Vor den Testfahrten standen hinter den brandneuen Reifen von Pirelli so einige Fragezeichen: Gehen sie so schnell kaputt wie die alte Generation? Können die Fahrer mit den bis zu 20cm breiteren Schlappen wirklich mehr Gas geben, und was ist mit dem Überhitzungs-Problem? Nach acht Tagen in Barcelona lässt sich festhalten: Zumindest vor dem ersten Rennen kommen die neuen Reifen gut bei den meisten Fahrern an.

Gleichzeitig räumte der Reifenhersteller ein, nicht alle Ziele komplett erreicht zu haben. "Zu 70 bis 80 Prozent", stellte Pirellis neuer Motorsportchef Mario Isola fest. "Wenn ich 90 Prozent sagen würde, wäre das arrogant. Denn wir müssen unser Produkt immer weiter verbessern."

Eine der Ansagen an Pirelli lautete, für 2017 einen Reifen zu entwerfen, der wesentlich weniger Verschleiß hat als die Vorgänger-Generation. Der Plan ging größtenteils auf, auch, wenn die Bedingungen während der Testfahrten nicht immer repräsentativ waren. Über einen Verlauf von zehn Rennrunden sollten die Reifen nun einen Verschleiß von 2 Sekunden pro Runde aufweisen. "Wir hatten hier ein bisschen weniger", sagte Isola. "Etwa 1,5 Sekunden. Also liegen wir aktuell drunter. Aber wenn die Autos schneller werden, steigen die Zahlen vermutlich ein bisschen an."

2017 können die Fahrer wieder länger Vollgas geben, Foto: Sutton
2017 können die Fahrer wieder länger Vollgas geben, Foto: Sutton

Weiter Strategie-Spiele möglich

Die neuen Reifen überzeugten bislang durch gute Haltbarkeit. Aber: Kehrt die Formel 1 zurück zu Holzreifen, die jegliche Strategie-Möglichkeiten untersagen? Nein, denn auch in Zukunft soll es Unterschiede zwischen den einzelnen Härtegraden der Mischungen geben. Zwischen 0,9 und 1 Sekunde sollte es sein - in Barcelona sah es etwas anders aus. Den Unterschied zwischen dem Soft- und dem Medium-Reifen bezifferte Isola auf rund 1,5 Sekunden. "Aber der Medium hat hier nicht ordentlich funktioniert", sagte er. "Wenn wir im Mai zurückkehren, sollte er eine bessere Performance haben."

Der Unterschied zwischen den weichsten Mischungen fiel ebenfalls noch nicht ganz aus wie gewünscht, was Isola ebenfalls auf die Streckenbedingungen zurückführte. Zwischen Soft, Supersoft und Ultrasoft waren es jeweils rund 0,3 Sekunden auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya. Isola: "Der Grip, den sie in Barcelona liefern, ist nicht komplett repräsentativ für den Grip, den wir in Melbourne vorfinden. Meiner Meinung nach wird der Unterschied dort etwas höher sein, wahrscheinlich 0,6 oder 0,7 Sekunden."

Die neuen Reifen sollen weiter unterschiedliche Strategien zulassen, Foto: Sutton
Die neuen Reifen sollen weiter unterschiedliche Strategien zulassen, Foto: Sutton

Kein Überhitzen mehr

Und dann war da noch das Ärgernis der überhitzenden Reifen, die so manches Duell auf der Strecke zunichtemachten. "Es war eine deutliche Ansage, dass die Fahrer das nicht mehr wollen", sagte Isola. "Denn wenn sie einem anderen Auto folgen und die Reifen überhitzen, können sie nicht mehr kämpfen. Das Feedback dazu war hier sehr positiv und ein großer Fortschritt im Vergleich zum letzten Jahr.

Mit den neuen Mischungen soll es möglich sein, den Reifen zu retten. "Vom Überhitzungs-Effekt erholt sich der Reifen schnell", sagte Isola. "Das war eines der Ziele. Auch wenn der Fahrer pusht und etwas Grip-Verlust spürt, reicht das Fahren auf der Geraden, um die Performance der Reifen zurückzuerlangen. Das ist ein sehr guter Hinweis für uns."

Sehen gut aus - aber halten sie auch? Die neuen Pirellis, Foto: Sutton
Sehen gut aus - aber halten sie auch? Die neuen Pirellis, Foto: Sutton

Backup-Reifen unnötig

Ob das Pirelli-Konzept wirklich aufgeht, wird erst der Einsatz unter Rennbedingungen zeigen. Änderungen sind jedenfalls nicht geplant unter der Saison - das wäre ohnehin nur in Ausnahmefällen möglich, da die Reifen homologiert worden sind. "Auch wenn die Ziele nicht zu 100 Prozent erreicht wurden, ist es immer besser, während des Jahres nichts zu ändern", meinte Isola. "Ansonsten führt das zu einer Änderung in der Balance zwischen den Teams."

Als Notfall-Plan hatte Pirelli für Barcelona so genannte Backup-Reifen im Gepäck; Reifen in den neuen Dimensionen, aber annähernd mit den gleichen Mischungen aus dem Vorjahr. Zu Beginn der Testfahrten hatten diverse Teams ein paar Runden auf den Backups zurückgelegt. Allerdings scheinen die neuen Reifen gut genug zu sein, um die Backup-Schlappen wieder wegzuschließen. "Wir haben Backup-Mischungen homologiert", so Isola. "Aber nach diesen zwei Testwochen gibt es im Moment nicht den Plan, sie in einem Rennen einzusetzen."