Fazit der Formel 1-Tests in Barcelona: (05:53 Min.)

Top: Ferrari glänzt und lässt die Konkurrenz staunen

Ferrari ist der große Gewinner der Testfahrten. Nicht nur, aber auch aufgrund der Zuverlässigkeit. Besonders beeindruckend war aber die Performance der Boliden. Wenngleich die Rundenzeiten mit Vorsicht zu genießen sind, so war die 1:18.6 von Kimi Räikkönen am Schlusstag eine Ansage. Und das auf Supersofts! Der Finne kündigte danach sogar an: "Wenn wir wollen, können wir noch schneller fahren." Die Konkurrenz von Mercedes nahm die Leistung der Scuderia zur Kenntnis. "Sie sind sehr nah dran, wenn nicht sogar schneller", stellte Lewis Hamilton fest. Nach dem schwierigen Jahr 2016 scheint Ferrari bereit zu sein für einen Angriff. Es sei denn, Mercedes hat noch gewaltige Reserven…

Top: Stroll zeigt Nervenstärke nach verpatztem Debüt

Lance Stroll erholte sich nach der schwierigen ersten Woche, Foto: Sutton
Lance Stroll erholte sich nach der schwierigen ersten Woche, Foto: Sutton

Fußballfans hätten nach der ersten Woche von Lance Stroll wohl gesungen: "Ohne Papa, wärst du gar nicht hier!" Zwei Dreher, ein Einschlag, kaputte Teile und ein beschädigtes Chassis standen in seiner Bilanz. Was der Kanadier dann aber in der zweiten Woche fabriziert hat, nennt man wohl eine Wiederauferstehung. Routiniert, fehlerlos und auch noch flott war der 18-Jährige unterwegs. Am letzten Tag fuhr er sogar mit 132 Runden den Tagesbestwert. "Was wir in dieser Woche von ihm gesehen haben, ist sehr beeindruckend", zog Williams-Mann Rob Smedley den imaginären Hut. Vielleicht kann man schon bald einen neuen Song für Stroll anstimmen.

Top: Freude am Fahren kehrt zurück

Die neuen Autos sind echte Waffen, Foto: Sutton
Die neuen Autos sind echte Waffen, Foto: Sutton

Man, sind die breit! Und die neuen Schlitten der Formel 1 haben die Erwartungen erfüllt. Die Rundenzeiten bewegen sich auf einem ganz anderen weil höheren Niveau, die Fahrer verspüren wieder Spaß an ihrem Job. Die Rundenzeiten, die nun im Rennen gefahren werden, bewegen sich den ersten Schätzungen zufolge im Bereich der letztjährigen Qualifying-Runden. "Es ist so eine Erleichterung, diese Autos zu fahren. Man kann extrem pushen, nicht nur auf eine Runde", sagte etwa Kevin Magnussen, der im gleichen Atemzug die alten Autos als "peinlich" abwertete. Auch physisch kommen die Fahrer wieder vermehrt an die Grenzen. Motorsportherz, was willst du mehr?!

Top: Wehrlein kommt gut rein

Pascal Wehrlein konnte nur eine Woche fahren, Foto: Sutton
Pascal Wehrlein konnte nur eine Woche fahren, Foto: Sutton

Dass Pascal Wehrlein die erste Woche verletzungsbedingt auslassen musste, war sicher alles andere als top, besonders für ihn selbst. Nach Tagen des Zusehens ging es für ihn im zweiten Teil der Tests endlich los - und Anpassungsprobleme kannte er offenbar nicht. "Die Autos sind in schnellen Kurven viel schneller. Und sie sind vor allem breiter: Das merkt man, weil man am Anfang mehr auf die Kerbs fährt als zuvor. Aber daran gewöhnt man sich schnell", erklärte Wehrlein. Am Ende standen 192 Runden für den Deutschen zu Buche. Übrigens zwei Umläufe mehr, als Fernando Alonso insgesamt geschafft hat.

Flop: McLaren verarbeitet Honda zu Sushi

McLaren erlebte die Testfahrten zu oft aus ungewollter Position, Foto: Sutton
McLaren erlebte die Testfahrten zu oft aus ungewollter Position, Foto: Sutton

Womit wir auch schon beim Thema McLaren wären. Die Testfahrten waren - ob Woche eins oder Woche zwei - unisono ein Reinfall. Probleme über Probleme, deren Ursachen man nicht kannte. Das Team drosch in Person von Eric Boullier und Fernando Alonso auf Honda ein. Es gebe nur ein Problem, und das sei die Power Unit, meinte Alonso. Oder dass mit diesem Motor jede Kurve Vollgas ginge. Partnerschaftliche Zusammenarbeit sieht gewiss ganz anders aus. Im Laufe der Woche wurde sogar eine gemeinsame Medienrunde abgesagt. Es brodelt gewaltig. 425 Runden nach acht Tagen sind viel zu wenig, im vergangenen Jahr schaffte man mit 710 Umläufen deutlich mehr. Statt Fortschritt also eher ein Rückschritt. Ob Schuldzuweisungen in dieser Form jedoch zum Erfolg führen, darf bezweifelt werden.

Flop: Ferrari genießt nur schweigend

Kimi Räikkönen flog um den Kurs, Foto: Sutton
Kimi Räikkönen flog um den Kurs, Foto: Sutton

Ein bisschen mehr Zurückhaltung würde man McLaren also wünschen. Aber bitte nicht auf Ferrari-Niveau! Denn die Scuderia wusste zwar durch Leistung zu überzeugen, teilte dies den anwesenden Medienvertretern aber auch in der zweiten Woche kaum mit. Stattdessen verfolgt man weiterhin eine konservative Politik. Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen durften sich nur je einmal pro Woche für wenige Minuten äußern. Ob das Liberty Media gefällt? Die Amerikaner setzen ja eher darauf, sich zu öffnen.

Flop: Renault kämpft um den Anschluss

Platz fünf bei den Konstrukteuren - dieses Ziel hat Renault um Sportboss Jerome Stoll für die anstehende Saison ausgegeben. Bis dahin muss aber noch einiges an Arbeit verrichtet werden. McLaren sei Dank fiel kaum auf, dass Renault ebenfalls einen ganzen Stapel an Problemen zu beklagen hatte. Besonders Jolyon Palmer war leidgeplagt. Funktionierte das Auto bei Nico Hülkenberg noch halbwegs, schien es seinen Dienst vollends zu quittieren, wenn der Brite ins Cockpit stieg. Insgesamt stand aber für beide Fahrer zu wenig Fahrzeit. Hülkenberg stellte bereits klar, dass Punkte verdammt schwer zu erreichen sind.

Flop: Euphorie bei den Reifen schon verflogen?

Über die Reifen gibt es schon wieder Diskussionen, Foto: Sutton
Über die Reifen gibt es schon wieder Diskussionen, Foto: Sutton

Also das mit den Reifen lässt die Formel 1 wohl nie los. Nach der ersten Woche präsentierte sich Pirelli voll des (Eigen-)Lobes über ihr neugeschaffenes Produkt. Weniger Abbau, weniger Überhitzen, der Faktor Reifen habe 2017 weniger Einfluss. Da hatte der Nachfolger von Paul Hembery, Mario Isola, die Rechnung aber ohne die Fahrer gemacht. Zumindest Lewis Hamilton und Daniil Kvyat erkannten im Vergleich zu 2016 kaum eine Veränderung, nachdem sie zwei Wochen Erfahrung hatten. Sie würden immer noch überhitzen, meint der Brite. Isola hält dagegen, dass es ohne auch gar nicht gehe. Reifenabbau müsste schon sein. Das könnten noch interessante - oder auch leidige - Diskussionen werden.