Sommer 1998, irgendwo in Italien. Ein 13-jähriger Blondschopf turnt auf seinem Einrad fröhlich durchs Fahrerlager. Das gefiel dem jungen Briten, der am Rande der Kart-Rennstrecke zuschaute. Der kleine Lewis Hamilton wollte unbedingt auch lernen, wie man so ein Einrad bewegen muss.

"Er hat über zwei Stunden gebraucht, um halbwegs auf dem Ding sitzen zu bleiben", erinnerte sich Nico Rosberg viele Jahre später. Nico Rosberg, damals noch der Lehrer. In den folgenden Jahren brachte Hamilton seinem deutschen Weggefährten ebenfalls etwas bei: mit Niederlagen umzugehen.

Immer wieder aufs Neue musste sich Rosberg seinem unendlich talentierten Widersacher geschlagen geben. Zunächst noch halbwegs harmlos im Go-Kart, später in Formel-Nachwuchsserien und schlussendlich im Formel-1-Boliden. Die beiden WM-Niederlagen 2014 und 2015 im Mercedes-Silberpfeil schmerzten. Dann kam 2016, und alles wurde anders. Rosberg gelang das kaum Geglaubte, nach so vielen Jahren und so vielen Anläufen konnte er Hamilton besiegen. Der Rest ist Geschichte.

Es zählten immer nur Siege

Rosberg und Hamilton, es war über Jahrzehnte hinweg das Duell des Wahl-Monegassen aus gutem und weltmeisterlichen Hause gegen das Wunderkind, dem zuerst nichts geschenkt wurde. Während Rosberg im Team des Vaters behutsam seine ersten Schritte im Kart unternahm, ging es für Hamilton schon früh um die Zukunft. Nur durch Siege von Kindesbeinen konnte er die Aufmerksamkeit seines späteren Mentors Ron Dennis wecken.

So unterschiedlich der Werdegang auch war, schon früh zeichnete sich das Talent der beiden ab. Rosberg und Hamilton waren im Kart pfeilschnell - nur war Hamilton meist das Quäntchen schneller unterwegs. "Bereits damals haben wir uns über 20 Runden lang ein tolles Rennen geliefert und uns gegenseitig gefordert, während wir zusammen weit vom Rest des Feldes weggefahren sind", sagte der heute dreifache Weltmeister einmal. "In der letzten Runde habe ich ihn dann noch geknackt."

Zweite Plätze akzeptiert

Rosberg geknackt. Das war schon früh Hamiltons Aufgabe, die er mit Bravour bestand. In den Jahren 2000 und 2001 waren die beiden Teamkollegen im Kart-Team MBM.com, einer Nachwuchsschmiede von Mercedes-Benz und McLaren. In der Formula A fuhren Rosberg und Hamilton in ihrer eigenen Welt, doch Meister wurde der Brite mit maximaler Punkteausbeute. Wenig später wurde Hamilton Kart-Europameister, dann Weltmeister beim großen Finale in Japan. Stets knapp dahinter: Teamkollege Rosberg.

"Nico akzeptierte es, in einem Rennen Zweiter zu werden, aber Lewis wollte immer gewinnen", erinnerte sich ihr früherer Kart-Teamchef Dino Chieasa. "Weil Lewis wusste, dass er der Beste war, wollte er auch immer der Beste sein. Für ihn war es schlimm, Zweiter zu werden. Das hat ihn geärgert, dann hat er sogar geweint."

Rosberg und Hamilton im Jahr 2001, Foto: Sutton
Rosberg und Hamilton im Jahr 2001, Foto: Sutton

Immer wieder Hamilton

Jahre später wurden zwar keine Tränen mehr vergossen, doch am Status quo änderte sich nicht viel. Ende 2003 trafen Rosberg und Hamilton erstmals im Formel-Boliden aufeinander, beim Korea Superprix, einem Kräftemessen der besten Nachwuchspiloten. Im Rennen lief bei beiden nicht viel zusammen, doch die Pole hatte sich zuvor Hamilton gesichert. Schon wieder ein Punktsieg für Hamilton im Kleinkrieg gegen Rosberg.

2004 hatte Rosberg die große Chance für den ersten Triumph über den ewigen Rivalen. Beim Formel-3-Weltfinale in Macau führte er das Hauptrennen an - das Quali-Rennen zuvor hatte Hamilton für sich entschieden - bis er in der Lisboa-Kurve in die Mauer knallte. Direkt dahinter konnte Hamilton nicht ausweichen, es kam zur Kollision. Die nächste vertane Chance für Rosberg, aus Hamiltons Schatten zu treten. Wenig später beim Bahrain Superprix reichte es zum Doppelsieg der beiden - mal wieder mit dem besseren Ende für Hamilton.

Das Schönste: Lewis schlagen

Zwar gelang Rosberg später schneller der Sprung in die große Formel 1, doch die ewigen kleinen Niederlagen gegen Kumpel Hamilton taten weh. Jahre später sagte Rosberg: "Zwischen uns besteht ein besonderer Kampf, seitdem wir als Kinder im Kart gefahren sind. Schon damals wollten wir uns gegenseitig überlegen sein. Für mich ist es schöner, Lewis zu schlagen als jeden anderen." Während Rosberg sich schwer tat mit Williams, ging Hamiltons Stern bei McLaren schon ab dem ersten Formel-1-Rennen auf.

Bezeichnend: Rosberg brauchte drei Saisons für seinen ersten Podestplatz in der Formel 1, zu diesem Zeitpunkt hatte Hamilton schon zehn auf dem Konto. Als sich die beiden erstmals in Melbourne 2008 auf dem Podium trafen, war die gegenseitige Freude groß. Doch wieder einmal ging der Punktsieg an Hamilton, der den Australien Grand Prix auf dem Weg zum ersten WM-Titel gewann.

2007: Rosberg und Hamilton erstmals gemeinsam in der Formel 1, Foto: Sutton
2007: Rosberg und Hamilton erstmals gemeinsam in der Formel 1, Foto: Sutton

19 lange Jahre

Als sich später die gemeinsamen Wege bei Mercedes trafen, sollten Rosberg und Hamilton oft zusammen auf dem Podest stehen. Doch unterm Strich war es Hamilton, der die Nase in den ersten drei gemeinsamen Jahren die Nase vorn hatte. Nie war Rosberg der Titelfavorit. Es war die gleiche Leier wie schon 15 Jahre zuvor. Es sollte tatsächlich schier unendliche 18 Jahre im Motorsport dauern, bis sich Rosberg endlich - ja, endlich - aus Hamiltons übergroßem Schatten befreien konnte.

Wie intensiv der Kampf gegen Hamilton tatsächlich für Rosberg gewesen ist, zeigte sein völlig überraschender Rücktritt nur fünf Tage nach dem WM-Triumph. "Der Kindheitstraum kann schwer wiegen, wenn man ihn unbedingt erreichen möchte", hatte Rosberg noch kurz vor seinem Abschied aus der Formel 1 gesagt. War es am Ende trotz der WM-Niederlage ein letzter kleiner Sieg von Hamilton, Rosberg zum Rücktritt zu bewegen? Unbeteiligt war er jedenfalls nicht.

Jetzt kann Rosberg - das zeigen die Bilder seines Party-Marathons - über das kräftezehrende Duell lachen. Wie in alten Kart-Zeiten, als der Druck so unendlich viel geringer war. Und vielleicht auch wieder einmal gemeinsam mit Hamilton, der vor wenigen Jahren ankündigte: "Wenn wir eines Tages zurücktreten, bin ich mir sicher, dass wir uns zurücklehnen und über diesen ganzen Scheiß, der geschehen ist, lachen werden." Rosberg lacht schon jetzt.