Die Starts in der Formel 1 stehen seit längerer Zeit unter Beschuss. Der Tenor lautet: Die Fahrer sollen weniger abhängig von der Technik sein, mehr selbst unter Kontrolle haben. Der erste Schritt dazu wurde schon 2015 vor dem Belgien GP unternommen: Die Kommunikation zwischen Ingenieur und Fahrer in der Formationsrunde wurde eingeschränkt, der Schleifpunkt durfte nach dem ersten Verlassen der Boxengasse am Sonntag nicht mehr verändert werden.

Doch Teams und Fahrer hatten sich schnell darauf eingestellt, die Starts wurden schnell wieder zur Routine. Kurz vor dem Saisonauftakt 2016 besserte die FIA noch einmal nach. Die Regeln mussten dafür nicht geändert werden, wie beim verschärften Funkverbot - das mitten in der Saison wieder aufgehoben wurde - bezog sich der Regelhüter auf Artikel 27.1 des Sportlichen Reglements, der besagt: "Der Fahrer muss das Auto alleine und ohne Hilfe fahren."

Die Änderungen für 2016 waren schon größer als die kleine Korrektur für Spa im Jahr zuvor: Die Fahrer durften nur noch mit einer Hand auskuppeln, zuvor nutzten sie beide Kupplungs-Hebel beim Start. Der zweite Hebel ist weiterhin am Lenkrad, um im Notfall schnell auskuppeln zu können, darf aber beim Start nicht benutzt werden.

FIA segnet Lenkräder ab

Um Tricksereien zu vermeiden, mussten die Teams ihre Lenkrad-Konstruktionen zuvor von der FIA absegnen lassen. Wer sich wundert, warum es kaum Aufnahmen von den Rückseiten der Lenkräder gibt: Hier hatten einige noch einen kleinen Trick versteckt. Der Kupplungshebel muss sich linear zur Kraft bewegen. Je mehr Kraft, desto mehr Weg. Zwei Federn mit unterschiedlicher Stärke oder ähnliche Spielereien sind verboten. Das soll dafür sorgen, dass der Fahrer nicht irgendeinen Druckpunkt spürt, an dem sich der Kupplungshebel beim Startprozedere befinden soll.

Die Teams stellen lieber die Vorderseite der Lenkräder zur Schau - die ohnehin jeder sehen kann, Foto: Sutton
Die Teams stellen lieber die Vorderseite der Lenkräder zur Schau - die ohnehin jeder sehen kann, Foto: Sutton

Kleine Vorsprünge am Lenkrad konnten den Piloten aber dabei helfen, die optimale Hebel-Position zu finden. Zwei Fingerbreiten Abstand von diesem Vorsprung, und der Hebel ist genau in der richtigen Position - so etwa konnten die Teams tricksen. "Erlaubt war das nicht, aber geduldet", sagt ein FIA-Mann. Damit ist in diesem Jahr Schluss.

Keine automatische Kupplungs-Steuerung mehr

Doch das ist nur eine Kleinigkeit im Vergleich zur anderen Änderung: Die Regelklarstellung von Australien 2016 hatte es nämlich in sich. Ab 2017, so die Klarstellung, regelt das Einheits-Motorsteuergerät einen zusätzlichen Wert: Das Kupplungs-Drehmoment. Bislang konnten sich die Teams hier noch in gewissem Rahmen austoben.

Nun brauchen die Piloten Gefühl am Kupplungs-Finger, Foto: Sutton
Nun brauchen die Piloten Gefühl am Kupplungs-Finger, Foto: Sutton

"Es gibt keine eigenständige elektronische Close-Loop-Regelung in der Kupplung mehr", erklärt Saubers Technikdirektor Jörg Zander. Über verschiedene Mappings konnten die Ingenieure bislang Kennfelder programmieren, die den Fahrern die Arbeit enorm erleichterten. Für Pascal Wehrlein sah das dann so aus: "Wir haben zuvor mit dem Ingenieur eine Position ausgemacht, wohin man mit dem Kupplungs-Hebel ungefähr kommen musste. Danach lag es am Ingenieur, ob die Kupplung zu viel oder zu wenig greift."

Durch das Kennfeld der Close-Loop-Regelung hat die Kupplung nicht linear zur tatsächlichen Hebel-Bewegung reagiert. Die Kupplung wurde über das Kennfeld zugefahren. "Damit musste der Fahrer das nicht mehr machen", erklärt Zander. Es handelte sich um eine zeitengesteuerte Zustellung. Jetzt muss es eine direkte Beziehung zwischen dem Ausrückmechanismus der Kupplung und dem Kupplungshebel geben. Ein Automatismus darf nicht mehr hinterlegt sein, in der Einheits-ECU (Motorsteuergerät) ist nun ein standardisiertes Mapping hinterlegt.

Wehrlein: Start wie im PKW

Musste der Fahrer zuvor nur den richtigen Punkt des Kupplungshebel finden und anschließend mit dem Gaspedal den Rest steuern und war sonst von den Einstellung abhängig, liegt nun ein weiterer Parameter in seiner Hand. Es ist nun ein Zusammenspiel aus Kupplungshebel- und Gaspedalstellung - alles in Abhängigkeit vom Grip-Niveau. "Es ist jetzt wie im PKW", vergleicht Wehrlein.

"Manche sind gut, manche wirklich schlecht", lautet das erste Fazit von Romain Grosjean. Um das Startprozedere zu üben, durften die Teams beim zweiten Barcelona-Test nach Abwinken der Vormittags-Sessions auf der Startaufstellung üben. Sonst bleibt nur die Boxenausfahrt. "Es ist interessant, denn alles hängt von dir ab", so Grosjean. Teamkollege Kevin Magnussen stimmt zu: "Der perfekte Start wird definitiv seltener. Ich denke, es wird große Unterschiede geben."

Übrigens: Ein Startvorgang wie in anderen Rennserien, bei dem die Piloten auf der Bremse stehen, die Kupplung schon vorspannen und dann nur noch das Bremspedal lösen, wenn die Lichter ausgehen, ist in der Formel 1 nicht erlaubt. "Weil man die Befürchtung hat, dass der Motor in den Anti-Stall-Modus springt oder sogar komplett ausgeht", erklärt Zander. Das würde bedeuten, dass Autos stehen bleiben oder zumindest der Gang rausspringt, weil der Anti-Stall-Modus greift. Dann dauert es, bis der erste Gang eingelegt und das Startprozedere von Neuem in Gang gesetzt wird. Die Gefahr, dass ein Auto mit hoher Geschwindigkeit auf einen stehenden Boliden auffährt, ist so zu groß.