Der junge Mann ist kaum in der Formel 1 angekommen, schon steht er voll im Rampenlicht: Lance Stroll. Sein Debüt in der Königsklasse bei den Testfahrten in Barcelona war bislang mehr Schatten als Licht. Am Dienstag sorgte er mit einem folgenschweren Dreher nach nur zwölf Runden für ein vorzeitiges Testende von Williams, weil das Team nicht genügend Ersatzteile an der Strecke hatte. Dem ließ Stroll am Mittwoch kurz vor der Mittagspause einen weiteren Dreher folgen, bevor er nachmittags in die Mauer knallte.

Besonders der zweite Unfall sorgte für Aufsehen, Williams musste das geplante Programm erneut vorzeitig beenden. Wie es genau zum Einschlag in die Streckenbegrenzung kommen konnte, damit wollte Stroll selbst nicht rausrücken. Es sei etwas mit dem Auto gewesen, versicherte er nach einem längeren Meeting mit den Ingenieuren. Später eierte allerdings auch Williams-Performancechef Rob Smedley bei der Aufklärung etwas herum.

Unschuldiges Opfer

"Mit dem neuen Grip der Reifen gibt es einen Bereich, in dem die Fahrer nicht mehr zufrieden sind", sagte Smedley zu Motorsport-Magazin.com. "Felipe fand es ziemlich knifflig und von anderen Fahrern habe ich gehört, dass es ihnen ähnlich ging. Lance war heute auf kalten Medium-Reifen auf seiner Outlap unterwegs und hatte viel Benzin im Tank. Dann gingen ihm die Reifen weg. Dem fiel er unschuldig zum Opfer, wobei es eigentlich ein harmloser Moment hätte sein sollen. Das hat ihn in die Mauer befördert und etwas Schaden verursacht. So etwas passiert, wir werfen ihm nichts vor."

Smedley tat sein Möglichstes, um Stroll aus der Schusslinie der Medien zu nehmen. Der 18-Jährige muss sich nach seinem Aufstieg aus der Formel 3 erst noch in der Königsklasse beweisen. Dass sein Vater Lawrence Milliarden Dollar auf dem Konto hat, schwingt erst einmal weiter mit. Da helfen solche Ausfälle wie jetzt in Barcelona natürlich nicht, um sich im Fahrerlager zu etablieren. "Er sollte nicht das Gefühl haben, das Team im Stich gelassen zu haben", stellte sich Smedley vor seinen Schützling.

Und weiter: "Wir leben in einer Gesellschaft des Anschwärzens - und das wollen wir nicht. Ich würde es nicht einmal als einen Fehler bezeichnen. Er war auf kalten Reifen unterwegs. Felipe ist am ersten Tag fast der gleiche Fehler unterlaufen mit seinen 15 Jahren Erfahrung." Stroll habe sich nichts vorzuwerfen, stattdessen sei das Team gefordert, den richtigen Umgang in solchen Situationen herauszufinden. "Hier wird niemand angeschwärzt", machte Smedley deutlich.

So sieht der Williams für 2017 aus (00:39 Min.)

Verpasst Williams den Regentest?

Strolls Unfall könnte allerdings unangenehme Folgen haben. Wegen der Knappheit der Ersatzteile war am Mittwochabend noch nicht klar, ob Williams das Auto rechtzeitig zum letzten Testtag in Barcelona reparieren kann. Der FW40-Bolide hat Schaden an der linken Fahrzeugseite davongetragen. Ein Komplettausfall am Donnerstag wäre bitter, steht doch der wichtige Regenreifen-Test auf der künstlich bewässerten Strecke bevor. "Wir geben unser Bestes, um zu fahren", versicherte Smedley. "Aber dahinter steht ein kleines Fragezeichen."

Flügel mit Privatjet eingeflogen

Schon am Dienstag hatte das Team keine Kosten und Mühen gescheut, um das Auto einsatzbereit zu machen. Ein kaputter Frontflügel wurde per Privatjet von Barcelona in die Teamfabrik nach Grove geflogen, um ihn zu reparieren. Bis zum Mittwochmorgen um 09:00 Uhr war der Flügel wieder an der Rennstrecke. Rund eine Stunde später konnte Stroll sein Programm fortsetzen. Vermutlich ging die Hauruck-Aktion auf das Konto von Vater Lawrence, der selbst bei den Testfahrten verweilte.

Ein Privatjet ist teuer - ein kompletter Tag Ausfall an der Rennstrecke allerdings auch. Mit dem erneuerten Frontflügel konnte Stroll am Mittwoch beachtliche 98 Runden abspulen - bis es ihn ausgangs der Kurve 5 erwischte und er die Kontrolle über das Auto verlor. Angesichts der Streckenzeit wirkte Stroll selbst zufrieden mit seinem Pensum, es sei mit einer Ausnahme ein großartiger Tag gewesen. "Ich hatte gute Runden und konnte mich ans Auto gewöhnen", sagte er. "Gute Short- und Longruns. Dann leider die kleine Sache am Ende. Es war etwas am Auto, das es quasi für mich weggeworfen hat."

Lance' Vater Lawrence Stroll ist auch an der Strecke, Foto: Sutton
Lance' Vater Lawrence Stroll ist auch an der Strecke, Foto: Sutton

Stroll: Bereit für die Formel 1

Keinesfalls wollte Stroll den Anschein erwecken, dass er noch nicht bereit ist für das Abenteuer Formel 1. Derartige Vorwurfe hatte er sich auf seinem Weg in die Königsklasse nicht selten gefallen lassen müssen. Nach seinen Ausflügen in Barcelona sagte er nun: "Das ist nicht anders wie in anderen Serien auch. Dinge passieren und ich schaue, wie ich das Beste daraus machen kann." Er habe alles getan, was nötig gewesen sei, um es in die Formel 1 zu schaffen. Namentlich: Gewinn der italienischen Formel 4 sowie anschließend der Formel-3-Europameisterschaft. Stroll: "Ich fühle mich bereit."

Strolls erste Gehversuche in einem aktuellen Formel-1-Auto wurden von allen Seiten kritisch beäugt. Nun wurden auch andere Fahrerkollegen zum Neuen befragt. Lewis Hamilton nahm den Rookie in Schutz. "Ich habe Mitleid mit ihm in dem Sinne, dass es ein sehr schwieriges Jahr ist, um in die Formel 1 zu kommen", sagte der Mercedes-Pilot. "Die schnellsten und physisch anspruchsvollsten Autos - und so wenig Tests. Obwohl ich weiß, dass er mit Williams für Tests um die Welt gereist ist und mehr Vorbereitungszeit als wahrscheinlich jeder andere Fahrer hatte. Aber das konnte man erwarten, denn das Auto ist alles andere als einfach zu fahren."

Stroll fuhr bis zu seinem folgenschweren Unfall 98 Runden, Foto: Sutton
Stroll fuhr bis zu seinem folgenschweren Unfall 98 Runden, Foto: Sutton

Eis und Frontflügel gebrochen

Ob Stroll bei seinem Mauereinschlag ein Fahrfehler unterlaufen war oder es tatsächlich am kniffligen Verhalten der Reifen lag, lässt sich von außen schwer beurteilen. Zumindest übernahm er die Verantwortung für den ersten Dreher kurz vor der Mittagszeit. Stroll: "Das lag an mir. Es war meine letzte Runde auf diesem Run und mir wurde gesagt, dass ich versuchen soll, die Grenzen auszuloten. Ich war auf einem Longrun, habe mit den Reifen gepusht und mich dann ins Kiesbett gedreht. Aber das am Ende des Tages, das war etwas völlig anderes."

Nun hat Stroll ein paar Tage Zeit, um die Unfälle komplett hinter sich zu lassen. Kommende Woche steht die zweite Test-Session in Barcelona auf dem Programm. Von den bisherigen Erlebnissen wollte er sich nicht einschüchtern lassen - ganz im Gegenteil. "Ich gehe die nächsten Tests sogar noch besser an als diese", versicherte Stroll. "Ich hatte jetzt Zeit im Auto und eine Idee, was im Auto passiert. Ich habe das Eis gebrochen."