Bis zum Fallen der Zielflagge stand alles auf dem Spiel. Alles gewinnen oder alles verlieren. Auf Nico Rosberg lastete bis zur letzten Sekunde enormer Druck. Am Ende reichte es, der Mercedes-Pilot sicherte sich in Abu Dhabi seine erste Weltmeisterschaft. Wie sehr Rosberg in den entscheidenden WM-Wochen tatsächlich unter Anspannung stand, verriet er erst nach dem großen Erfolg. Und es wird klar: So cool, wie Rosberg zwischenzeitlich wirkte, war er sicherlich nicht an den Rennwochenenden.

"Der Kopf spielt eine große Rolle im Sport", sagte Rosberg in einem Team-Interview. "Und der Kindheitstraum kann schwer wiegen, wenn man ihn unbedingt erreichen möchte." Druck fährt bei Rennfahrern immer mit im Cockpit, doch bei Rosberg wurde es nach seinem Sieg in Suzuka wirklich haarig. Nach dem Japan-Rennen hatte er 33 Punkte Vorsprung auf Dauerrivale Lewis Hamilton und den WM-Sieg erstmals selbst in der Hand. Es war Rosbergs letzter Sieg in der abgelaufenen Saison, die restlichen vier Grand Prix beendete er jeweils auf dem zweiten Platz - hinter Hamilton, dessen Aufholjagd rückblickend zu spät begann.

Nach Suzuka begann der Druck

"Nach Suzuka begann der Druck so wirklich", räumte Rosberg ein. "Weil die Chance, Weltmeister zu werden und Lewis zu schlagen, real wurde. Natürlich hat das einen Einfluss auf die Performance. Lewis hatte nichts zu verlieren. Es war klar, warum er all die Poles hatte und ich immer Zweiter wurde. Er war frei und ich denke, das war der beste Lewis, den wir jemals gesehen haben. Es war schwer, ihn unter diesen Umständen zu besiegen."

An den letzten Rennwochenenden des Jahres gelang es Rosberg tatsächlich, das Wort 'Weltmeister' zu vermeiden. Auf die schier unendlichen Nachfragen der Medien antwortete er beharrlich, immer auf Sieg zu fahren und ein Rennen nach dem anderen anzugehen. Dass er tatsächlich auch taktisch fuhr, war allerdings kein großes Geheimnis und wurde später auch von Vater Keke Rosberg bestätigt. "Die Medien haben Macht", sagte Rosberg Junior jetzt. "Egal, wie sehr man versucht, davon wegzubleiben - ich musste Fragen beantworten und sie mir anhören. Das ist eine Herausforderung, der Druck baute sich auf."

Eine schreckliche Erfahrung

Dabei wirkte Rosberg in dieser Saison abgeklärt wie nie zuvor. Er ließ sich nicht mehr auf Hamiltons Psychospielchen ein, sondern machte sein eigenes Ding. Rosberg ist am intensiven Duell mit seinem Teamkollegen gereift. Dieser Prozess begann laut Rosberg bereits in der vergangenen Saison beim Albtraum-Rennen in Austin, als er die Meisterschaft vorzeitig verloren hatte.

"Das war eine schreckliche Erfahrung", sagte Rosberg rückblickend. "Danach hatte ich zwei Tage für mich und kam zu dem Schluss, dass ich so etwas nicht noch einmal erleben möchte. Ich bin stolz, dass ich aus schweren Momenten eigentlich immer gestärkt hervorgehe. Danach habe ich sieben Rennen nacheinander gewonnen - das war der Kickstart für diese Saison."

Nach der schmerzhaften Niederlage im vergangenen Jahr habe Rosberg jeden Stein umgedreht und versucht, sich weiter zu verbessern. Das schloss auch die heimische Vorbereitung vor den Rennen mit ein. Rosberg: "Das ist nicht alles öffentlich bekannt, weil ich gern ein paar Erfolgsgeheimnisse für mich behalte. Aber es hat sich wirklich bezahlt gemacht. Dieses Jahr bin ich viel Go-Kart gefahren. Das habe ich in der Vergangenheit nie gemacht. Aber in der Formel 1 fahren wir nicht viel. Das hat mir geholfen, meine Fähigkeiten weiter zu schulen."

Privatleben hat großen Einfluss

Ein zusätzlicher Rückhalt für Rosberg war die Familie, allen voran Ehefrau Vivian und Töchterchen Alaia. Rosberg war überzeugt, dass das Privatleben Einfluss auf seinen sportlichen Erfolg hat. "Das ist nicht voneinander getrennt", erklärte er. "Seit dem letzten Jahr bin ich mit einem Grinsen zur Strecke gereist, weil ich so eine tolle Zeit zuhause hatte. Das macht einen Unterschied und hat mir geholfen, bessere Leistungen abzuliefern."

Seit 2014 ist Rosberg mit seiner langjährigen Lebensgefährtin Vivian verheiratet, im August vergangenen Jahres kam Tochter Alaia zur Welt. Rosbergs Lehre aus diesem Jahr, die er auch in die kommende Saison mitnehmen möchte: "Ich habe gesehen, dass ich auch unter großem Druck fahren kann. Denn solch einen Druck wie in diesem Jahr hatte ich noch nie zuvor gehabt."