Die Letzten werden die Ersten sein: Toro Rosso nahm sich diesen Spruch zu Herzen. Als letztes Team stellte das Red Bull Junior Team den Boliden für die Formel-1-Saison 2017 vor. Der STR12 ist optisch wohl das schönste Auto, trotz Hai-Flosse - die den Mercedes in absehbarer Zeit auch noch etwas verschandeln wird. Dafür könnte der Toro Rosso noch einen unschönen T-Flügel bekommen. "Wahrscheinlich bekommt er den", musste Technik-Chef James Key leicht geknickt zugeben. Ist der STR12 auch technisch vorne mit dabei? Der Motorsport-Magazin.com-Technik-Check.

Es ist kein Zufall, dass Toro Rosso und Mercedes in der Schönheitswertung in einer eigenen Liga spielen. Toro Rosso und die Silberpfeile verfolgen das gleiche aerodynamische Konzept. Nicht schlecht für das kleine Team, mag man meinen. "Andererseits sind offenbar nicht nur wir auf diese Idee gekommen", so Key. Dabei gesteht der Brite offen: "Wir haben uns angesehen, was Mercedes die letzten Jahre gemacht hat."

Das erste Konzept bei Toro Rosso für den 2017er Boliden entstand schon Ende 2015. Drei bis fünf Leute waren zu diesem Zeitpunkt schon mit dem Projekt betraut. 2016 wurden die Ressourcen nach und nach in Richtung 2017 verschoben.

Toro Rosso übernimmt nur zwei Prozent Teile

Zwar sind die Regeln 2017 komplett anders und die Übernahmeteile vom Vorgänger beziffert Toro Rosso mit rund zwei Prozent, doch Lehren und Konzepte lassen sich auch aus dem Vorjahr mitnehmen. Vom diesjährigen Auto konnte Toro Rosso jedenfalls nicht abkupfern - der Mercedes wurde nur vier Tage zuvor vorgestellt. In dieser kurzen Zeit lässt sich das Auto nicht einmal mit Rapid Prototyping nachbauen.

Die Nase ist eine Kopie der Mercedes-Nase, Foto: Sutton
Die Nase ist eine Kopie der Mercedes-Nase, Foto: Sutton

Die Ähnlichkeit der beiden Autos beginnt an der Nase. Mercedes und Toro Rosso sind die einzigen Teams, die auf eine schmale, elegante Nase mit eng zusammenliegenden Pylonen setzen. Alle anderen Teams setzen auf eine breite Nase mit Knolle und teilweise extrem langen und komplexen Pylonen.

Der S-Schacht ist inzwischen keine Seltenheit mehr - alle Autos der Generation 2017 verfügen über diesen Technik-Kniff. Der Toro Rosso saugt die Luft nicht mit einem Haifisch-Maul ein, sondern über kleine NACA-Öffnungen rechts und links.

Aufhängungs-Trick wie am Mercedes

Auffällig wird der STR12 wieder an der Vorderachse. Toro Rosso hat den oberen Querlenker - genau wie Mercedes - nicht direkt am Radträger befestigt, sondern an einer Verlängerung. Das hat kinematische Gründe und gibt den Ingenieuren größere Flexibilität.

Die Aufhängung ist konzeptionell nicht festgelegt, Foto: Sutton
Die Aufhängung ist konzeptionell nicht festgelegt, Foto: Sutton

Flexibilität insofern, dass man die Angriffspunkte relativ einfach ändern kann, um die Kinematik zu beeinflussen. Das könnte in diesem Jahr nötig werden, weil die Autos komplett auf Annahmen basierend entwickelt wurden. Ohne ausreichend Daten über den mechanischen Grip zu besitzen. Und noch entscheidender: Ohne Ahnung, wo das Auto am Ende des Jahres stehen wird. Die Zugewinne über die Saison werden so groß wie lange nicht mehr sein. Ändern sich die Kräfte, können noch Anpassungen vorgenommen werden.

Die Weiterentwicklung über die Saison ist auch ein wesentliches Argument für die Mercedes-Philosophie. Toro Rossos zweiter Technischer Direktor Ben Waterhouse erklärt: "Wir haben uns die unterschiedlichen Konzepte angesehen und dieses war das mit dem größten Potential für die Weiterentwicklung." 2017 wird ein Wettrüsten während der Saison. "Wir sind gut aufgestellt, aber mit den großen Teams können wir da nicht mithalten", gesteht Teamchef Franz Tost.

Bargeboards nicht auf Mercedes-Niveau

Hier hinkt der Toro Rosso hinterher, Foto: Toro Rosso
Hier hinkt der Toro Rosso hinterher, Foto: Toro Rosso

Am Bereich hinter der Vorderachse wird auch sichtbar, warum Toro Rosso nicht mit Mercedes mithalten kann. Bargeboards und Seitenkastenflügel sind zwar riesig und deutlich komplexer als im vergangenen Jahr, aber mit dem Detailreichtum des Mercedes hat das nichts zu tun.

Bei allem, was sich hinter dem Cockpit befindet, war Toro Rosso gezwungen, komplett neue Wege einzuschlagen. Der Umstieg vom 2015er Ferrari-Motor auf den 2017er Renault ist riesig. Nicht nur was die Leistung angeht - das Lachen von Franz Tost auf diese Frage spricht Bände -, auch was den Kühlbedarf angeht. "Das kann man überhaupt nicht vergleichen", meint Key.

Elegante Finne (noch) ohne T-Flügel, Foto: Toro Rosso
Elegante Finne (noch) ohne T-Flügel, Foto: Toro Rosso

Auf der Motorabdeckung sitzt auch beim Toro Rosso eine lange Finne. Allerdings wirkt sie durch den Bogen am Ende verhältnismäßig elegant. Der T-Flügel kommt, wie eingangs erwähnt, wahrscheinlich schon bald auf das Auto.

Extrem fallen die Zugstreben der Hinterradaufhängung aus. Sie führen weit nach unten, Umlenkhebel, Feder und Dämpfer müssen extrem weit vorne am Getriebegehäuse angebracht sein. So extrem ist das bei keinem Team zu sehen. Pullrod und Motorabdeckung verlaufen fast parallel.

Kein Wunder-Fahrwerk im Toro Rosso

Fraglich ist, ob Toro Rosso am Heck schon alles gezeigt hat. Der Diffusor war wie bei den anderen Boliden auch, abgedeckt. Aber der STR12 zeigte auch keine Leitbleche auf der Innenseite der hinteren Radträger. Die waren komplett flach verkleidet. Fraglich, ob das so bleibt. Im letzten Jahr wucherten auch bei Toro Rosso hier die Aero-Elemente.

Bei einem Konzept - abgesehen vom Motor natürlich - unterscheiden sich Silber- und Blaupfeil aber gravierend: beim Fahrwerk. Toro Rosso hat bislang kein cleveres Hydraulik-Element. Das Team wartet noch ab, bis in dieser Frage Klarheit herrscht. Ferrari macht noch immer bei der FIA Politik gegen das System. Bleibt es legal, wird Toro Rosso wohl nachlegen.