Einst erklangen sie an nahezu jedem zweitem Sonntagnachmittag, mittlerweile sind sie praktisch verstummt. Die Rede ist von den Kirchenglocken von Maranello, die immer dann läuten, wenn Ferrari einen Formel-1-Grand-Prix gewinnt. War die Scuderia zu Michael Schumachers Zeiten noch Seriensieger und fuhr die Konkurrenz in Grund und Boden, sind Erfolge in der jüngeren Vergangenheit rar geworden.

Sebastian Vettel bescherte Ferrari drei Siege, Foto: Sutton
Sebastian Vettel bescherte Ferrari drei Siege, Foto: Sutton

Nur drei von 59 Rennen konnte Ferrari in den vergangenen drei Jahren gewinnen, allesamt Sebastian Vettel in der Saison 2015, was bedeutet, dass die Scuderia zuletzt zwei Mal ohne einen einzigen Erfolg blieb. Gemessen an der Historie und den daraus resultierenden Ansprüchen eine Katastrophe. Ferrari ist nur noch besseres Mittelmaß, und auch in der nächsten Saison unter dem neuen Reglement wird man sich wohl zumindest hinter Mercedes und Red Bull anstellen müssen, glauben die meisten Experten.

Woran liegt es, dass die Roten einfach nicht in Schuss kommen? Formel-1-Boss Bernie Ecclestone, der aufgrund der Popularität der Marke großes Interesse an einem starken Ferrari hat, hat seine ganz eigene Theorie: Zu viele Italiener, zu wenige Ausländer. "Sie sind zurückgekehrt zu einem sehr italienischen Team. Und es funktioniert wie ein italienisches Team", befindet Ecclestone, dass Ferrari zu sehr im eigenen Saft brät.

Viele Italiener am Ruder

Ist es tatsächlich eine Frage der Nationalität? Fakt ist, dass Ferrari nur eines von drei Teams ist, die nicht in Großbritannien beheimatet sind. Neben der Scuderia in Maranello ist auch Toro Rosso im italienischen Faenza ansässig, dazu kommt das Schweizer Team Sauber in Hinwil. Alle anderen Rennställe haben ihre Werke auf der Insel.

Dieser geographische Sachverhalt bringt mit sich, dass es zuweilen durchaus schwierig sein kann, Mitglieder anderer Teams abzuwerben, für die (und deren Familien) ein Umzug nach Festlandeuropa unumgänglich ist, unterschreiben sie bei Ferrari.

Präsident Sergio Marchionne und Teamchef Maurizio Arrivabene, Foto: Ferrari
Präsident Sergio Marchionne und Teamchef Maurizio Arrivabene, Foto: Ferrari

Mit Präsident Sergio Marchionne, Teamchef Maurizio Arrivabene und Chefdesigner Simone Resta sind momentan tatsächlich drei Italiener in leitender Position, hinzukommt der Schweizer Mattia Binotto, der vergangenen Sommer den Briten James Allison als Technikdirektor ablöste. Sie alle zeichnen für den sieglosen Ferrari SF16-H verantwortlich.

Den letzten großen Umbruch bei Ferrari gab es im Winter 2015. Nach der sieglosen Saison, die die Teamchefs Stefano Domenicali und Marco Mattiacci zu verantworten hatten, wurde Maurizio Arrivabene engagiert, der eine ganze Heerschar neuer Techniker einsetzte.

Im Cockpit schwang Sebastian Vettel neu das Zepter, und an der Spitze des Ferrari-Konzerns folgte Sergio Marchionne auf Luca di Montezemolo. Der frische Wind fruchtete, 2015 musste sich die Scuderia nur Mercedes geschlagen geben, nachdem man 2014 nicht über Rang vier hinausgekommen war. Nachhaltig waren diese Erfolge jedoch nicht, wie mittlerweile bekannt ist.

Die Ferrari-Führung im Wandel der Zeit

SaisonPräsidentTeamchefTech. DirektorChefdesigner
1996L. di Montezemolo (ITA)J. Todt (FRA)G. Ascanelli (ITA)/P. Martinelli (ITA)J. Barnard (GBR)
1997L. di Montezemolo (ITA)J. Todt (FRA)R. Brawn (GBR)R. Byrne (RSA)
2004L. di Montezemolo (ITA)J. Todt (FRA)R. Brawn (GBR)R. Byrne (RSA)
2014L. di Montezemolo (ITA)S. Domenicali (ITA)/M. Mattiacci (ITA)J.Allison (GBR)N. Tombazis (GRE)
2016S. Marchionne (ITA)M. Arrivabene (ITA)J. Allison (GBR) / M. Binotto (SUI)S. Resta (ITA)

Erfolge unter Todt, Brawn und Byrne

Um zu eruieren, ob Ferrari zu viele Italiener beschäftigt, bietet sich ein Vergleich mit den Jahren an, als Michael Schumacher seine größten Erfolge feierte. 2004 wurde der Kerpener zum siebten und letzten Weltmeister, und Ferrari gewann 15 von 18 Saisonrennen. Ein Blick in die Führungsetage dieser Zeit offenbart, dass alle wichtigen Positionen von Ausländern besetzt waren. Die Position des Teamchefs hatte Jean Todt inne, Technischer Direktor war Ross Brawn, und die Funktion des Chefdesigners übte der Südafrikaner Rory Byrne aus.

Diese Struktur hatte bereits seit vielen Jahren Bestand und war folglich blind eingespielt. Auch 1996, als Schumacher von Benetton zu Ferrari wechselte, war Jean Todt, heute seines Zeichens FIA-Präsident, schon Teamchef bei Ferrari, und ein Jahr nach Schumacher folgte Ross Brawn Ferraris Ruf, wechselte nach Maranello und löste die Italiener Giorgio Ascanelli und Paolo Martinelli als Technikchef ab. Ihm gleich tat es Rory Byrne, der 1997 auf Chefdesigner John Barnard folgte.

Schumacher, Todt, Brawn und Byrne bürgten bei Ferrari für Erfolg, Foto: Sutton
Schumacher, Todt, Brawn und Byrne bürgten bei Ferrari für Erfolg, Foto: Sutton

Das Quartett Schumacher/Todt/Brawn/Byrne prägte über Jahre die erfolgreichste Ära, die Ferrari jemals erlebte, ohne dass einer von ihnen einen italienischen Pass sein Eigen nannte. Lediglich Präsident Luca di Montezemolo war Italiener, hatte mit dem operativen Tagesgeschäft jedoch nur bedingt zu tun.

Ob Ferraris jüngster Niedergang vorrangig auf die italienische Staatsangehörigkeit der leitenden Personen zurückzuführen ist, lässt sich zwar nicht abschließend beantworten, ist aber tendentiell zu bejahen. Derzeit gibt es kaum einen Italiener in der Formel 1, der an die Genialität eines Ross Brawn oder Jean Todt heranreicht, aber auch Leute wie Adrian Newey (Red Bull) oder Paddy Lowe (Mercedes) weiß Ferrari nicht in seinen Reihen. Es mangelt folglich an der Kompetenz.

Einzig Aldo Costa, italienischer Ingenieursdirektor bei Mercedes, spielt wohl annährend in dieser Liga, eine Rückkehr nach Maranello ist nach der Trennung von Ferrari im Jahr 2011 jedoch unwahrscheinlich. Mit dem aktuellen Personal ist es jedenfalls nur schwer vorstellbar, dass Ferrari nächste Saison zum engsten Favoritenkreis zählt. Vor allem das Chassis ist eine der großen Schwächen und fällt gegenüber der Konkurrenz stark ab. Mit Loïc Bigois und David Sanchez sind übrigens zwei Franzosen Chefaerodynamiker des Teams und arbeiten unter Chefdesigner Simone Resta.

Ferrari-Präsentation im Jahr 2001, Foto: Sutton
Ferrari-Präsentation im Jahr 2001, Foto: Sutton

Italienische Nachwuchskrise

Keinen Vorwurf kann man Ferrari bezüglich einer vermeintlich zu italienischen Fahrerwahl machen, denn seit 1950 gab es überhaupt nur acht Italiener, die für die Scuderia Rennen gewannen, der letzte von ihnen war Michele Alboreto im Jahr 1985. Ferraris letzter italienischer Stammpilot war 1992 Ivan Capelli.

Anhand dieser Zahlen wird vor allem eines deutlich, nämlich, dass es um die Ausbildung italienischer Rennfahrer nicht zum Besten steht - schon seit einigen Jahren hat kein junger Italiener mehr den Sprung in die Formel 1 geschafft. Ein Umstand, der sich auch auf die Funktionärsebene umlegen lässt.