Für das diesjährige Toro-Rosso-Duo scheint der Arbeitgeber immer mehr zum Abstellgleis statt zum Karrieresprungbrett zu werden. Sowohl Carlos Sainz als auch Daniil Kvyat gehen in die bereits dritte Saison für das Junior-Team von Red Bull. Während der Spanier erneut um die Anerkennung kämpft, die ihm angesichts der Verstappen-Mania in den vergangenen Jahren verweigert wurde, fährt sein russischer Teamkollege nach einer katastrophalen Saison 2016 um seine Zukunft in der Königsklasse. So unterschiedlich die Situationen der beiden Piloten sind: Es scheint fast sicher, dass keiner von ihnen in eine vierte Saison beim vermeintlichen Juniorteam gehen wird.

Während Max Verstappen 2017 schon als potentieller Titelkandidat gehandelt wird - vorausgesetzt der neue Red Bull hat das Zeug dazu - steckt Carlos Sainz' Formel-1-Karriere in den Untiefen des Mittelfeldes fest. Viele Experten schätzen den Sohn des zweimaligen WRC-Champions Carlos Sainz als nicht weniger talentiert als den niederländischen Shooting Star ein, doch für den Sprung in ein Top-Team hat es für ihn bisher nicht gereicht.

"Es ist kein Geheimnis, dass Toro Rosso immer das B-Team von Red Bull sein wird. Das ist es, was Dietrich Mateschitz will und was Red Bull will. Deshalb gibt es Toro Rosso", war sich Sainz im Interview mit Motorsport-Magazin.com vergangenes Jahr über den Sinn und Zweck seines Teams im Klaren. Im Frühjahr 2016 wurde er mit einem möglichen Wechsel zu Renault in Verbindung gebracht, doch Red Bull kümmerte sich bereits vor der Sommerpause um die Zukunft seines Schützlings und zog die Option, die Sainz zwölf weitere Monate an seine Förderer bindet.

Carlos Sainz konnte Max Verstappen bei Toro Rosso durchaus Paroli bieten, Foto: Sutton
Carlos Sainz konnte Max Verstappen bei Toro Rosso durchaus Paroli bieten, Foto: Sutton

Auf der Jagd nach Anerkennung

Nachdem Verstappen ab dem Spanien-GP des vergangenen Jahres im Red-Bull-Cockpit saß, hatte Sainz den vom Schwesterteam degradierten Daniil Kvyat an seiner Seite. Während der Russe in den gemeinsamen 17 Rennen lediglich vier Zähler sammelte, kam Sainz auf stolze 42 Punkte. Mit dem klaren Triumph über den Teamkollegen unterstrich er, was er nach dem Abgang Verstappens angekündigt hatte: "Ich werde mich einfach darauf fokussieren, härter als je zuvor zu kämpfen, um Red Bull zu beeindrucken. Zumindest damit sie sehen, dass ihnen ein schneller Fahrer zur Verfügung steht, wenn sie ihn brauchen." Sainz' Problem ist allerdings auch 2017 noch, dass Red Bull mit Daniel Ricciardo und Max Verstappen über eine schlagkräftige Fahrerpaarung verfügt und beim A-Team langfristig mit diesem geplant wird.

Ein Werksvertrag bei Renault wäre für den Spanier daher ein wichtiger Schritt auf der Karriereleiter gewesen, auch wenn es einen Abschied von Red Bull bedeutet hätte. Das Anklopfen der Franzosen war immerhin die Anerkennung, die sich Sainz seit langem erhofft hatte: "Es ist natürlich ein Kompliment. Letztendlich sind es die Hersteller, die in der Formel 1 das Sagen haben. Das Interesse eines so wichtigen Herstellers wie Renault macht mich natürlich sehr stolz, das kann ich nicht leugnen."

Wenn Sainz an seine Leistung des vergangenen Jahres anknüpfen kann, könnte sich für ihn 2018 durchaus die Tür zu einem Top-Team öffnen. Bei Ferrari laufen die Verträge beider Piloten aus und es ist fraglich, ob Sebastian Vettel weiterhin Lust auf die Italiener hat und ob das Team weiterhin auf die Dienste von Kimi Räikkönen vertrauen wird. Mit dem bei Mercedes auf Bewährung fahrenden Valtteri Bottas könnten sich kommende Saison gleich bei zwei Top-Teams Türen öffnen. Türen, durch die entweder er selbst oder möglicherweise auch einer der Red-Bull-Piloten marschieren könnte, was ihm wiederum den langersehnten Platz in der ersten Mannschaft einbringen würde.

Für 2018 könnte sich Sainz die Chance bei einem Werksteam bieten, Foto: Sutton
Für 2018 könnte sich Sainz die Chance bei einem Werksteam bieten, Foto: Sutton

Kvyat muss sich empfehlen

Der zweite Pilot der Scuderia Toro Rosso steht unter erheblich größerem Druck als Sainz. Daniil Kvyat setzte die Entlassung bei Red Bull mächtig zu und er schaffte es im restlichen Verlauf der Saison nicht, sich zu rehabilitieren. Gegen den Teamkollegen war er chancenlos und gegenüber Medien fand der junge Russe selten Antworten für seine schwachen Leistungen. Red Bull bekräftigte jedoch immer wieder, dass man den Glauben an sein einstigen Nachwuchs-Star nicht verloren habe. "Kvyat braucht nur ein, zwei gute Rennen, damit er das Selbstvertrauen wieder zurückbekommt", sagte Dr. Helmut Marko im Sommer 2016 gegenüber Motorsport-Magazin.com.

Die zwei besagten Rennen hat Kvyat bisher jedoch nicht liefern können. Die entscheidende Frage ist, ob er die Schmach der vergangenen Saison über den Winter hat abschütteln können. Sollte er weiterhin hinter den Erwartungen zurückbleiben, dürfte seine Zeit in der Formel 1 noch vor dem diesjährigen Saisonfinale ihr Ende finden - denn GP2-Champion und Red-Bull-Junior Pierre Gasly steht bereits für ein Cockpit in der Königsklasse in den Startlöchern.

Wenn Kvyat, der 2015 im teaminternen Duell immerhin gegen Daniel Ricciardo triumphierte, zurück zu alter Stärke findet, dürfte er 2018 auch für andere Teams interessant sein. Eine Rückkehr zu Red Bull scheint unwahrscheinlich, denn sollte dort ein Platz frei werden, gehört er mit hoher Wahrscheinlichkeit Sainz. Bei der Konkurrenz von Williams und Force India befinden sich Felipe Massa und Sergio Perez jedoch in ihrer wohl letzten Saison für den Arbeitgeber, und Jolyon Palmer ist bei Renault zweifelsohne ein Wackelkandidat. Selbst wenn es für Kvyat also keine Zukunft bei Red Bull gibt, so hat er doch alle Chancen, sich einen Verbleib in der Formel 1 zu verdienen.