Die Silly Season war so gut wie gelaufen: Ein Cockpit bei Sauber und zwei bei Manor standen für 2017 noch zur Vergabe. Doch dann änderte ein Mann alles: Nico Rosberg räumt mit seinem Rücktritt aus der Königsklasse das wohl mit Abstand begehrteste aller Formel-1-Cockpits. Zweifelsohne wird diese Nachricht den einen oder anderen Piloten dazu veranlassen, seine derzeitige Vertragssituation einer ganz genauen Überprüfung zu unterziehen.

Wolff & Lauda brauchen Zeit, Ecclestone wünscht sich Alonso

Die Mercedes-Teamführung rund um Toto Wolff und Niki Lauda steht indessen vor der schwierigen Aufgabe, einen adäquaten Ersatz für ihren Weltmeister zu finden. "Wir sind überrascht und müssen jetzt analysieren, wer in dieses Top-Auto am besten passt. Das muss wohl überlegt sein", so Lauda. Wolffs Prioritäten ließen ihm angesichts des überraschenden Rücktritts noch keine Zeit, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen: "Das erste auf unserer Agenda war, Nico die Möglichkeit zu geben, seinen Rücktritt selbst zu verkünden. Jetzt werden wir uns alle Optionen ansehen. Aber es wird hart. Wir müssen uns jetzt alles genau ansehen."

Allzu viel Zeit soll allerdings nicht verstreichen, bis sich die Chefetage der Fahrerfrage annimmt. "Wir stecken am Montag in Brackley die Köpfe mit den Ingenieuren zusammen und finden dann hoffentlich jemanden, der in diese großen Fußstapfen treten kann. Das wird ein rational strukturierter Prozess", fügt Wolff an. Lauda stellt zumindest in Aussicht, dass eine Entscheidung in absehbarer Zeit getroffen wird: "Wir werden vor Weihnachten entscheiden und müssen jetzt nachdenken."

Bernie Ecclestone brauchte trotz der Schock-Nachricht von Rosbergs Rücktritt nicht lange, um sich auf Fernando Alonso als Nachfolger für den Deutschen festzulegen. "Ich denke, das ist möglich. Sie haben bei McLaren jetzt ein neues Management. Vielleicht hat er die Schnauze vom Team voll und sie von ihm", mutmaßte der Formel-1-Zampano. Einen Wechsel von Sebastian Vettel schließt Ecclestone hingegen aus: "Ich denke nicht, dass Seb an der Seite von Lewis fahren will." Die Gerüchteküche wird in den kommenden Wochen jedenfalls auf höchster Flamme kochen. Aber wer darf wirklich vom Silberpfeil träumen? Wir werfen einen Blick auf die potentiellen Kandidaten.

Pascal Wehrlein - Mercedes' Eigengewächs

Pascal Wehrlein zeigte bei Manor eine starke Debüt-Saison, Foto: Sutton
Pascal Wehrlein zeigte bei Manor eine starke Debüt-Saison, Foto: Sutton

Die naheliegendste Variante trägt den Namen Pascal Wehrlein. Der Mercedes-Junior überzeugte in seiner Debüt-Saison für Manor durchweg mit starken Leistungen. Sein in Österreich errungener Zähler gab seinem Arbeitgeber über viele Monate hinweg zumindest die Chance auf den zehnten Platz in der Konstrukteurswertung. Obendrein gelang dem 22-Jährigen DTM-Champion von 2015 ganze fünf Mal der Sprung ins Q2.

Obwohl er seine beiden Teamkollegen Rio Haryanto und Esteban Ocon über den gesamten Saisonverlauf weitestgehend im Griff hatte und auch nicht durch grobe Anfängerfehler auffiel, steht Wehrlein für 2017 noch ohne Cockpit da. Ohne zahlungskräftige Sponsoren im Rücken, ist er bei den mit Sauber und Manor laufenden Verhandlungen auf die Geschicke von Mercedes angewiesen. Nun könnte sich Rosbergs Rücktritt zur 180-Grad-Wende für den Youngster erweisen.

Für Mercedes ist die Gelegenheit mehr als günstig: Wehrlein stieg 2016 gleich mehrfach für die Silbernen bei Reifentests ins Cockpit und auch dann, wenn Hamilton sich für Testfahrten entschuldigen ließ. Er ist dem Team dadurch sehr gut bekannt und angesichts seiner Vertragslosigkeit ohne zusätzlichen, geschweige denn erhöhten, finanziellen Aufwand verfügbar.

Sergio Perez - Ein Mann für alle Fälle?

Sergio Perez schaffte bei Force India mehrfach den Sprung aufs Podium, Foto: Sutton
Sergio Perez schaffte bei Force India mehrfach den Sprung aufs Podium, Foto: Sutton

Sergio Perez legte 2016 die bis dato wohl beste Formel-1-Saisons seiner Karriere hin. Mit seinem Force India fuhr er 101 Punkte und zwei Podestplätze ein. Lange Zeit war er als Nachfolger von Kimi Räikkönen bei Ferrari im Gespräch, bis dieser die Vertragsverlängerung erhielt. Einen Wechsel zu Renault schlug der Mexikaner aus, und verlängerte stattdessen bei Force India, um sich für 2018 die Ferrari-Tür weiter offen zu halten. Bei Mercedes könnte sich Perez nun eine frühere und, zumindest nach momentanem Stand, bessere Chance auf ein Top-Auto bieten. Der 26-Jährige hat sich im Fahrerlager einen exzellenten Ruf erarbeitet und wäre angesichts seines jungen Alters auch langfristig eine Option und nicht nur eine Übergangslösung.

Eine Auflösung des Force-India-Vertrages scheint, wie Nico Hülkenbergs Renault-Wechsel zeigte, verhältnismäßig unkompliziert. Auch in Sachen Gehalt wäre Perez im Vergleich zu einem Star-Piloten wohl ein wahres Schnäppchen. Gleichzeitig könnte sich mit dieser Variante auch für Wehrlein eine neue Chance eröffnen: Mercedes hätte die Möglichkeit, ihn bei Force India unterzubringen, um ihm ein weiteres Lehrjahr ohne den Druck im Weltmeister-Team zu ermöglichen. Perez käme so zu einer wohlverdienten Chance, während Wehrlein für eine mögliche Zukunft im Top-Team aufgebaut werden kann.

Valtteri Bottas - Williams' Punktegarant

Williams braucht Valtteri Bottas in der Saison 2017 mehr als je zuvor, Foto: Sutton
Williams braucht Valtteri Bottas in der Saison 2017 mehr als je zuvor, Foto: Sutton

Ähnlich wie Perez und Hülkenberg, war auch Valtteri Bottas schon mehrfach im Gespräch für ein Cockpit bei den Top-Teams. Vor allem zu Beginn seiner Karriere, als der Williams noch für Überraschungen gut war, wurde ihm mehrmals eine Zukunft bei Ferrari nachgesagt. Derartige Gerüchte verliefen sich in der vergangenen Saison allerdings im Sande. Mit dem Williams des Jahrgangs 2016 konnte der Finne zudem keine Akzente mehr setzen, womit er mehr oder weniger vom Radar der Top-Teams verschwunden sein dürfte.

Hinzu kommt, dass Williams sich mit Lance Stroll für 2017 einen 18-jährigen Rookie ins Boot geholt hat. Mit seiner langjährigen Team-Zugehörigkeit ist Bottas beim Traditionsrennstall aus Grove mehr oder weniger unverzichtbar. Er ist der Punktegarant des Teams, der für Stroll in dessen Debüt-Saison als Lehrmeister und auch als Messlatte fungieren muss. Dementsprechend unwahrscheinlich scheint es, dass Williams sein bestes Pferd ohne eine horrende Ablösesumme ziehen lässt.

Fernando Alonso - Der ausgehungerte Champion

Fernando Alonso will unbedingt noch einen dritten Weltmeistertitel feiern - notfalls auch mit Mercedes, Foto: Sutton
Fernando Alonso will unbedingt noch einen dritten Weltmeistertitel feiern - notfalls auch mit Mercedes, Foto: Sutton

McLaren-Pilot Fernando Alonso lechzt bereits seit 2006 nach seinem dritten WM-Titel. Drei Mal war er mit McLaren (2007) und Ferrari (2010 & 2012) ganz nah dran. Die Rückkehr zu McLaren in der Saison 2014 brachte Alonso bisher nicht den gewünschten Erfolg: Tatsächlich scheint er vom WM-Titel beinahe so weit entfernt, wie in seiner Debüt-Saison 2001 für Minardi. Aber: Alonso kämpft auf der Rennstrecke nach wie vor um jede einzelne Position wie ein Löwe. Mit seinem Kampfgeist genießt er in den Augen vieler Experten immer noch den Ruf, einer der besten Piloten im Starterfeld zu sein.

Mit mittlerweile 35 Jahren läuft Alonso langsam aber sicher die Zeit davon, um seiner Statistik eine weitere Weltmeisterschaft hinzuzufügen. Bereits mehrfach hatte er durchklingen lassen, für ein Top-Auto samt Aussicht auf den Titel jederzeit bereit zu sein: "Was die Konkurrenzfähigkeit und meine Hoffnungen auf einen dritten Titel angeht, denke ich mir: Entweder fährst du einen Mercedes, oder du fährst in Zukunft einen McLaren Honda." Angesichts seines für 2017 bestehenden Vertrages mit dem anglo-japanischen Team, dürfte sich ein Wechsel zu Mercedes für ihn äußerst schwierig gestalten.

Dem ehrgeizigen Alonso ist allerdings zuzutrauen, dass er dieses Hindernis für eine Chance auf die WM zu überwinden bereit ist. Für Mercedes wäre der zweimalige Weltmeister in mehrerlei Hinsicht ein Gewinn: Einerseits hätten sie mit der Paarung Hamilton/Alonso zwei der weltbesten Piloten in ihren Reihen, und andererseits auch zwei der größten Publikumslieblinge. Für die Silberpfeile dürfte es allerdings zwei nicht unerhebliche Faktoren geben, die gegen eine Verpflichtung sprechen: Erstens ist es unwahrscheinlich, dass McLaren ohne eine hohe Ablösesumme bei diesem Transfer mitspielt, und zweitens hätte das Team damit eine Fahrerkombination, die bereits 2007 bei McLaren für Feuer unterm Dach sorgte.

Sebastian Vettel - Flucht aus Maranello?

Ferrari und Sebastian Vettel haben ihre Mission WM-Titel noch längst nicht beendet, Foto: Sutton
Ferrari und Sebastian Vettel haben ihre Mission WM-Titel noch längst nicht beendet, Foto: Sutton

Mit Nico Rosberg verlässt nicht nur der amtierende Weltmeister, sondern auch Mercedes' deutsches Zugpferd den Rennstall. Im Sommer wurde bereits Deutschlands anderer F1-Star gerüchteweise mit Mercedes in Verbindung gebracht: Sebastian Vettel wurde nachgesagt, die 2016 ins Stottern geratene WM-Offensive von Ferrari vorzeitig für gescheitert erklären zu wollen und den Absprung zu den Silberpfeilen zu versuchen. Vettel verwies derartige Pläne ins Reich der Fabeln.

Für Mercedes wäre Vettel nicht nur kommerziell eine Art Hauptgewinn, sondern auch sportlich. Ähnlich wie bei einer Verpflichtung Alonsos, könnte sich Mercedes mit ihm an Hamiltons Seite einer der stärksten Fahrerpaarungen in der Formel 1 rühmen. Die aktuelle Vertragslage Vettels ist allerdings nicht der einzige Faktor, der gegen eine solche Konstellation spricht. Nach nur zwei Jahren beim Traditionsrennstall aus Maranello, scheint Vettel längst noch nicht so weit zu sein, dieses Projekt unvollendet zu verlassen.

Der viermalige Weltmeister ist auf einer Mission und Ferrari steht voll hinter seinem Star-Piloten. Bei den Italienern ist er zweifelsohne die unangefochtene Nummer eins und bekommt dementsprechend viel Aufmerksamkeit vom Team. Bei Mercedes müsste er sich diese mit Platzhirsch Hamilton teilen. Angesichts seines Status in Maranello, wäre eine Flucht zu Mercedes für die Tifosi obendrein ein Fall von Hochverrat. Vettel schon 2017 bei Mercedes zu sehen, ist daher sehr unwahrscheinlich.

Max Verstappen & Daniel Riccardo - Can't touch this

Ricciardo und Verstappen rechnen sich für 2017 ein Eingreifen in den Titelkampf aus, Foto: Sutton
Ricciardo und Verstappen rechnen sich für 2017 ein Eingreifen in den Titelkampf aus, Foto: Sutton

Red Bull verfügt nach Rosbergs Abgang bei Mercedes momentan vermutlich über die stärkste Fahrerpaarung für die Saison 2017. Doch bereits in der Vergangenheit wurden sowohl Shooting-Star Max Verstappen als auch Shoey-Spezialist Daniel Ricciardo mehrfach mit Mercedes und Ferrari in Verbindung gebracht. Die Teamführung rund um Christian Horner und Dr. Helmut Marko ließ allerdings nie einen Zweifel daran aufkommen, dass der Rennstall mit seinen Piloten mehr als zufrieden und wenig gewillt ist, diese freiwillig zur direkten Konkurrenz überlaufen zu lassen.

Abgesehen davon stammen beide Fahrer aus Red Bulls Förderprogramm und sind allein dadurch wohl mit Verträgen ausgestattet, die einen Teamwechsel alles andere als einfach gestalten. Viele Gründe dafür dürften Ricciardo und Verstappen aber ohnehin nicht haben, war doch Red Bull in der Saison 2016 das einzige Team, das außer Mercedes Rennsiege feiern durfte. Angesichts des neuen Reglements für 2017, rechnen die Verfolger schon seit längerem fest damit, in der kommenden Saison auf Augenhöhe mit den Silberpfeilen zu fahren.