Der Start der Formel-1-Saison 2017 wird von der Motorsport-Welt fieberhaft herbeigesehnt. Fahrer sowie Fans freuen sich angesichts der neuen technischen Vorgaben auf wohlproportionierte, aggressiver aussehende und vor allem auch schnellere Boliden. Doch die Fahrzeuge, die in Sachen Performance an die Downforce-Monster des letzten Jahrzehnts heranreichen sollen, bringen auch Gefahren mit sich. An sämtlichen Austragungsorten müssen die Organisatoren Anpassungen vornehmen, damit das Sicherheitsniveau den Geschossen des Jahrgangs 2017 gewachsen ist.

"Jedes Team wurde darum gebeten, uns Simulationen ihrer 2017er Autos zukommen zu lassen", so Laurent Mekies auf der Autosport International Show. Der stellvertretende Renndirektor der Königsklasse und die Rennstreckenbetreiber wollen in Sachen Sicherheit an den Austragungsorten nichts dem Zufall überlassen. "Wir haben jede einzelne Rennstrecke mit dem 2017er Auto simuliert", fügt der Franzose an.

Die Resultate der Simulationen bestätigen laut Mekies, worauf mit dem neuen Reglement abgezielt wurde: "Es gab viel höhere Kurvengeschwindigkeiten. Das Auto ist in den Highspeed-Kurven bis zu 40 km/h schneller." Auf Basis dieser Daten, erhalten sämtliche Rennstrecken von der FIA die neuen Anforderungen an die Sicherheitsvorkehrungen. "Das ist ein fortlaufender Prozess. Wir machen das in der Reihenfolge des Rennkalenders", so Mekies weiter.

Die F1-Boliden sollen 2017 deutlich höhere Kurvengeschwindigkeiten erreichen, Foto: Red Bull
Die F1-Boliden sollen 2017 deutlich höhere Kurvengeschwindigkeiten erreichen, Foto: Red Bull

Melbourne schon für Australien-GP gerüstet

Als Austragungsort für den Saisonauftakt wurde Melbourne zuerst in die Pflicht genommen. Laut den Simulationen werden hier die Kurvengeschwindigkeiten in mittelschnellen bis schnellen Passagen auf 20 bis 50 km/h ansteigen. Die Bremspunkte wandern um 20 bis 30 Meter nach hinten und die Rundenzeiten sollen zwischen drei und vier Sekunden schneller sein. Als Konsequenz dieser Zahlen, wurden in den Kurven 1, 6 und 14 die Reifenstapel angepasst. In Kurve 12 wurde zudem in Tecpro-Barrieren investiert.

"Wir haben all die von der FIA erhaltenen Informationen umgesetzt und die Reifenstapel an einigen Stellen neu angeordnet, sowie für über 100.000 australische Dollar Tecpro-Barrieren in Kurve 12 installiert", so Craig Moca, der für die Infrastruktur des Kurses im Albert Park zuständig ist. Die über 80 Meter lange Streckenbegrenzung befindet sich am Ausgang der Kurvenkombination 11/12, wo die Autos 2017 bis zu 230 km/h schnell sein sollen. Sollte ein Fahrer hier von der Strecke abkommen, würde der Einschlag bei etwa 130 km/h stattfinden.

In Kurve 1 und 6 wurden die Reifenstapel verdoppelt. Am meisten Hand angelegt wurde in Kurve 14, wo die Reifenstapel von drei auf sechs Reihen erweitert wurden. "Das ist ein großer Schritt für uns als Oldschool-Rennstrecke. Aber die Tecpro-barrieren sind extrem kostspielig, weswegen wir nach Möglichkeit weiter auf Reifenstapel setzen werden", fügt Moca an. Dass man in Melbourne in der Vergangenheit bei der Sicherheit schon vieles richtig gemacht hat, zeigte 2016 der Horror-Unfall von Fernando Alonso in Kurve 3. Und genau dieser war es, der bei den zuletzt angestellten Nachforschungen für den Halo-Cockpitschutz als Fallbeispiel genutzt wurde.

FIA simuliert Alonsos Melbourne-Crash für Halo-Entwicklung

"Wir haben uns insbesondere diesen Unfall für die Halo-Untersuchungen angeschaut", sagt Laurent Mekies. Die Frage, wie sich ein Pilot aus einem kopfüber liegengebliebenen Auto mit Halo befreien kann, beschäftigt die Formel-1-Welt schon lange. "Die Antwort besteht aus zwei Teilen", so Mekies. Zunächst ginge es dabei gar nicht um den Fahrer selbst, wie der Franzose erläutert.

"Der erste Teil besteht aus dem Standard-Ablauf, welcher besagt, dass die Streckenposten das Auto wieder auf die richtige Seite drehen sollen." Etwas, worauf ein verunfallter Pilot in seinem Wrack nicht unbedingt warten möchte. "Wir verstehen, dass ein Pilot, der sich gut fühlt, niemals darauf warten wird. Er wird versuchen, auszusteigen", fügt Mekies an.

Doch die Tests der FIA ergaben, dass dem Fahrer durch Halo, in einem Unfall wie ihn Alonso 2016 hatte, keine Nachteile entstehen. "Wir haben eines unserer Chassis mit Halo auf den Kopf gedreht und Andy Mellor [Berater des Global Institute for Motor Sport Safety] hineingesetzt. Genau wie im Worst-Case-Szenario bei Alonso. Wir haben ihn darum gebeten, genauso wie Fernando auszusteigen, und tatsächlich schaffte er es", beschreibt Mekies den Test.

Alonso entstieg seinem Wrack 2016 aus eigener Kraft, Foto: Sutton
Alonso entstieg seinem Wrack 2016 aus eigener Kraft, Foto: Sutton

Fahrer unbeeindruckt von FIA-Test

Die Schlussfolgerung Mekies' klingt daher nicht nach einem Nachteil für die Piloten: "Wir haben das Gefühl, dass Halo dem Fahrer in diesem Fall sogar etwas mehr Platz verschafft." Den Fahrern, jenen die FIA das Video des Tests vorführte, reichte dieses aber offenbar noch nicht. "Sie waren von dem Tempo, mit dem Andy aus dem Auto geklettert ist, nicht beeindruckt. Aber sie haben auch gefragt, ob sie es selbst einmal probieren dürfen, bevor Halo eingeführt wird. Sie werden dieses Training an einem Punkt bekommen", so Mekies weiter.

Für die FIA sind in Sachen Halo nach der bereits Mitte 2016 angestoßenen Forschungsphase nicht mehr allzu viele Fragen offen, wie Mekies anfügt: "Wir haben das Halo-Projekt so ziemlich abgeschlossen. Zumindest was die Ingenieursarbeit angeht, ist es beendet." Dementsprechend liegt der Ball nun wieder bei Promoter, Teams und Fahrern. "Jetzt wird zwischen den Beteiligten darüber philosophiert, ob es für die Formel 1 und den Formelsport die richtige Lösung ist, oder ob wir etwas anderes versuchen müssen. Für 2018 ist es jedenfalls noch im Rennen", so Mekies abschließend.