Die Formel 1 geht in ihr zweites Wochenende der noch jungen Saison. Nach einem durchaus unerwarteten Verlauf des Australien GP ergeben sich im Vorfeld des China-Rennens einige Brennpunkte. Motorsport-Magazin.com fasst die wichtigen Themen für Shanghai zusammen.

Brennpunkt 1: Ist Ferrari erneut siegfähig?

Die erste Runde ging an Ferrari und Sebastian Vettel. Dank herausragender Rennpace und dem nötigen Glück bei der Strategie fuhr Vettel in Australien zum Sieg und vermasselte Mercedes so ein wenig den Saisonauftakt. Dabei profitierte die Scuderia auch vom horrenden Zeitverlust, den Lewis Hamilton hinter Max Verstappen kassierte. Im Qualifying war Mercedes schneller, wenn auch nicht so überlegen wie noch im Vorjahr. "Wir haben noch 19 Rennen vor uns und müssen bei jedem Grand Prix die Konzentration hoch- und Ablenkungen fernhalten", forderte Ferrari-Präsident Sergio Marchionne.

In den vergangenen drei Jahren war der China GP fest in Mercedes-Hand, das galt jedoch für fast jede Strecke im Kalender. Die Charakteristika, die der Shanghai International Circuit beinhaltet, unterscheiden sich deutlich von jenen in Australien. Durch die über einen Kilometer lange Gerade wird die Motorenleistung deutlich wichtiger sein. Hier wird sich zeigen, ob die Power Unit von Ferrari den Anschluss an das Mercedes-Aggregat gefunden hat. Haas-Teamchef Günther Steiner von der Stärke des Ferrari-Motors überzeugt. "Er ist nun genau so konkurrenzfähig wie ein Mercedes-Motor, wenn nicht noch besser", frohlockte er.

Jubelt Ferrari auch in China?, Foto: Sutton
Jubelt Ferrari auch in China?, Foto: Sutton

Brennpunkt 2: Findet Mercedes die Pace im Rennen?

Im Qualifying in Australien war Mercedes - bedingt durch den Extraschub, den sie abrufen können - eine Macht, zumindest Lewis Hamilton. Valtteri Bottas dagegen landete hinter Sebastian Vettel. Im Rennen dann gelang es Hamilton nicht, sich vom Ferrari abzusetzen. Vettel hatte das klar schnellere Auto. Findet Mercedes in China die Rennpace wieder?

Besonders zu schaffen machten Mercedes die hohen Temperaturen im Albert Park. Bedingungen, die Ferrari offensichtlich entgegenkamen. Mercedes schaffte es nicht, die Reifen richtig zum Arbeiten zu bringen. "Ich glaube, dass diese Reifen ein sehr enges Fenster haben. Unterhalb oder oberhalb dieses Fensters verlierst du an Performance. Das ist anders als letztes Jahr. Bei den Bedingungen heute haben wir unterperformt", sagte Toto Wolff nach dem Rennen.

Als es im weiteren Rennverlauf kühler wurde, wurde Valtteri Bottas deutlich schneller. Bei Hamilton habe man zu diesem Zeitpunkt bereits Tempo herausgenommen, erklärte Wolff. In China sind für den Samstag die höchsten Temperaturen vorhergesagt, am Sonntag dagegen überschreitet das Thermometer die 15 Grad kaum. Das könnte Mercedes in die Karten spielen.

Mercedes will sich wieder vor Ferrari einreihen, Foto: Mercedes-Benz
Mercedes will sich wieder vor Ferrari einreihen, Foto: Mercedes-Benz

Brennpunkt 3: Schafft Red Bull den Anschluss?

Deutlich hinter den Erwartungen blieb Red Bull beim ersten Rennen zurück. Für Max Verstappen und Daniel Ricciardo kam so ziemlich alles Negative zusammen. Eigene Fahrfehler, unerklärliche Schwankungen der Balance, ein fehlerhafter Motor und zu guter Letzt auch noch ein Fehler beim Aufbau des beschädigten Ricciardo-Boliden. Im Rennen musste Ricciardo deshalb mit zwei Runden Rückstand starten, später fiel er aus. Max Verstappen konnte im Rennen zwar eine gute Pace an den Tag legen, musste aber auf einen Angriff auf Kimi Räikkönen wegen Bremsproblemen verzichten.

Man wirkte ziemlich ratlos vor allem aufgrund der Balance-Probleme. "Änderungen, die sonst nur minimale Schwankungen bewirkt haben - also leichtes Über- oder Untersteuern -, haben ein komplett anderes Handling verursacht und bei den Rundenzeiten zu einem Verlust geführt", erklärte Motorsportberater Dr. Helmut Marko. Doch man wähnt sich des Rätsels Lösung auf der Spur. "Wir glauben zu wissen, was die Probleme sind und wir bringen entsprechend neue Teile nach Shanghai, die die Grundprobleme aussortieren sollten", kündigte er an.

Da wie oben bereits geschildert der Motor in China aber noch wichtiger sein wird und Renault erst in Barcelona ein erstes kleineres Update bringen wird, ist fraglich, ob Red Bull den Anschluss an die Spitze schaffen wird.

Red Bull erlebte einen Pleiten, Pech und Pannen-Auftakt, Foto: Sutton
Red Bull erlebte einen Pleiten, Pech und Pannen-Auftakt, Foto: Sutton

Brennpunkt 4: Gibt es mehr Überholmanöver?

So schön der Sieg von Ferrari für die allgemeine Spannung in der Formel 1 gewesen sein mag - mit Action wurde der Saisonauftakt nicht gerade überhäuft. Gerade einmal fünf echte Überholmanöver wurden gezählt. Die Gründe sind vielschichtig. Die neuen Autos erschweren mit ihrer Aerodynamik das Hinterherfahren, die Reifen bauen weniger ab und die Strecke im Albert Park ist traditionell kein Paradies für Überholvorgänge.

In China könnte es aber schon wieder ganz anders aussehen. "Wenn man in den Kurven schneller ist und die Reifenabnutzung geringer ist, ist es schwerer zu überholen. Aber das liegt auch an der Strecke. In China mit der langen Gerade wird es viel besser sein", glaubt Max Verstappen. Vergleicht man den China GP 2016 mit dem Australien GP im selben Jahr, erkennt man einen deutlichen Unterschied von 84 zu 23 Manövern, wenngleich das Rennen in Fernost geprägt war von Zwischenfällen. Durch die lange DRS-Zone auf der Geraden sind dennoch deutlich mehr Überholmanöver zu erwarten.

In China gibt es traditionell viele Überholmanöver, Foto: Sutton
In China gibt es traditionell viele Überholmanöver, Foto: Sutton

Brennpunkt 5: Fällt der nächste Streckenrekord?

Sechs Jahre lang hatte der alte Streckenrekord von Sebastian Vettel in Melbourne Bestand. Die neue Generation der Boliden jedoch setzte eine neue Bestmarke. Gleich 15 Mal wurde die alte Zeit unterboten, der Schnellste war Lewis Hamilton im letzten Abschnitt des Qualifyings. In China stammt der absolute Streckenrekord von 1:32.238 Minuten noch aus dem Jahr 2004, aufgestellt von Michael Schumacher - im Rennen wohlgemerkt.

Die Quali-Bestzeit aus dem vergangenen Jahr von Nico Rosberg war 3,2 Sekunden langsamer als der Streckenrekord. In Melbourne betrug die Verbesserung von 2016 auf 2017 keine zwei Sekunden. Fällt in China also der Rekord oder müssen die neuen Boliden der "schnellsten Formel 1 aller Zeiten" erstmals einen Dämpfer hinnehmen?

Brennpunkt 6: Problemloses Wochenende für Lance Stroll?

Bislang verlief die Anpassung von Lance Stroll an die Formel 1 eher durchwachsen, in Melbourne zerlegte er im dritten Training seinen Williams und konnte im anschließenden Qualifying nicht sein Optimum abrufen. Gegen Kritik aber setzt sich der Kanadier zur Wehr. "Ganz offensichtlich versuchen die Leute, die es nicht bis in die Formel 1 geschafft haben, Entschuldigungen dafür zu finden, weshalb sie es nicht bis dorthin geschafft haben", unterstellte er seinen Kritikern Neid. Harte Worte, die dafür sorgen werden, dass Stroll in China noch mehr unter Beobachtung stehen wird.

Lance Stroll kann sich erhöhter Beachtung sicher sein, Foto: Sutton
Lance Stroll kann sich erhöhter Beachtung sicher sein, Foto: Sutton

Brennpunkt 7: Drückt Giovinazzi Wehrlein weiter ins Abseits?

Die Nachricht kam am Montagabend und war ein Schock für alle Fans von Pascal Wehrlein. Der Sauber-Pilot kann infolge seiner Verletzung, die ihn schon an der Teilnahme am Australien GP hinderte, auch in China nicht fahren. Stattdessen übernimmt erneut Antonio Giovinazzi sein Cockpit. Der Italiener machte seinen Job in Melbourne nicht schlecht und erntete viel Lob. Zwar ist Wehrleins Cockpit derzeit nicht gefährdet. Der Ferrari-Junior könnte mit einer weiteren starken Leistung jedoch noch mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

Giovinazzi ist der erste Ferrari-Junior seit dem verstorbenen Jules Bianchi, dem ein Stammcockpit bei der Scuderia zugetraut wird. Gar als Räikkönen-Nachfolger für 2018 sehen ihn manche. Fährt der 23-Jährige auch in China stark, könnte Ferrari Interesse bekommen, ihm dauerhaft Rennpraxis zu verschaffen. Und für Mercedes-Junior Wehrlein könnte das ein Problem werden, denn anders als Manor im vergangenen Jahr wird Sauber nicht mit Mercedes-Motoren beliefert, sondern mit - wenn auch alten - Ferrari-Aggregaten.

Antonio Giovinazzi kommt auch in China zum Einsatz, Foto: Sutton
Antonio Giovinazzi kommt auch in China zum Einsatz, Foto: Sutton

Brennpunkt 8: Premiere für die neuen Safety-Car-Regeln?

Der Wetterbericht für den China GP sagt besonders für den Rennsonntag wechselhaftes Wetter voraus, pünktlich zum Start steigt das Regenrisiko auf 70 Prozent. Sollte es zum Start richtig nass sein, könnte zum ersten Mal das neue Safety-Car-Prozedere zum Einsatz kommen. Mit Beginn der aktuellen Saison wird ein Rennen, das aufgrund von Regenfällen unter Safety Car gestartet wird, nach Beendigung der Neutralisation per stehendem Start wieder aufgenommen. Damit soll das Spannungsmoment eines normalen Starts aufrecht erhalten werden. Möglicherweise gibt es in China die Premiere.