Pro: Rücktritt auf dem Höhepunkt der Karriere

Nico Rosberg ist zurückgetreten - direkt nach seinem ersten Weltmeister-Titel in der Formel 1. Diese Entscheidung kann nur er selbst in Absprache mit seiner Familie treffen. Insofern verbietet sich ernsthafte Kritik daran von vornherein. Natürlich darf man fragen, ob er nicht wenigstens noch seinen bis 2018 laufenden Vertrag mit Mercedes hätte erfüllen können. Andererseits: Was soll jetzt noch kommen? Weltmeister zu werden war immer sein erklärter großer Traum, von Kindesbeinen an. Der ist nun erfüllt.

Nico Rosberg hat jetzt mehr Zeit für seine Familie, Foto: Motorsport-Magazin.com
Nico Rosberg hat jetzt mehr Zeit für seine Familie, Foto: Motorsport-Magazin.com

Natürlich stammt Nico Rosberg aus einem sehr privilegierten Elternhaus und bekam viel Hilfestellung im Laufe seiner Karriere. Allerdings: Auch der Sohn eines Formel-1-Weltmeisters bekommt im Motorsport nichts geschenkt. Auch er musste sich vom Kart über die Formel 3 und die GP2 bis in die Königsklasse hocharbeiten - ein langer und beschwerlicher Weg, der viel Kraft kostet. Die Anstrengungen, Lewis Hamilton als Teamkollegen zu haben, ihn zu schlagen und Weltmeister zu werden, sind da noch gar nicht mitgezählt. Hinzu kommt: Rosberg hat bereits elf Saisons in der Formel 1 hinter sich. Mangelndes Durchhaltevermögen kann man ihm also nicht vorwerfen.

Ein ebenfalls wichtiger Punkt: Nico Rosberg ist jetzt 31 Jahre alt. Er war etwa die Hälfte davon professionell auf Rennstrecken unterwegs. Formel-1-Fahrer fliegen ständig rund um die Welt, zu Rennen, Testfahrten, Sponsoren- und Medienterminen. Seine Frau Vivian und er sind im vergangenen Jahr Eltern geworden. Verständlich, wenn Rosberg seiner Frau und seinem Kind nicht zumuten will, den Mann und Vater derart selten zu sehen. Aber selbst wenn man all diese Argumente nicht nachvollziehen kann: Am Ende gehören sein Leben und seine Karriere nur ihm und er kann damit tun und lassen, was er möchte.

Contra: Rosbergs Angst vor dem Gesichtsverlust

Manche mögen sagen, es hat Stil, als Weltmeister abzutreten, dieser These kann ich im konkreten Fall jedoch nichts abgewinnen. Für mich ist Rosbergs plötzlicher Rücktritt ein Eingeständnis der Schwäche, die nahtlos an seine letzten Rennen anknüpft, in denen er den Weltmeistertitel mit vier zweiten Plätzen nach Hause gezittert hat. Ein Grand Prix mehr, und es wäre wohl Lewis Hamilton Weltmeister geworden - und Rosberg nicht zurückgetreten.

Rosberg hatte gegen Hamilton oftmals das Nachsehen, Foto: Sutton
Rosberg hatte gegen Hamilton oftmals das Nachsehen, Foto: Sutton

Rosberg weiß natürlich, dass die Chance, den Titel 2017 zu verteidigen, verhältnismäßig gering ist. Zwar dürfte Mercedes auch unter dem neuen Reglement das Maß der Dinge sein, wenngleich vielleicht mit etwas geringerem Vorsprung gegenüber der Konkurrenz, dass er aber noch einmal so viel Glück im Kampf gegen Hamilton hat - Stichwort Defektserie beim Briten, der fahrerisch einfach besser ist -, muss bezweifelt werden.

Insofern ist Rosberg wohl bewusst, dass er nur noch verlieren kann, und tritt deshalb am absoluten Höhepunkt seiner Karriere ab, um nächstes Jahr im Duell gegen Hamilton nicht das Gesicht zu verlieren. Das ist schade und unterscheidet ihn meiner Meinung nach von den ganz großen Champions der Szene, die nicht davor zurückgescheut sind, ihre Leistungen zu bestätigen - auch unter womöglich ungünstigeren Rahmenbedingungen.