Das kollektive Aufatmen im Paddock von Melbourne war deutlich spürbar. Standen die Zeichen am Freitag noch auf eine neuerliche Mercedes-Solofahrt, so glückte Ferrari am Samstag im Qualifying ein Befreiungsschlag. Lewis Hamilton erzielte zwar die Pole Position, allerdings nur 0,268 Sekunden vor Sebastian Vettel, dem es gelang, die Silberpfeile zu trennen, und sich vor Valtteri Bottas in Startreihe eins qualifizierte.

Melbourne-Spezialist Hamilton

Die Chance auf ein spannendes Duell um den Sieg lebt somit, wenngleich Hamilton naturgemäß weiterhin der Favorit auf den ersten Erfolg des Jahres ist. Der Brite startet in Melbourne zum vierten Mal in Folge von der Pole Position, jedoch gelang es ihm den letzten drei Jahren nur einmal, die beste Startposition auch in den Sieg umzuwandeln.

"Es wird sehr eng", kündigt der Vize-Weltmeister an. "Die Ferraris sind sehr knapp an uns dran." Wie knapp, das versucht Hamilton mit folgendem Vergleich zu veranschaulichen: "Ich weiß nicht, ob den Leuten das klar ist, aber der Unterschied ist so groß wie ein Wimpernschlag. Deine Reaktionszeit ist zwei bis zweieinhalb Zehntel, und das ist der Abstand zwischen uns."

Vettel hofft auf Veränderung

Wie Hamilton, rechnet auch Vettel mit einem Kampf um den Sieg - obwohl es am Freitag noch gar nicht danach ausgesehen hatte. "Ich denke, wir können im Rennen etwas erreichen. Das Auto fühlt sich gut an, wir haben uns verbessert, die Pace sollte besser als gestern sein", spielt der Ferrari-Pilot auf die Longruns im Freien Training an, bei denen die Scuderia großen Rückstand auf Mercedes ausgewiesen hatte.

"Unser Ziel ist es zu gewinnen. Wenn es hier klappt, wäre das toll", stellt Vettel optimistisch klar, der seit September 2015 auf einen vollen Erfolg wartet. "Natürlich hatte Mercedes in den letzten Jahren einen starken Lauf. Die Leute mögen das nicht so sehr. Die mögen Veränderungen. Hoffentlich bringt das Wochenende jetzt eine Veränderung", sehnt der Heppenheimer eine neue Zeitrechnung in der Königsklasse herbei.

Vorentscheidung schon am Start?

Eine Vorentscheidung darüber, wer am Ende über den Sieg jubelt, könnte bereits auf den ersten Metern fallen. Weil gemeinhin erwartet wird, dass das Überholen unter den neuen Aerodynamikregeln noch schwieriger wird, ist ein guter Start umso wichtiger. Und ein solcher war im letzten Jahr bekanntlich nicht Lewis Hamiltons Paradedisziplin, wenngleich sich das Prozedere mittlerweile geändert hat und weniger technische Hilfen für die Piloten erlaubt sind.

Vettel sprengt das Mercedes-Duo, Foto: Sutton
Vettel sprengt das Mercedes-Duo, Foto: Sutton

"Vielleicht öffnet sich da schon kleines Türchen. Wenn es auf ist, fahren wir rein", will Vettel seine Chance jedenfalls am Schopf packen. Kommt es dazu, könnte sich Mercedes' Performance-Vorteil in Dirty Air auflösen. "Das spielt schon eine Rolle", gibt Motorsportchef Toto Wolff zu. "Es gibt sicher eine Variabilität des Starts, weil es noch mehr auf den Fahrer ankommt und nicht nur auf das Programmieren des Ingenieurs. Das überholen auf der Strecke wird dann schwierig."

Untermauert wird die Bedeutung des Starts von der Tatsache, dass es auf Basis der bisher an diesem Rennwochenende gesammelten Daten vermutlich auf nicht allzu viele Boxenstopps und dementsprechend beschränkte taktische Möglichkeiten hinauslaufen wird. "In den Trainings gab es geringen Reifenverschleiß, was eine Ein-Stopp-Strategie wahrscheinlich macht", kündigt Pirelli-Motorsportchef Mario Isola an. Die Top-10 starten geschlossen auf den ultraweichen Reifen.

Erklärt: Die neuen F1-Reifen (01:37 Min.)

Danner tippt auf Vettel, Marko auf Hamilton

Während Hamilton und Vettel mit einem engen Duell um den Sieg rechnen, haben die außenstehenden Beobachter unterschiedliche Erwartungen an das Rennen. "Wenn Hamilton den Start hinkriegt, gewinnt er locker", meint Dr. Helmut Marko, Motorsportberater von Red Bull Racing, das mit den Spitzenplätzen wohl nichts zu tun haben wird. Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner glaubt hingegen, dass sich der Brite geschlagen geben wird müssen. "Wer den Start gewinnt, gewinnt auch das Rennen. Also Vettel."