Mehr Abtrieb, breitere Reifen, höherer Kurvenspeed: Die Formel 1 verspricht 2017, weit spektakulärer zu werden als noch in den letzten Jahren. Rundenzeiten von bis zu sechs Sekunden schneller als noch im Vorjahr scheinen zwar etwas arg hoch gegriffen, aber bereits bei den Testfahrten in Barcelona zeigte sich, dass die neuen Boliden um einiges schneller sind als ihre Vorgänger. Doch das waren nur Testfahrten. Wie sieht es jetzt am Rennwochenende aus? Hat man bereits in den ersten beiden Freien Trainings zum Großen Preis von Australien etwas davon mitbekommen?

In der Tat sind die Autos schneller. Lewis Hamilton unterbot bereits im zweiten Freien Training die 1:24er-Marke. Mit einer Zeit von 1:23.620 Minuten war der Brite bereits jetzt über zwei Zehntelsekunden schneller als die Pole-Zeit aus dem Vorjahr. Dass da noch einiges kommen wird, dass sich die Zeiten im Verlauf des Wochenendes noch weiter verbessern werden, ist zu erwarten - natürlich sofern das Wetter mitspielt.

Mehr Grip, neuer Kurvenspeed, neuer Übermut?, Foto: Sutton
Mehr Grip, neuer Kurvenspeed, neuer Übermut?, Foto: Sutton

Dieses Jahr keine Lupfer

Der Albert Park ist zwar bekannt für die vielen Stop-and-go-Passagen, aber auch für schnelle Kurven. Die Turns zwei, fünf, acht sowie die Kombination elf und zwölf machen den Fahrern besonders viel Spaß. Renault-Pilot Nico Hülkenberg war bereits im Vorfeld des Großen Preises von Australien Feuer und Flamme für eben jene Abschnitte. "Kurve fünf fuhren die Mercedes bereits letztes Jahr voll", so Hülkenberg. "Wir waren am absoluten Limit mit einem kleinen Lupfer." Vom Gas gehen wird der Deutsche mit seinem neuen Dienstfahrzeug also nicht mehr gehen müssen. "Die werden wir jetzt easy voll fahren können. Die Kurven elf und zwölf, die schnelle Links-rechts-Kombination wird jetzt abgehen wie Luzi."

Dass die von Hülkenberg angesprochene Kurvenfolge auch zu Übermut führen kann, hat der Ausritt von Max Verstappen heute gezeigt. Der Red Bull-Pilot kam an Kurve zwölf von der Strecke, konnte seinen Boliden aber noch abfangen. "Ich hatte ein wenig Untersteuern und bin von der Strecke abgekommen", so der Niederländer. Ausgang Kurve zwölf sind die Boliden bereits bei 270 km/h. Das sind 35 km/h mehr als noch vergangenes Jahr. Ein Fehler kommt dem Piloten entsprechend noch teurer zu stehen als zuvor.

Knapp über 30 km/h mehr Kurvenspeed, Foto: Sutton
Knapp über 30 km/h mehr Kurvenspeed, Foto: Sutton

Piloten von höherem Speed begeistert

Höhere Kurvengeschwindigkeit bedeutet gleichzeitig, dass die Fahrer später in die Eisen steigen müssen. Ein ganz neues Fahrgefühl, wie Toro Rosso-Pilot Carlos Sainz festgestellt hat. "Es macht ziemlich viel Spaß, diese Autos mit diesen Geschwindigkeiten zu fahren und so spät in die Kurven eins und drei zu bremsen", schwärmte der Spanier in einer Presserunde am Rande des Trainingstages in Melbourne. "Es ist ziemlich beeindruckend im Vergleich zum letzten Jahr. Und das war ja nur das zweite Freie Training. Ich kann mir noch gar nicht richtig vorstellen, was im Qualifying abgehen wird."

Auch Haas-Pilot Romain Grosjean ist ziemlich begeistert von den neuen Möglichkeiten, die sich durch das geänderte Reglement 2017 aufgetan haben. "Turn eins ist ziemlich spannend", erklärte der Franzose in einer Presserunde. "Im fünften Gang durch die Kurve zu fahren, ist schon aufregend. Auch die Kurven elf und zwölf sind richtig gut."

Daniel Ricciardo hingegen fällt das Fahrverhalten in den langsameren Kurven besonders auf. "Man spürt die größere Traktion und den Abtrieb. Aber auch in den langsameren Passagen kann man das Gas aggressiver nutzen", so der Australier in seiner Medienrunde. Kevin Magnussen hat durch die neu entworfenen Boliden vor allem eines: mehr Vertrauen, die Limits auszureizen. "Man rutscht nicht so viel und das Limit ist weiter weg", so der Schwede auf Rückfrage von Motorsport-Magazin.com. "Du fühlst dich sicherer, weil du mehr Grip hast. Letztes Jahr konnte man leicht das Heck verlieren. In manchen Bereichen ist es einfacher, gleichzeitig aber auch schwieriger, das Limit zu finden." Noch bleiben Verstappen und Co. 60 Minuten im dritten Freien Training, um die Grenzen der neuen Boliden auszuloten.