ich.

Ist er ein spezieller Gegner auf der Strecke?
Esteban Ocon: Nein. Ich glaube ehrlichgesagt, dass nur ihr Journalisten über so etwas nachdenkt. Ich denke überhaupt nicht über so etwas nach. Ich lebe im Moment hier meinen Traum und gehe von Saison zu Saison an. Ich bin glücklich bei Force India und bin komplett darauf fokussiert, was ich hier machen muss. Wir sind sicherlich keine besten Freunde, aber wir haben Respekt füreinander. Ich habe großen Respekt davor, was er letztes Jahr mit Manor geleistet hat. Er ist ein sehr starker Fahrer.

Du hast gesagt, ihr habt unterschiedliche Zielsetzungen in diesem Jahr. Der Force India ist wohl besser als der Sauber - bist du ihm jetzt einen Schritt voraus?
Esteban Ocon: Ich hoffe zumindest, dass der Force India das schnellere Auto ist. Aber wir wissen noch nicht genau, wo jeder ist. Hoffentlich sind wir meilenweit voraus (lacht).

Hast du von Mercedes nach deiner Vertragsunterzeichnung bei Force India etwas weiteres in Aussicht gestellt bekommen, wenn du hier gute Arbeit leistest?
Esteban Ocon: Es ist klar, dass wenn du Mercedes-Junior bist, nicht für nichts vorbereitet wirst. Ich bin vielleicht Mercedes-Junior, aber hier bin ich Force-India-Fahrer. Und darauf bin ich zu 100 Prozent fokussiert. Sobald du anders denkst, ist es nicht der richtige Weg.

Für jemanden wie dich waren die Junior-Programme essentiell, sonst wärst du heute nicht in der Formel 1. Es gibt so viele 'Rich Kids' im Motorsport, deren Weg in die Formel 1 deutlich einfacher ist, während du für alles kämpfen musstest. Jetzt kommt zum Beispiel Lance Stroll mit den Millionen seines Vaters. Wie gehst du mit so etwas um?
Esteban Ocon: Sicherlich kommt er nicht über ein Junior-Programm in die Formel 1. Aber er hat es wirklich verdient! Er hat die Formel 3 gewonnen, er hat die richtige Einstellung und er hat auch in der Formel 4 gewonnen. Er hat schon im Go-Kart großartige Dinge angestellt, ich habe damals schon gegen ihn gekämpft. Wenn du eine große Meisterschaft im Formel-Auto gewinnst, dann hast du deine Chance immer verdient. In diesem Jahr sind nur Fahrer in die Formel 1 gekommen, die in Nachwuchsserien richtig gut waren. Stoffel war überragend in der GP2 und hat auch schon in der Formel Renault tolle Dinge vollbracht. Ich habe die Formel 3 und die GP3 gewonnen und bin in die Formel 1 gekommen. Das ist der Weg: Wenn du einen Titel wie diese gewinnst, solltest du in die Formel 1 kommen.

Esteban Ocon setzte sich auch gegen Max Verstappen durch, Foto: FIA F3
Esteban Ocon setzte sich auch gegen Max Verstappen durch, Foto: FIA F3

Glaubst du, die 'Rich Kids' haben eine andere Herangehensweise? Du musstest immer deine Leistung bringen und konntest nur hoffen, dass du weiterhin Unterstützung erhältst.
Esteban Ocon: Das stimmt, für mich war es schon so, dass ich immer diese Gewisse Angst im Nacken hatte. Aber ich denke, ich bin gut damit umgegangen. Meine Stärke war, dass ich mir keinen Druck gemacht habe. Ich habe immer an die starke Unterstützung im Hintergrund geglaubt und ich hatte sie auch immer. Erst mit Lotus, dann mit Mercedes. Wenn das der Fall ist, dann ist es einfacher für den Fahrer.

Was kannst du diese Saison mit dem Team erreichen? Was müsste passieren, damit du in Abu Dhabi zufrieden aus dem Auto steigst?
Esteban Ocon: Mein Ziel ist es, jedes Rennen Punkte zu holen und wie Sergio im letzten Jahr um Podien zu kämpfen, wenn es das Auto erlaubt. Es ist aber noch zu früh, um über die gesamte Saison zu sprechen, da müssen wir noch ein bisschen abwarten.

Bei der Performance ist Force India ein deutlicher Fortschritt im Vergleich zu Manor, bei der Farbe nicht. Jetzt musstest du sogar deinen Helm pink lackieren...
Esteban Ocon: Das war wirklich eine große Veränderung für mich, denn ich bin meine ganze Karriere über mit dem gleichen Helmdesign gefahren. Es war das Helmdesign von Michael (Schumacher), das hat mir etwas bedeutet. Das Design ist noch immer daran angelehnt, nur die Farben sind jetzt anders.

Sergio hat gesagt, er hat etwas dafür bekommen, dass er seinen Helm nun pink lackiert hat. Wie sieht es bei dir aus?
Esteban Ocon: Ich sage dir nicht was, aber ich habe eine Entschädigung dafür bekommen (lacht).