Ferrari erlebte 2016 eine Saison zum vergessen: zum zweiten Mal in drei Saisons holte die Scuderia keinen einzigen Saisonsieg, belegte in der Endabrechnung nur Platz drei bei den Konstrukteuren. Dabei hatte Ferrari Präsident Sergio Marchionne vor der Saison noch selbstbewusst Siege gefordert, schon beim Auftaktrennen in Melbourne hatte er mit dem ersten großen Pokal gerechnet.

Doch der Italo-Kanadier wurde schnell von der Realität eingeholt. Beim traditionellen Ferrari Saionabschluss 'Finali Mondiali', der in diesem Jahr erstmals in den USA abgehalten wurde, analysierte Marchionne die Schwachstellen 2016: "Die eine Sache ist die pure Performance auf der Strecke, die andere Sache die Entwicklungsrate im Vergleich zu den anderen Teams."

"Anfang der Saison 2016 haben wir ein Red Bull gesehen, das nicht wirklich mit Ferrari mithalten konnte. Gegen Ende der Saison wurde Red Bull ein ernstafter Gegner", erinnert sich Marchionne. Tatsächlich hat Ferrari das Entwicklungsrennen gegen Red Bull klar verloren.

Nach acht Rennen hatte Ferrari noch 37 Punkte Vorsprung auf Red Bull. Zum Österreich GP dreht sich das Bild: Nach dem Deutschland GP, dem letzten GP vor der Sommerpause, lag Red Bull das erste Mal vor Ferrari. Von da an wuchs der Rückstand der Scuderia stetig. Aus 37 Punkten Vorsprung wurden am Ende 70 Punkte Rückstand. Ferrari verlor in 13 Rennen mehr als 100 Punkte.

Ferrari und Red Bull kommen Mercedes näher

Interessant dabei: Ferrari verlor nur in Relation zu Red Bull, auf Mercedes holten die Italiener nach der Sommerpause sogar auf. Bis zum Wende-Rennen in Baku fehlten Ferrari durchschnittlich 0,9 Sekunden auf Pole, in den restlichen 13 Rennen genauso viel. Betrachtet man nur die Rennen nach der Sommerpause, schmilzt der Rückstand.

Bei Red Bull allerdings gibt es einen klaren Trend vor und nach Baku. Zuvor fehlten den Bullen im Schnitt 1,2 Sekunden auf Pole, danach nur 0,7 Sekunden. Über die ganze Saison hinweg kommen Ferrari und Red Bull aber auf einen ähnlichen Schnitt.

Ferrari Red Bull
Durchschn. Startposition bis Baku* 4,1 4,8
Durchschn. Startposition nach Baku* 5,2 4,1
Durchschn. Startposition* 4,8 4,4
Quali-Rückstand bis Baku* 0,926 Sekunden 1,163 Sekunden
Quali-Rückstand nach Baku* 0,928 Sekunden 0,735 Sekunden
Quali-Rückstand nach Baku (ohne Monza)* 0,932 Sekunden 0,689 Sekunden
Quali-Rückstand* 0,927 Sekunden 0,882 Sekunden
Punkte bis Baku 177 140
Punkte nach Baku 221 328
Punkte gesamt 398 468

* Extreme Ausschläge gingen nicht in die Statistik mit ein. Gewertet wurden nur Q3-Zeiten

Allerdings verzerrt die große Regeländerung 2017 das Bild. Die Teams haben zu unterschiedlichen Zeitpunkten die Prioritäten zwischen 2016 und 2017 verschoben. Wer früh auf 2017 gesetzt hat, hat 2016 federn lassen müssen - und vermutlich auch umgekehrt.

Im Qualifying-Trimm hatte Red Bull zudem noch immer einen größeren Power-Nachteil als im Rennen. Anfang der Saison musste Ferrari noch vorsichtiger mit dem Quali-Modus agieren, weil die Antriebseinheit noch nicht standfest war. Erst mit den Upgrades konnte Ferrari den Motor am Samstag stärker aufdrehen. Auch nach dem Renault-Upgrade zum Spanien GP hatte Red Bull keinen richtigen Qualifying-Modus zur Verfügung.

"Es lag nicht an der Power Unit, es lag an der Arbeit, die an Aerodynamik und Chassis gemacht wurde", erkennt auch Marchionne. Einige Insider glauben, dass Ferrari bei der Power Unit inzwischen gleichauf mit Mercedes ist. "Wir versuchen, das Problem auszuräumen. Das bedeutet nicht, dass wir die Power Unit nicht als wichtig ansehen, die Arbeit geht an beiden Fronten weiter. Aber das größte Problem, das wir nach 2016 angehen müssen, ist der Rückstand bei der Aerodynamik-Entwicklung."

Kein Siegversprechen: Marchionne wird vorsichtiger

Für die kommende Saison ist der Ferrari-Boss vorsichtiger mit Prognosen und Erwartungen: "Es ist unmöglich, für 2017 Vorhersagen zu machen. Das einzige, das ich garantieren kann ist, dass wir nichts unversucht lassen. Wir bereiten uns für die Entwicklung während der Saison vor, das ist wichtig, um die Konkurrenzfähigkeit von was auch immer im März in Australien auf der Strecke stehen wird, beizubehalten."

Ferrari-Präsident Sergio Marchionne wird vorsichtiger mit seinen Aussagen, Foto: Ferrari
Ferrari-Präsident Sergio Marchionne wird vorsichtiger mit seinen Aussagen, Foto: Ferrari

Die zwei großen Problemfelder - Aerodynamik und Weiterentwicklung während der Saison - könnten im nächsten Jahr noch entscheidender werden. Die neuen Aerodynamik-Regeln werden die Unterschiede zwischen den Teams auf Chassis-Seite anwachsen lassen, die Weiterentwicklung während der Saison wird im ersten Jahr des neuen Reglements enorm an Bedeutung zugewinnen.

Auch wenn die Entwicklung während des Jahres fast schon eine traditionelle Schwäche war - Felipe Massa schwärmte während seines ersten Williams-Jahres, endlich würden neue Teile Mal funktionieren -, führt Marchionne den Abwärtstrend auf die interne Umstrukturierung zurück: "Der Wechsel im August repräsentiert den Start der Neugründung unseres Sportmanagements. Wir müssen den Jungs Zeit geben."

Technikdirektor James Allison verließ das Team nach dem überraschenden Tod seiner Ehefrau und Differenzen mit der Konzernspitze. Ferrari entschied sich mit Mattia Binotto für eine interne Lösung. Marchionne stellt sich noch immer hinter diese Lösung: "Sie arbeiten sehr gut und wir werden sehen, was sie uns bringen, aber ich glaube an diese Lösung. Ich habe allergrößtes Vertrauen in Mattia. Das Vertrauen stützt sich darauf, was er in seiner Karriere bereits mit Ferrari geschafft hat und was er nun mit dem technischen Management macht."