Der Freitag des Australien GPs sollte ganz unter dem Zeichen der ersten beiden Trainingssitzungen der neuen Saison stehen - nicht ganz. Kurzfristig berief Liberty Media, seit der Winterpause neuer Mehrheitseigner der Formel 1 und somit der kommerzielle Rechteinhaber, eine Pressekonferenz mit Ross Brawn und Sean Bratches ein.

Brawn, Managing Director Motorsport und Bratches, Managing Director Commercial, nutzten die Chance und stellten sich in ihren neugeschaffenen Positionen erstmals offiziell den Medienvertretern vor. "Ich habe vor drei Jahren mit dem Racing aufgehört, ich wollte nicht in einem Formel-1-Team zurückkehren", so Rückkehrer Brawn. "Aber diese Gelegenheit konnte ich nicht ablehnen, ich bin aufgeregt, in dieser Position zurück zu sein. Wir sind nun auch ein Team, aber eben kein Rennteam."

Ross Brawn und Sean Bratches standen Rede und Antwort, Foto: Sutton
Ross Brawn und Sean Bratches standen Rede und Antwort, Foto: Sutton

"Meine Rolle wird es auf der sportlichen Seite sein, proaktiv mit den Teams und der FIA den Sport in eine bestmögliche Zukunft zu führen", so Brawn. "Wir wollen den Sport so gut wie nur möglich machen, wir wollen tolles Racing und ein stabiles Umfeld für die Teams. Wir wollen die perfekte Welt im Motorsport erzeugen."

Weil viele existierende Verträge mit Promotern, TV-Stationen, Teams und FIA viele Jahre lang laufen und auch das Reglement nicht schnell geändert werden kann, sind Liberty in gewisser Weise die Hände gebunden. Darauf will sich Brawn aber nicht ausruhen: "Wir haben eine Vision, wohin wir in drei bis fünf Jahren wollen. Das bedeutet aber nicht, dass wir aktuell nichts für die Gegenwarten machen wollen. Die neuen Regeln waren dazu gedacht, dass die Autos wieder besser aussehen - und jetzt haben wir Finnen und komische Leitbleche. Das ist unglücklich und es sind ungewollte Konsequenzen. Allerdings brauchen fundamentale Dinge Zeit, es ist nicht fair, hier nicht durch einen Prozess mit den Teams und mit der FIA zu gehen."

Und so will der neue kommerzielle Rechteinhaber die hehren Ziele erreichen:

Neuer Motor: Das aktuelle Motoren-Reglement geht bis 2020. Allerdings braucht die Motorenentwicklung viel Vorlauf, langsam müsste hier Bewegung reinkommen. "Die aktuellen Motoren sind ein fantastisches Stück Ingenieurskunst, aber sie sind sehr kompliziert und teuer", gibt Brawn zu bedenken. "Einige Hersteller haben Probleme. Welchen Motor wollen wir? Wir müssen erst aussortieren, welchen Motor wir in Zukunft haben wollen und dann einen Zeitplan machen. Unsere Gedanken dazu befinden sich noch in einem frühen Stadium. Es gibt auch Gedanken über ein Standard-Getriebe, aber es würde Sinn machen, das gemeinsam mit neuen Motoren einzuführen."

Besseres Racing: Das neue Reglement macht die Autos spektakulärer, welche Einflüsse das allerdings auf das Racing haben wird, ist noch unklar. Viele erwarten, dass Überholen sogar schwieriger wird. Sollte der Sport dadurch leiden, verspricht Brawn schnelle Besserung: "Es gibt aus gutem Grund eine ordentlichen Prozess für die Regelgebung. Es sollte nicht von Personen abhängen, sondern die Richtung der Formel 1 vorgeben. Wenn das Racing aber nicht so gut ist, wie es sein könnte, dann werden wir mit der FIA und den Teams zusammenarbeiten."

Sind die neuen Autos ein Wurf?, Foto: Sutton
Sind die neuen Autos ein Wurf?, Foto: Sutton

Brawn hat auch konkrete Vorstellung, wie man die Problematik lösen könnte: "Man könnte einfach sagen: Viel breitere Reifen, weniger Aerodynamik. Wir müssen aber anerkennen, dass die Autos nur so schnell sind, weil sie viel Aerodynamik haben. Wir können die Aero also nicht einfach wegnehmen. Wir könnten schon viel breitere Reifen machen, um mehr mechanischen Grip zu haben, aber dann sind die Autos viel langsamer als andere Formel-Boliden."

Brawns Lösung lautet: "Aerodynamik ja, aber es ist die Frage welche Aerodynamik. Wir haben aktuell sehr empfindliche Autos, die viele Wirbel erzeugen und dadurch leiden. Wir können Regeln machen, bei denen die Aerodynamik noch gut ist, aber gutes Racing ermöglicht. Wir können sie nicht ablösen, aber wir können sie so ändern, dass sie anderen Autos weniger schaden. Bei den Sportwagen oder den Indycars funktioniert das auch."

Brawn: Force India muss Rennen gewinnen können

Mehr Konkurrenz: Das Racing ist aber nicht nur ein Problem der empfindlichen Aerodynamik, sondern auch von zu großen Abständen zwischen den Top-Teams und dem Rest. "Wir brauchen mehr Konkurrenzfähigkeit zwischen den Teams, Force India muss an einem guten Tag auch ein Rennen gewinnen können. Heute ist das sehr unwahrscheinlich. Wir müssen das Feld enger zusammenbringen." Dafür gibt es zwei Mittel: Die Ressourcen der Teams beschränken - Stichwort Budgetgrenze - oder allen Teams die gleichen Mittel zur Verfügung stellen. "Alle Teams brauchen das gleiche Potential."

Finanzielle Fairness Wenn alle Teams das gleiche Potential haben sollen, darf die Finanz-Schere nicht mehr so stark auseinandergehen. Ferrari bekommt vom kommerziellen Rechteinhaber ein Vielfaches von den kleinen Teams. Damit soll unter Liberty Media Schluss sein. Doch die Gefahr ist klar: Verlieren die großen bei der Geldverteilung, drohen sie mit Ausstieg. Die Formel 1 braucht aber die großen Namen. Brawn verspricht Motorsport-Magazin.com: "Wir werden sicher keine Namen verlieren. Wir müssen eine Lösung für alle finden. Es war in der Vergangenheit ein Mexican standoff (Kampf ohne Sieger), jetzt wollen wir Lösungen finden - und vor der Deadline."

Die Lösung von Sean Bratches sieht so aus: "Wenn der Sport wächst, dann wird der Kuchen größer. Wenn der Kuchen größer wird, dann ist der Anteil am Kuchen für die Teams nicht mehr so wichtig." Heißt: Es würde finanziell keine Verlierer, nur Gewinner geben. Dazu müssen aber erstmal signifikante Mehreinnahmen generiert werden.

Mehr Kontroversen: Auf technischer Seite gibt es schon heute viele Kontroversen, die Fahrer erwecken manchmal den Eindruck von Gleichschaltung. Sean Bratches wünscht sich: "Die Fahrer sorgen zu einem großen Teil für die Fan-Bindung, ich würde es deshalb lieben, wenn sie größere Persönlichkeiten wären, die für mehr Kontroversen sorgen. Ich will keine Vergleiche aufstellen, aber es gibt Sportarten, in denen es solche Persönlichkeiten gibt und wo sie auch so erlaubt werden."

Mehr Social Media: Das große Thema bei der Übernahme lautete Social Media. Bernie Ecclestone habe es verschlafen, die Formel 1 ins 21. Jahrhundert zu bringen, so viele Kritiker. Tatsächlich startete die Formel 1 schon vor zwei Jahren im Netz richtig durch, allerdings gab es zahlreiche Einschränkungen für die Beteiligten.

Diese Beschränkungen lockerte Liberty Media schon für die Testfahrten, nun haben Fahrer und Teams auch am Rennwochenende mehr Möglichkeiten. Kurze Live-Videos aus dem Fahrerlager sind nun in gewissem Rahmen erlaubt. Schreibende Medien allerdings dürfen weiterhin kein Bewegtbild im gesamten Streckenareal aufzeichnen oder live streamen. "Wir müssen bei allem, was wir machen, Grenzen haben", verteidigt Bratches. "Aber ich finde, man sollte es auch den Medien erlauben. Wir müssen uns öffnen, um all unsere Berührungspunkte zum Fan nutzen zu können. Wir müssen nur sehen, wie wir das umsetzen können."

"Unser Fokus liegt signifikant darauf, dieses Business voranzutreiben, die Welt bewegt sich in diese Richtung", bestätigte Bratches die Taktik von Liberty Media. "Nicht nur die aktuellen Fans erreichen wir so, sondern auch die nächste Generation Fans." Die Social-Media-Auswertung nach der Video-Lockerung bei den Testfahrten sei auf allen Seiten extrem positiv ausgefallen.

Mehr Rennen: Von 25 Rennen war bei der Übernahme schon die Rede. Direkt wollte Bratches das nicht bestätigen. Lediglich die Richtung, sich wieder mehr auf den Kernmarkt Europa fokussieren zu wollen, bekräftigte Bratsches. "Und wir brauchen mehr Rennen in interessanten Märkten, wo noch viel Potential ist: Vor allem natürlich in Nord- und Südamerika."

Mehr Rennen pro Jahr könnten ein Mittel für mehr Einnahmen sein, Foto: Sutton
Mehr Rennen pro Jahr könnten ein Mittel für mehr Einnahmen sein, Foto: Sutton

Die Fans müssen sich vor allem auf weitere Stadtrennen einstellen. "Wir haben eine sehr interessante Anzahl an Anfragen von Städten, die mit uns arbeiten wollen", verriet Bratches. "Wir sortieren gerade aus, was für uns am meisten Sinn macht." Während sich der US-Amerikaner schon negativ über das Rennen in Aserbaidschan äußerte, wurde allerdings der Vertrag mit Russland vorzeitig bis 2025 verlängert.

Das Fan-Erlebnis: Zahlreiche Promoter locken die Fans nicht nur mit der Formel 1 an die Strecke, sondern organisieren auch Konzerte. Bratches verspricht: "Wir wollen außergewöhnliche Erlebnisse schaffen. Nicht nur auf der Strecke und in der Startaufstellung, sondern für die Fans, die drei oder vier Tage an der Strecke verbringen." Liberty arbeitet hier aktiv mit den Promotern zusammen, wie alle Veranstaltungen auf ein Niveau angehoben werden können. "Es gibt auch bei den bestehenden Verträgen Möglichkeiten, das zu schaffen."

Ross Brawn will die Formel 1 vor allem wieder zugänglicher für den normalen Fan machen: " Wir wissen, wie exklusiv die Formel 1 über die Jahre wurde, ich habe das miterlebt, aber es wurde nichts geändert. Und Exklusivität ist nicht konstruktiv."