Breitere Reifen, breitere Autos und geschätzte 1000 PS: Die Formel 1 2017 klingt nach Action wie schon lange nicht mehr. Etwa drei Sekunden pro Runde sollen die Boliden im Vergleich zum Vorjahr schneller sein - das verspricht Rundenrekorde. Die Autos sollen wieder ähnlich extrem sein wie zu Hochzeiten der Aerodynamik-Entwicklung um das Jahr 2004 herum. Doch die technischen Änderungen bringen auch einen schwerwiegenden Nachteil mit sich: Das Gewicht der Autos steigt auf mindestens 722 kg an, wobei die neuen Reifendimensionen hierbei noch nicht berücksichtigt sind. Das sind über 200 kg mehr als noch im Jahr 1987 - der ersten Turbo-Ära der Formel 1. Und nicht nur das: Die Königsklasse bringt auch erstmals mehr Gewicht auf die Waage, als die amerikanischen IndyCars.

Eines muss man den Hybrid-Boliden lassen. In Sachen Leistung lassen sie bei Piloten und Fans keinerlei Wünsche offen. Die Top-Speeds sind sie mittlerweile auf dem Level der V10-Raketen des letzten Jahrzehnts - wenn auch mit Hilfe von DRS. In der vergangenen Saison waren die Rundenzeiten im Qualifying mehrmals auf dem Niveau der Downforce-Monster von vor etwa zehn Jahren. In Bahrain unterbot Lewis Hamilton den bisherigen Pole-Rekord, aufgestellt von Fernando Alonso in der Saison 2005, um mehr als drei Zehntelsekunden. Dennoch beschweren sich die Piloten darüber, dass die Boliden ihnen nicht mehr den Schweiß auf die Stirn treiben.

"Als ich in die Formel 1 gekommen bin, haben die Autos 600 kg gewogen. Jetzt sind sie 100 kg schwerer", so Hamilton, dem das Gewicht der Boliden trotz der schnellen Rundenzeiten ein Dorn im Auge ist: "Es macht einen großen, großen Unterschied. Mit 600 kg waren die Autos großartig, sie waren richtig flink. Heute sind die Autos einfach super schwer. " Ganz ähnlich lautete die Kritik von Fernando Alonso. Der Spanier, der 2001 sein Formel-1-Debüt gab, fühlt sich angesichts der übergewichtigen Boliden nicht mehr ausreichend gefordert. "Früher brauchtest du nach zehn Runden eine zweistündige Massage. Jetzt kannst du 150 Runden fahren und dir läuft hinterher kaum der Schweiß", so der zweimalige Weltmeister.

Während die Fahrzeuge im Qualifying-Trimm trotz des hohen Gewichts schon auf Rekordniveau unterwegs sind, stören sich die Fahrer mehr an der Rennperformance. Ein entscheidender Faktor ist die Tatsache, dass die Formel-1-Boliden seit 2010 während des Rennens nicht mehr betankt werden dürfen. Zu Beginn des Rennens sind die Autos mit ihrem 100 kg Benzin fassenden Tanks damit erheblich schwerer als zu der Zeit, auf die Hamilton, Alonso & Co. voller Wehmut zurückblicken. "Im Rennen sind wir neun Sekunden langsamer, denn wir haben so viel Sprit dabei und die Reifen haben nicht mehr so viel Grip. Diese Rundenzeiten sind inakzeptabel für ein Formel-1-Auto", schimpfte Alonso.

Hamilton sehnt sich nach den Boliden seiner Anfangsjahre zurück, Foto: Sutton
Hamilton sehnt sich nach den Boliden seiner Anfangsjahre zurück, Foto: Sutton

Schwerer als je zuvor

Mit 722 kg werden die Formel-1-Boliden 2017 schwerer sein als je zuvor. Selbst die aktuellen IndyCar bringen mit 714 kg in der Rennstrecken-Konfiguration (701 kg in der Oval-Konfiguration) weniger Gewicht auf die Waage. In den vergangenen Jahren hat in erster Linie die Hybrid-Technik dafür gesorgt, dass das Gewicht der in der Formel 1 durch die Decke geschossen ist. Das Mindestgewicht für die V8-Saugmotoren mit 2,4 Litern Hubraum betrug einst 95 kg. Auch die 3 Liter V10-Motoren, die Ende 2005 von den V8-Aggregaten abgelöst wurden, wogen kaum mehr als 90 kg. Die Seit 2014 eingesetzten Power Units bringen 145 kg auf die Waage. Von 2013 auf 2014 stieg das Fahrzeuggewicht dadurch von 642 kg auf 691 kg an. Zuvor war das Gewicht auch unter Verwendung der V8-Sauger aufgrund des KERS-Systems bereits auf die genannten 642 kg angestiegen, nachdem die Boliden über 20 Jahre konstant bei 600 kg lagen.

*Das Mindestgewicht wird seit 1995 inkl. Fahrer festgelegt

JoJo-Effekt per Reglement

Eingeführt wurde das Mindestgewicht ursprünglich mit der Saison 1961. Damals durften die Boliden 450 kg auf die Waage bringen. Mit der Zeit wuchsen die Hubräume der Motoren, die Reifen wurden größer und die Aerodynamik erhielt Einzug in den Motorsport. 1966 wogen die Autos erstmals 500 kg. Durch die stetig wachsenden Bodyworks der Autos stieg das Gewicht bis 1981 auf 585 kg an. Erst danach hielten Karbon-Werkstoffe Einzug in den Motorsport, wodurch das Gewicht wieder sank. 1983 wurde für die Turbo-Boliden eine Gewichtsuntergrenze von 540 kg festgelegt.

Ab Mitte der 1990er Jahre wurde das Mindestgewicht inklusive Fahrer festgelegt, Foto: Sutton
Ab Mitte der 1990er Jahre wurde das Mindestgewicht inklusive Fahrer festgelegt, Foto: Sutton

In den Jahren 1987 und 1988 versuchten die Regelhüter, den hoffnungslos unterlegenen Saugmotoren im Kampf gegen die Turbos unter die Arme zu greifen. In diesem Zuge wurde für die Sauger ein Mindestgewicht von 500 kg festgelegt, während die Turbos weiterhin bei 540 kg hielten. Nach der Verbannung der Turbos für die Saison 1989, wogen die Boliden bis 1994 500 kg. Ab 1995 wurde erstmals das Gewicht des Fahrers miteinkalkuliert, wodurch das Gewicht auf 595 kg angehoben wurde. Dieser Richtwert sollte für viele Jahre Gültigkeit haben, denn die Königsklasse bewegte sich bis 2008 immer im Bereich von etwa 600 kg - doch dann kamen die KERS-Batterien und die Hybrid-Aggregate.