"Er nennt sich selbst einen Diktator", sagte Chase Carey der BBC bei seinem Amtsantritt als neuer Formel-1-Zampano über seinen Vorgänger Bernie Ecclestone. "Er hat [die Formel 1] lange Zeit als Ein-Mann-Diktator geführt. Ich finde, dass der Sport eine neue Perspektive braucht."

Ecclestone-Aus: Key Facts

  • Bernie Ecclestone nicht mehr F1-Geschäftsführer
  • Ecclestone wird jetzt Ehrenpräsident
  • Bernie: "Ich führe diesen Titel ohne zu wissen, was er bedeutet."
  • Ross Brawns Rückkehr perfekt
  • Brawn verantwortlich für Sportliches, Sean Bratches für Kommerzielles
  • Liberty Media bestätigt erfolgreiche F1-Übernahme

Motorsport-Magazin.com erklärt, welche Themen Carey gemeinsam mit Ross Brawn und Sean Bratches angreifen will und was sich dadurch für Fans, Fahrer, Teams, Streckenbetreiber, Medien und die Formel 1 als Ganzes ändern könnte.

Was ändert sich für...

... die Fans?

Liberty Media, die neuen Besitzer der Formel 1, betonen, dass die Fans im Fokus stehen sollen und nicht die Bedürfnisse großer Automobilhersteller. Für die Fans soll die Formel 1 wieder großartig werden, spannende Rennen und mehr Kontakt zu den Fahrern bieten. Zudem sollen Fans auf anderen Kanälen angesprochen werden - Thema Social Media, in dem Ecclestone kein Potential sah. Auch die Werbung in den nahe der Rennstrecke gelegenen Städten soll verstärkt werden anstatt darauf zu setzen, dass sich die Formel 1 von selbst vermarktet.

"Es gibt natürlich verschiedene Arten von Fans und da wird es kompliziert", meinte Brawn im Interview mit BBC 5 Live. "Es gibt Fans, die zu den Rennen kommen, es gibt Fans, die fernsehen, es gibt Fans, die über andere Medien schauen. Es geht darum, eine Balance zwischen all diesen Anforderungen zu finden."

Zak Brown, McLaren-CEO und Nachfolger von Ron Dennis, ist davon überzeugt, dass Liberty Media verstanden hat, dass es um die Fans geht. "Die Wörter 'Liberty' und 'Media' geben einen Hinweis. Ich erwarte, dass die Art und Weise, in der die Formel 1 betrieben wird, in den nächsten zehn Jahren freier und Fan-freundlicher sein wird", sagte er gegenüber Autosport. "Daher können wir erwarten, dass neue Generationen von Formel-1-Anhängern angeworben und begeistert sein werden von der proaktiven Verwendung von digitalen und sozialen Medien, Games und so weiter."

... die Fahrer?

Carey versicherte nach seinem Amtsantritt, dass Sicherheit entscheidend ist. "Wir haben die Verantwortung, den Sport so sicher wie möglich zu machen, ohne ihn zu untergraben", erklärte er gegenüber der BBC. "Jeder, der mir sagt, dass das per Definition nicht gefährlich und respekteinflößend ist, war noch nie bei einem dieser Rennen." Halo oder eine andere Form des Kopfschutzes könnte also durchaus ein Thema sein, das die neuen Besitzer vorantreiben werden.

... die Teams?

Die neuen Besitzer der Formel 1 wollen die Teams an Entscheidungen beteiligen und mit ihnen an einem Strang ziehen. Dafür sollen auch die Entscheidungsprozesse, die laut Carey nicht effektiv genug sind, verbessert werden. Ein wichtiges, aber heikles Thema ist die Preisgeldverteilung, die Carey fairer gestalten will. Das bedeutet, dass Ferrari, Mercedes, Red Bull, McLaren und Williams ihre Bonuszahlungen verlieren könnten.

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Eine weitere finanzielle Veränderung ist für die Teams durch den Kauf von Aktien der neuen Besitzergesellschaft möglich. Etwa 19 Millionen Aktien zu einem Stückpreis von 21,26 US-Dollar hat Liberty Media für die Teams reserviert. Sollten diese nicht innerhalb der nächsten sechs Monate zuschlagen, werden die Aktien jedoch zurückgezogen. Laut der BBC haben die Teams noch nicht zugesagt, aber die Verhandlungen gehen weiter.

... die Streckenbetreiber?

Carey stellte gegenüber der BBC klar, dass die Basis der Königsklasse in Westeuropa liegt und er diesen Markt vergrößern will. Er wünscht sich eine gesunde Beziehung zu den Promotoren und will sie wie Partner behandeln. Auch Brawn betrachtet die Tradition als Herz der Formel 1. Neue Strecken seien zwar aufregend und brächten ein neues Element in die Formel 1, doch für den Wert der Serie müsse man die Tradition aufrechterhalten.

Bei aller Tradition soll aber auch der US-Markt ausgebaut werden. Carey schweben Rennen in Städten wie New York, Los Angeles, Miami oder Las Vegas vor. Zudem soll die Formel 1 insofern einen US-amerikanischen Anstrich bekommen, als die Rennwochenenden große Events werden sollen - vergleichbar mit dem Super Bowl. Musik und Rahmenprogramm sollen eine größere Rolle spielen und die ganze Stadt mit einbeziehen.

... die Medien?

Carey sieht Potential bei den TV-Rechten, auch ohne die Formel 1 mehrheitlich ins Pay-TV zu verschieben und zu riskieren, dass weitere Zuschauer abspringen. Zudem will er anders als sein Vorgänger Ecclestone die digitalen Medien erobern, sprich die Formel 1 auch über Kanäle im Internet übertragen.

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... alle?

Das Trio Carey, Brawn und Bratches verfolgt eine neue Philosophie. Die Formel 1 soll respektieren, was sie groß gemacht hat, gleichzeitig aber auch ein Gespür für Innovation haben. "In vielerlei Hinsicht hat der Sport - einfach ausgedrückt - zu oft 'nein' gesagt und wir müssen anfangen 'ja' zu sagen", stellte Carey gegenüber der BBC klar.

Auch Brawn forderte ein Umdenken in der Königsklasse. "Ich habe das Gefühl und weiß aus Erfahrung, dass die Formel 1 dazu neigt, reaktiv zu handeln. Es gibt ein Problem, man reagiert und versucht eine Lösung zu finden. Aber die Formel 1 hat sehr selten die Vision, drei bis fünf Jahre nach vorne zu blicken und zu entscheiden, wo sie stehen will", erläuterte er.

Brawn will die Königsklasse außerdem verständlicher machen. "Ich habe die Formel 1 in den letzten Jahren als Zuschauer verfolgt und es gab Zeiten, in denen sogar ich nicht sicher war, was im Rennen passiert", sagte das einstige Superhirn von Ferrari.

Um die Königsklasse wieder attraktiver zu machen, werden die neuen Besitzer unter anderem der Frage auf den Grund gehen, was die Formel 1 sein soll: Eine Show? Ein Technologie-Wettstreit? Ein Innovationsrennen für den Straßenverkehr? Eine Antwort ist erst in den nächsten Jahren zu erwarten, denn die neuen Besitzer brauchen ihre Zeit, um die Formel 1 in Gänze zu verstehen. Schnellschüsse sind sicherlich nicht das, womit sie eine neue Ära einleiten wollen.