Für Mercedes und Lewis Hamilton ist es ein ungewohntes Gefühl: Erstmals seit Ende 2013 gehen sie nicht zumindest in einer WM-Wertung als Führende in ein Wochenende, erstmals kann Mercedes die Favoritenrolle tatsächlich auf Ferrari abwälzen. Wobei Ferrari in Person von Sebastian Vettel nicht müde wird, die Favoritenrolle wieder Mercedes zuzuschieben.

Obwohl der Mercedes nicht wie die letzten Jahre das Maß der Dinge ist, scheint Hamilton die Saison mehr zu genießen: "Meine liebste Art von Motorsport ist Go-Kart, denn dort kämpft man ständig Rad an Rad, die ganze Zeit, vom Start bis ins Ziel. Für diese Art von Kampf lebe ich. Ich hatte 2014 in Bahrain (gegen Nico Rosberg, Anmerkung der Redaktion) einen faszinierenden Zweikampf, ich würde dafür sterben, noch einmal so ein Battle zu haben."

Hamilton und Rosberg lieferten sich 2014 in Bahrain einen epischen Zweikampf, Foto: Mercedes AMG
Hamilton und Rosberg lieferten sich 2014 in Bahrain einen epischen Zweikampf, Foto: Mercedes AMG

"Und ich hoffe, dass ich diesen Zweikampf dann mit Sebastian haben werde", so Hamilton. "Er ist ein viermaliger Weltmeister, er ist einer der Besten unserer Generation. Ich glaube, die Fans würde das von den Sitzen reißen, ich hoffe nur, dass es nicht die ganze Saison nur um Strategie geht. Ich will Kämpfe auf der Strecke. Dafür lebe ich, das treibt mich an."

Im Zweikampf mit Vettel gibt es keine vorgeschriebenen Verhaltensregeln, einzig und allein der Respekt zwischen Mann und Mann regelt den Zweikampf. Schon nach Vettels Sieg in Melbourne stichelte Hamilton in Richtung seines ehemaligen Teamkollegen Nico Rosberg: "In diesem Jahr sehen wir die Besten gegen die Besten."

Hamilton: Ferrari in langsamen Kurven besser als Mercedes

Hamilton war den Kampf im eigene Team leid. "Es macht viel mehr Spaß gegen ein anderes Team zu fahren", meint der dreifache Weltmeister. Seine erste Analyse nach dem Saisonauftakt: "Ich glaube, dass sie (Ferrari) in mittleren und langsamen Kurven ein bisschen schneller sind, in schnellen Kurven haben wir glaube ich die Nase vorne."

Hamilton sieht Ferrari in Monaco im Vorteil, Foto: Sutton
Hamilton sieht Ferrari in Monaco im Vorteil, Foto: Sutton

"Aber erst mit der Zeit und den nächsten Rennen werden wir ein klareres Bild bekommen. Speziell wenn wir auf eine Strecke wie Monaco kommen: Wie bekomme ich mein Auto, das sich so viel länger anfühlt - Leute sagen, dass unser Auto rund 12 Zentimeter länger als der Ferrari ist -, wie bekomme ich dieses Auto im Vergleich zu ihnen in gleicher Geschwindigkeit um die engen Kurven? Ich weiß es nicht."

Tatsächlich ist der Mercedes das längste Auto im Feld. Die Ingenieure streckten den Radstand, um die Luft-Turbulenzen über einen längeren Weg besser beruhigen zu können. Denn Abtrieb wird weiterhin an der Hinterachse generiert. Die Länge ist auch ein Grund, warum Mercedes noch Gewichtsprobleme haben soll.

In China wechseln sich langsame, mittelschnelle und schnelle Kurven ab. Sowohl Ferrari, als auch Mercedes bekommen Schwächen und Stärken ihrer Boliden zu spüren. Beim Motor sollte kein großer Unterschied mehr vorhanden sein. Günther Steiner, Teamchef des Ferrari-Edelkunden Haas jubelte schon: "Der Ferrari-Motor ist mindestens so stark wie das Mercedes-Triebwerk."

Ferrari traditionell mit starker Rennpace

Nur im Qualifying-Modus scheint Mercedes noch deutlich mehr Extra-PS mobilisieren zu können. Gleichzeitig bekommt der Mercedes die Reifen auf eine Runde besser zum Arbeiten - was allerdings in Melbourne im Renntrimm wie ein Bumerang zurückkam. Hamilton und Bottas hatten in Australien vor allem im ersten Stint auf Ultrasofts Probleme.

Hamilton testete kaum mit den Mule Cars, Foto: Pirelli
Hamilton testete kaum mit den Mule Cars, Foto: Pirelli

Ob Mercedes auch in China Probleme mit den Pneus haben wird? "Ferrari hat traditionell eine gute Racepace, schon seit Jahren", verteidigt Hamilton. Außerdem kommen die Ultrasoft-Reifen auf dem Shanghai International Circuit gar nicht zum Einsatz, Pirelli bringt Supersoft, Soft und Medium mit nach China. Zudem geht China speziell auf die Vorderachse. Als weiterer Faktor kommen die kühleren Temperaturen. Hamilton freut das: "Da kannst du immer ein bisschen mehr pushen, das liegt mir generell."

Im Gegensatz zu Hauptkonkurrent Vettel testete Hamilton mit den sogenannten Mule-Cars kaum für Pirelli bei der Entwicklung der 2017er Reifen. Ist das jetzt ein Nachteil? Hamilton verneint: "Es wäre reine Zeitverschwendung gewesen, ich bin froh, dass ich es nicht gemacht habe. Das Auto hatte so viel weniger Abtrieb und es war leichter als die aktuellen Autos, also hat man die Reifen nicht in das gleiche Fenster bekommen. Alles was ich gelernt hätte, hätte ich wieder vergessen und von vorne anfangen müssen."