Vergangenes Jahr verlor Lewis Hamilton gegen Nico Rosberg den WM-Kampf. Trotzdem ist der Mercedes-Star in der Saison 2017 der unumstrittene Topfavorit auf die Weltmeisterschaft - denn Rosberg tritt nicht zur Titelverteidigung an und Hamilton sitzt mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder in einem WM-fähigen Auto. Doch auch ohne den ehemaligen Stallgefährten könnte seine Titel-Mission von zahlreichen anderen Faktoren torpediert werden.

Gefahr Nummer eins: Die Konkurrenz

In den vergangenen Jahren hatte Hamilton im Prinzip nur einen richtigen Gegner: Den Teamkollegen. Die Mercedes-Boliden waren seit 2014 derart dominant, dass der 32-Jährige meist leichtes Spiel hatte, wenn ihm nicht gerade Teamkollege Rosberg in die Parade fuhr. Nach dem das Reglement für 2017 umgekrempelt wurde, erhoffen sich die Gegner von Ferrari und Red Bull nach Jahren des Hinterherfahrens endlich den Kampf auf Augenhöhe mit den Silberpfeilen. Bei den Testfahrten ließ es vor allem Ferrari richtig krachen. Kimi Räikkönen markierte die absolute Bestzeit und ließ durchblicken, dass sogar noch mehr drin gewesen wäre. "Ich glaube, dass Ferrari blufft und sie sehr viel schneller sind, als sie es gerade zeigen", so Hamiltons Einschätzung.

Könnte Räikkönen Hamilton 2017 stoppen?, Foto: Sutton
Könnte Räikkönen Hamilton 2017 stoppen?, Foto: Sutton

Red Bull, die 2016 noch näher an Mercedes dran waren als die Konkurrenz aus Italien, lag bei den Barcelona-Testfahrten noch etwas hinter der Spitze zurück. Ricciardo und Verstappen äußerten Bedenken, ob ihr RB13 jetzt schon auf dem Level der Gegner ist. Doch Mercedes-Teamchef Toto Wolff ist sich sicher, dass Red Bull seine wahre Performance am Rennwochenende offenbaren wird und auch die Bullen selbst bauen auf ihre traditionell starke Weiterentwicklung während der Saison. Hamilton könnte es zur Abwechslung also auch mal wieder mit einem Gegner zu tun bekommen, der nicht in einem Silberpfeil sitzt.

Gefahr Nummer zwei: Der Teamkollege

Zumindest 2016 war der Teamkollege für Hamilton eine echte Gefahr. Zum ersten Mal in seiner vierjährigen Zeit bei Mercedes unterlag der dreimalige Weltmeister seinem Stallgefährten. Doch sein Bezwinger Nico Rosberg ist weg. Freie Bahn für Hamilton? Vielleicht. Aber sein neuer Teamkollege macht bereits den Anschein, zumindest über ähnliche Qualitäten wie sein Vorgänger zu verfügen. Valtteri Bottas war bei den Wintertestfahrten auf seiner absolut schnellsten Runde besser unterwegs als der Platzhirsch im Team.

Saisonvorschau: MotoGP vs Formel 1 (09:17 Min.)

Der Finne selbst wollte seinem kleinen Punktsieg keine allzu große Bedeutung beimessen. Zu unterschiedlich seien die Testprogramme gewesen. Mercedes-Aufsichtsrat Niki Lauda war etwas präziser: "Valtteri ist bis auf zwei Zehntel an Lewis' Qualifying-Performance herangekommen, was schon sehr gut ist." Ob aus dem ruhigen Finnen eine böse Überraschung für Hamilton wird, muss sich erst noch zeigen. Eine erste Kampfansage bekam der Brite von der anderen Seite der Garage aber schon zu hören: "Ich wäre nicht gerne mein Teamkollege, denn ich weiß, wozu ich fähig bin."

Gefahr Nummer drei: Die Technik

Nicht wenige sahen 2016 die Technik als Grund für Hamiltons WM-Niederlage gegen Rosberg. Hamilton selbst ließ keinen Zweifel an seiner Überzeugung, dass er die Weltmeisterschaft ohne die zahlreichen technischen Gebrechen an seinem Dienstfahrzeug auch ein weiteres Mal zu seinen Gunsten entschieden hätte. Tatsächlich büßte er durch die Defekte an seinem Mercedes viele wichtige Punkte ein. Alleine der Motorschaden in Malaysia, bei dem ihm 25 Punkte durch die Lappen gingen, wäre angesichts des letztendlichen Rückstandes von nur fünf Zählern WM-entscheidend gewesen.

Hamiltons WM-Killer 2017: Das Aus in Malaysia, Foto: Sutton
Hamiltons WM-Killer 2017: Das Aus in Malaysia, Foto: Sutton

Auch sonst ließ die Statistik des vergangenen Jahres kaum einen Zweifel daran aufkommen, dass Hamilton mindestens genauso schnell wie Rosberg unterwegs war. Mit zehn Siegen und zwölf Pole Positions stand er besser da als der spätere Champion, doch der Sepang-Motorschaden sowie drei von der Technik torpedierte Qualifyings, von denen er zwei auf dem letzten Platz beendete, waren auch für Hamilton zu viel. Er und seine Fans werden hoffen, dass ihm solch ein Seuchenjahr nicht noch einmal wiederfährt. Doch sollte es dazu kommen, könnte aller Ehrgeiz und alles Talent am Ende nicht genug sein.

Gefahr Nummer vier: Sein Kopf

Angesichts der vielen Defekt offenbarte sich bei Hamilton 2016 schon ein zuvor nicht so offensichtlich gewesener Schwachpunkt: Seine Psyche. Klar, er holte vor der Sommerpause einen riesigen Rückstand auf Rosberg auf und kämpfte sich auch in der zweiten Saisonhälfte noch einmal zurück. Doch bei der Barcelona-Kollision mit dem Teamkollegen spielte nicht nur dessen Wille eine Rolle, sondern auch Hamiltons Frustration. Durch die vier komplett verkorksten Rennen zu Saisonbeginn ging der Brite schon in der ersten Runde des Rennens mit einer Aggressivität zu Werke, die er normalerweise nicht nötig hatte. Später kamen Gerüchte auf, Hamilton habe mit dem Gedanken gespielt die Saison schon vor der Sommerpause hinzuschmeißen und kurzfristig zurückzutreten. Er rappelte sich zwar auf, leistete sich im späteren Saisonverlauf aber mehrere schwache Vorstellungen, die man von ihm nicht gewohnt war.

Hamilton und seine Launen, Foto: Sutton
Hamilton und seine Launen, Foto: Sutton

Das Baku-Debakel und das Singapur-Wochenende zeigten nicht den Hamilton, der drei Weltmeisterschaften errungen hatte. Auch nach dem fatalen Motorschaden von Sepang offenbarte sich seine mentale Anfälligkeit, als er in der Pressekonferenz beim darauffolgenden Japan-GP mit dem Snapchat-Eklat für Aufsehen sorgte und sich hinterher den Medien verweigerte. Der Superstar Lewis Hamilton ist in Top-Form immer noch so gut wie unbesiegbar - doch wenn mal nicht alles nach Plan läuft, ist davon nicht mehr viel zu sehen. Sollte 2017 nicht nach seinen Wünschen verlaufen, könnte es durchaus wieder zur einen oder anderen Kurzschlussreaktion kommen. "Lewis ist ein emotionales Biest und es könnte Situationen geben, wo er einfach aufhören will", so Damon Hill kürzlich über seinen Landsmann.

Gefahr Nummer fünf: Sein Lifestyle

Hamilton ist bekannt für sein Jetset-Leben außerhalb des Renncockpits. Immer wieder bekam er in der Vergangenheit für seine Parties und Fernreisen zwischen den Rennwochenenden Kritik von altgedienten F1-Piloten und Experten. Das Mercedes-Team ließ seinen Superstar bisher allerdings gewähren - in den Augen von Toto Wolff und Niki Lauda waren seine seltenen Performance-Einbrüche eher nicht auf sein Privatleben zurückzuführen.

Damon Hill zählt auch hier zu denjenigen, welche die Ansichten von Hamiltons Bossen teilen: "Man kann zu viel Spaß haben oder zu viel arbeiten - aber man braucht Energiereserven. Lewis weiß, wie er seine Ressourcen verwalten muss", ist er überzeugt. Es scheint allerdings so, als ob Hamilton seit er für die Silberpfeile fährt und von der Chefetage die entsprechenden Freiheiten bekommt, diese auch immer mehr ausreizt. Gut möglich, dass er irgendwann an einen Punkt kommt, wo er den Bogen überspannt und sich sein ruheloses Privatleben negativ auf die Leistung am Rennwochenende auswirkt.