Er gehört zu den gefährlichsten Rennstrecken der Welt: Der Guia Circuit inmitten der chinesischen Zockermetropole Macau. Gefahr - genau das richtige Stichwort für Lewis Hamilton. Wenn er sein Leben lang auf nur einer Strecke Rennen fahren müsste, welche wäre das? Genau, der berüchtigte chinesische Stadtkurs. "Das ist wie Monaco auf Steroiden", schwärmte Hamilton.

Macau, Geburtsstätte von Legenden des Motorsports. Ayrton Senna gewann den Straßenfeger 1984, später siegten auch Michael Schumacher oder David Coulthard. Wer Macau übersteht, ist für höhere Aufgaben bereit, heißt es seit Jahrzehnten. Dass man den Macau Grand Prix nicht gewinnen muss, aber trotzdem große Karriere machen kann, bewies Hamilton selbst. Zweimal nahm er den 6 Kilometer langen Kurs in Angriff, doch für einen Sieg sollte es nie reichen.

Ein Talent namens Lewis

13 Jahre ist es her, seit Hamilton zum ersten Mal nach China reiste. Gerade erst hatte der damals 18-Jährige die Meisterschaft in der britischen Formel Renault 2.0 gewonnen und ging als einer der Geheimfavoriten an den Start. Seine Gegner hießen unter anderem Nico Rosberg, Robert Kubica und auch der Deutsche Pierre Kaffer. Schon damals ließ Hamilton sein Talent vor der Weltöffentlichkeit aufblitzen, auch, wenn das Ergebnis ernüchternd ausfiel.

McLaren-Junior Hamilton trat für den britischen Traditionsstall Manor Racing an. Seine Macau-Premiere verlief stotternd. Im Qualifyingrennen kam er nicht über den 18. Platz hinaus, ein enttäuschendes Ergebnis. Hamiltons zwischenzeitliche Stunde schlug im Hauptrennen. Innerhalb der ersten 13 Runden kämpfte er sich - auch von zahlreichen Ausfällen begünstigt - vom 18. bis auf den 3. Platz nach vorne. Dann setzte ein technischer Defekt seinen Mugen befeuerten Formel-3-Rennwagen außer Gefecht.

Hamilton und Rosberg bei einem Medien-Event 2003 in Macau, Foto: Sutton
Hamilton und Rosberg bei einem Medien-Event 2003 in Macau, Foto: Sutton

Wiedersehen mit Rosberg

Zählbares sprang nicht für Hamilton bei seinem Debüt in Macau heraus, das Rennen gewann der Franzose Nicolas Lapierre. Doch Hamilton, der in Macau sein drittes Rennen in einem Formel-3-Auto überhaupt bestritt, hatte Eindruck hinterlassen. Im folgenden Jahr stieg der Brite mit Manor Motorsport in die Formel 3 Euro Serie auf. Sein Rookie-Jahr beendete Hamilton auf dem fünften Gesamtplatz. Direkt hinter Nico Rosberg, der allerdings über ein Jahr Erfahrungsvorsprung in der Formel 3 verfügte.

Zum Ende des Jahres sollten die späteren Mercedes-Teamkollegen beim Macau Grand Prix erneut aufeinandertreffen. Das allerdings erst in letzter Sekunde, wie der damalige Teamchef John Booth verriet: "Ich habe alles dafür getan, um Lewis noch in unser Auto zu bekommen." Sein Teamkollege war der als Mega-Talent gehandelte Robert Kubica. Booth: "Wenn wir uns zwei Fahrer für Macau hätten aussuchen können, wären es genau diese beiden gewesen."

Hamilton kehrte 2004 nach Macau zurück, Foto: Sutton
Hamilton kehrte 2004 nach Macau zurück, Foto: Sutton

Von sich selbst beeindruckt

Beim Macau GP 2004 ging Hamiltons Stern wie vorhergesagt international auf. Im ersten von zwei Qualifyings fuhr er auf die provisorische Pole Position. Eine dominante Vorstellung, in der er dem Zweitplatzierten Jamie Green 1,3 Sekunden aufdrückte.

Nach einem chaotischen Qualifying mit einigen Unterbrechungen sagte der damals 19-jährige Hamilton: "Wenn man bedenkt, dass ich in den 45 Minuten nur einen einzigen furchterregenden Moment hatte, war das nicht so schlecht. Ich denke, dass ich von mir selbst beeindruckt war." Der junge Hamilton war schon in jungen Jahren von seinen Fähigkeiten überzeugt, die ihn viele Jahre später zu drei Weltmeisterschaften führen sollten.

Hamilton legte 2004 in Macau ganz stark los, Foto: Sutton
Hamilton legte 2004 in Macau ganz stark los, Foto: Sutton

Hamilton schlägt zurück

Letztendlich war es jedoch Hamiltons Teamkollege Robert Kubica, der ihm die Pole für das Qualifyingrennen vor der Nase wegschnappte. Der Pole erwischte fünf Minuten vor dem Ende des 2. Qualifyings eine - in Macau unheimlich wichtig - freie Runde ohne Verkehr, während Hamilton leicht die Mauern berührte. Das reichte immer noch zu Startplatz zwei hinter Manor-Kumpel Kubica.

Im Quali-Rennen schlug Hamilton knallhart zurück. In Kubicas Windschatten schnellte er auf der langen Geraden nach dem Start hervor und bog Seite an Seite mit seinem Teamkollegen in den leichten Rechtsknick der Mandarin-Kurve ein. Auf dem Weg in die gefürchtete Lisboa-Kurve bewies der junge Hamilton sein Talent - und seinen Mut. Während es Kubica zu haarig wurde und er leicht das Gas lupfte, hielt Hamilton drauf. Und überholte Kubica für die Führung.

Hamilton startete aus der ersten Reihe in den Macau GP, Foto: Sutton
Hamilton startete aus der ersten Reihe in den Macau GP, Foto: Sutton

Kubicas Angst gentzt

"Ich hoffte darauf, dass er Angst bekommt und vom Gas geht", sagte Hamilton damals. "Genau das hat er auch gemacht. Ich bin dann allerdings quer durch die Kurve durch." Einmal in Führung liegend, war der Rest des Quali-Laufs eine Spazierfahrt für Hamilton. Mit einem enormen Vorsprung von 2,2 Sekunden auf Nico Rosberg überquerte er die Ziellinie als Sieger. Sein erster richtiger Erfolg in den Straßen von Macau.

Rosberg selbst - rückblickend ein Vorgeschmack auf seine spätere Herangehensweise im WM-Jahr 2016 - begnügte sich mit dem zweiten Platz. Wohl wissend, dass die zweite Startposition in Macau wegen des Windschattens ein Vorteil sein kann. Den brauchte Rosberg im Hauptrennen am Sonntag nicht einmal. Pole-Setter Hamilton kam nicht gut vom Fleck, Rosberg sicherte sich noch in der ersten Runde die Führung.

Hamilton und Rosberg: Macau-Crash 2004: (00:51 Min.)

Hamilton und Rosberg crashen

Dann das große Drama in der zweiten Rennrunde. Beim Anbremsen auf die Lisboa-Kurve verpasste Rosberg das richtige Timing und schlug in die Streckenbegrenzung ein. Der Folgende Hamilton konnte bei hohem Tempo nicht rechtzeitig reagieren und erwischte das Heck von Rosbergs Rennwagen. Während für den Deutschen vorzeitig Feierabend war, konnte Hamilton die Fahrt fortsetzen. Nach einem weiteren Mauereinschlag war am Ende nicht mehr als ein enttäuschender 14. Platz drin.

Das Rennen gewann der Franzose Alexandre Premat vor Hamiltons Teamkollege Kubica und dem Brasilianer Lucas Di Grassi. Hamilton ging erneut leer aus, auch, wenn er der Öffentlichkeit ein weiteres Mal zeigen konnte, wie viel Talent in ihm steckt. Nach den beiden Macau-Rückschlägen trat er 2015 zu seinem zweiten Jahr in der Formel 3 Euro Serie an. Mit 15 Siegen in 20 Rennen gewann er die Meisterschaft absolut überlegen, zudem verbuchte er den Sieg beim Formel 3 Masters in Zandvoort.

Rosberg und Hamilton beim Gruppenfoto. Damals waren sie noch gute Freunde, Foto: Sutton
Rosberg und Hamilton beim Gruppenfoto. Damals waren sie noch gute Freunde, Foto: Sutton

McLaren verwehrt Macau-Rückkehr

Spätestens zu diesem Zeitpunkt war klar, dass sein Weg über kurz oder lang in die Formel 1 führen würde. Im Dezember jenen Jahres erhielt er erstmals einen Vorgeschmack auf die Königsklasse und durfte einen McLaren-Boliden in Silverstone testen. Doch ausgerechnet diese von Ziehvater Ron Dennis gegebene Möglichkeit untersagte es Hamilton, ein weiteres Mal nach Macau zurückzukehren und dort sein begonnenes Werk zu vollrichten.

Zwar wollte Hamilton 2005 zum dritten Mal nacheinander beim F3-Weltfinale in Macau starten, doch McLaren verbot es ihm. "Natürlich wäre ich gern wieder gefahren", sagte Hamilton damals. "Wir haben die Situation mit McLaren besprochen. Sie haben uns dazu geraten, Macau auszulassen und sich stattdessen auf die Saison 2006 zu konzentrieren." So sehr die Absage damals auch schmerzte - McLaren zu folgen, sollte sich bekanntermaßen als wohl beste Entscheidung in Hamiltons Karriere herausstellen.