Der Große Preis von Abu Dhabi endete so, wie es viele im Vorfeld erwartet hatten. Lewis Hamilton gewann, doch weil Nico Rosberg Zweiter wurde, sicherte sich nicht der Brite seine vierte Weltmeisterschaft, sondern der Deutsche kam zum ersten Mal zu Titelehren. Obwohl sich Rosberg sogar einen dritten Platz hätte leisten können, war das Rennen für den Deutschen über weite Strecken eine Zitterpartie.

Motorsport-Magazin.com zeichnet Rosbergs Nervenschlacht mit Happy End nach und zeigt die Schlüsselpunkte des Rennens aus Sicht des frischgebackenen Champions auf.

Verstappen dreht sich und tanzt aus der Reihe

Rosbergs größte Sorge galt zunächst dem Start. Unbegründet, wie sich nach dem Erlöschen der Ampeln herausstellte, denn es gelang ihm, seinen zweiten Platz hinter Hamilton zu behaupten. Hinter dem Mercedes-Duo wurde es jedoch turbulent. Daniel Ricciardo verlor eine Position an Kimi Räikkönen und fiel auf Rang vier zurück, und Max Verstappen wurde in der ersten Kurve von Sergio Perez gedreht und fand sich sogar am Ende des Feldes wieder. Der Niederländer sollte später im Rennen aber noch eine wichtige Rolle spielen.

Rosberg behauptete Platz zwei , Foto: Sutton
Rosberg behauptete Platz zwei , Foto: Sutton

Mercedes eröffnete bereits in der siebten Runde die erste Serie der Boxenstopps und rief Hamilton zum Reifenwechsel, der von den ultraweichen auf die weichen Pneus ging. Eine Runde später kam auch Rosberg an die Box und folgte dem Beispiel seines Teamkollegen. Gleichzeitig mit den Mercedes-Piloten stoppten allerdings auch die Ferrari-Fahrer Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen, was dazu führte, dass sowohl Hamilton als auch Rosberg länger als geplant stehenbleiben mussten, um kein Unsafe Release zu riskieren. Hamilton verharrte 3,57 Sekunden an der Box, Rosberg sogar 4,72 Sekunden.

Während Hamilton dennoch in Führung blieb, fiel Rosberg hinter Verstappen auf den dritten Platz zurück. Der Red-Bull-Pilot hatte sich nach seinem Startdreher mittlerweile wieder durch das Feld gekämpft, aber noch nicht gestoppt und lag deshalb vor dem WM-Leader. Für Rosberg stellte diese Situation ein veritables Problem dar, da von hinten Räikkönen, Ricciardo und Vettel Druck machten und er Gefahr lief, den für seine Titelambitionen entscheidenden dritten Platz zu verlieren.

Rosbergs entscheidendes Manöver

Zwar spielte Rosberg in die Karten, dass Ricciardo in Runde 19 einen Angriff auf Räikkönen startete, der dem Deutschen etwas Luft verschaffte, trotdem nahm er in Runde 20 sein Schicksal selbst in die Hand und überholte Verstappen, der noch immer nicht gestoppt hatte. Rosberg startete auf der ersten langen Geraden einen Angriff, den Verstappen zunächst parieren konnte. Auf der zweiten Geraden setzte sich Rosberg dann aber vorbei und schaffte es auch, Verstappens Konterattacke abzuwehren. Dabei kamen sich die beiden Piloten gefährlich nahe, eine Kollision lag in der Luft.

"Max Verstappen zu überholen, das war wirklich schlimm. Das war ein schreckliches Gefühl", gab Rosberg nach dem Rennen zu. "Das Gefühl, das ich hatte, nachdem ich Max überholt hatte und wusste, dass ich vorbei war, hatte ich noch nie zuvor gehabt. Ich war am Limit. Ich wollte nicht daran denken, was auf dem Spiel steht - aber es gelang mir nicht, ich musste daran denken." Letztlich war es für Rosberg wohl die entscheidende Szene des Rennens, denn sobald er an Verstappen vorbei war, konnte er sich von seinen Verfolgern lösen und rasch zu Hamilton aufschließen, der seinerseits das Tempo drosselte, um Rosbergs Vorsprung auf die Konkurrenz nicht zu groß werden zu lassen.

Nachdem Verstappen in Folge des Überholmanövers gestoppt hatte, kamen Hamilton und Rosberg in den Runden 28 und 29 zum letzten Reifenwechsel der Saison und zogen erneut die Soft-Mischung auf. Die Führung wechselte daraufhin zu Vettel, der einen langen zweiten Stint fuhr und erst in Runde 37 zum Wechsel kam und Supersoft-Reifen aufziehen ließ. Somit ging es in der Reihenfolge Hamilton vor Rosberg, Verstappen, Ricciardo, Räikkönen und Vettel in die Schlussphase des Rennens.

Vettel macht Mercedes Sorgen

Die bestimmende Figur der letzten Runden der Saison 2016 sollte Sebastian Vettel werden. Ausgestattet mit den schnellsten Reifen der Spitzenpiloten, gelang es ihm schnell, Boden gutzumachen und sich an Räikkönen, Ricciardo und Verstappen vorbei auf Platz drei zu schieben. Gleichzeitig kam Vettel auch Rosberg in Windeseile näher. Betrug sein Rückstand unmittelbar nach dem Boxenstopp noch 16,5 Sekunden, lag er in Runde 51 bereits im DRS-Fenster.

Begünstigt wurde Vettels Aufholjagd freilich von Hamiltons Fahrstil, der deutlich vom Gas ging in der Hoffnung, die Konkurrenz würde Rosberg so vom Podium stoßen und ihm damit den Titel entreißen. Hamilton ging dabei außerordentlich geschickt vor und brachte im ersten Sektor so viel Zeit zwischen sich und Rosberg, dass der Deutsche aus dem DRS-Fenster fiel, und bremste daraufhin wieder ein. Deshalb gelang es Rosberg auch nicht, einen Angriff auf seinen Teamkollegen zu lancieren.

"Er hat Vollgas gegeben von Kurve 21 den ganzen Weg durch den ersten Sektor und halb durch den zweiten Sektor. Dort überholt man. Ich konnte nicht nah genug ran, weil wir das gleiche Auto haben. Durch die schnellen Kurven hatte ich keine Möglichkeit, nahe genug zu kommen", schilderte Rosberg. "Er ist dann im nächsten Teil vom Gas gegangen, wo man nicht überholen kann. Das hat er perfekt gemacht. Keine Chance für mich."

Gar nicht angetan von Hamiltons Fahrstil war der Mercedes-Kommandostand, der den Briten mehrfach vehement dazu aufforderte, das Tempo anzuziehen, wovon dieser freilich absah. "Sebastian war auf viel frischeren Supersofts und an einem bestimmten Punkt sagten unsere Prognosen voraus, dass er im Rennen um den Sieg sein würde", erklärte Motorsportchef Toto Wolff. "Unsere cleveren Leute, die uns mit unseren Strategien viele Rennsiege beschert haben, haben gesagt, dass wir dieses Rennen verlieren werden. Denn selbst wenn Lewis das Tempo anzieht, werden Sebastians Reifen immer noch in einem viel besseren Zustand sein."

Hamilton bremst, Rosberg behauptet Platz zwei

Obwohl Hamilton seinem Stil bis zum für ihn bitteren Ende treu blieb, schaffte es Vettel nicht, Ferrari auf den letzten Drücker doch noch einen Sieg zu bescheren. Der Ferrari-Pilot kam nämlich nicht an Rosberg vorbei, der sich geschickt verteidigte, obwohl er sich sogar den Rückfall auf Platz drei leisten hätte können. Das wurde Rosberg auch mehrfach via Funk mitgeteilt.

Die Schlussphase wurde für Rosberg zur Nervenschlacht, Foto: Sutton
Die Schlussphase wurde für Rosberg zur Nervenschlacht, Foto: Sutton

"Ich bin mir aber nicht sicher, ob Nico sich darüber im Klaren war, dass er einen kleinen Vorsprung auf Verstappen hatte, den er hätte verwalten können", zweifelte Wolff allerdings daran, ob die Botschaft auch wirklich ankam. "Die Nachricht hat er bekommen, aber er hat härter gekämpft, als ich erwartet hätte. Aber das lag vielleicht daran, dass er sich nicht ganz darüber im Klaren war, was hinter ihm los war."

Am Ende gelang es Rosberg, vier Zehntel Vorsprung auf Vettel und 1,2 Sekunden auf Verstappen ins Ziel zu retten und seinen lange gehegten Weltmeistertraum zur Realität zu machen. "Das erste Gefühl über der Ziellinie war wirklich Erleichterung. Da war noch nicht Freude, weil es so hart war", gestand der 31-Jährige. "Dass ich diese Zielflagge sehe, das war schön. Danach kamen mir erstmal die Tränen auf der Auslaufrunde. Das ist so intensiv und auf einmal geht der Druck weg. Das ist unbeschreiblich."