Einige Leute behaupten, Nico Rosberg hätte den Titel nicht verdient, weil er die letzten vier Rennen nur noch als Zweiter ins Ziel gecruist ist.
Alexander Wurz: Diese Leute verdienen es sich nicht, diese Stellungnahme öffentlich abzugeben. Es ist die F1-Weltmeiterschaft, da werden die Punkte zusammengezählt, und er ist sensationell gefahren. Er hat nach Michael Schumachers Comeback immer besser als dieser abgeschnitten. Ich weiß also nicht, warum man noch immer über Talent oder Nicht-Talent redet. Talent wird für mich im Motorsport mit Punkten definiert, da ist Hamilton mit mehreren Weltmeistertiteln natürlich immer noch der bessere, aber Nico hat den WM-Titel zu tausend Prozent verdient.

Was hat er gegenüber dem vergangenen Jahr anders gemacht?
Alexander Wurz: Sich eine Spur mehr auf sich konzentriert und nicht nur Lewis kopiert oder Paroli geboten, sondern er ist mehr seinen eigenen Weg gegangen als in den letzten paar Jahren.

Was sagst du zu Hamiltons Fahrstil in den letzten Runden? War es unfair, langsam zu fahren?
Alexander Wurz: Perfekt, er hat eine Wahnsinnsleistung, gebracht, denn das Rennen so von vorne zu kontrollieren muss man auch erst einmal schaffen. Im ersten Sektor ein Loch aufzufahren, damit er außerhalb von DRS ist und Rosberg dann so zurückzuhalten. Es war eine Meisterleistung, die für das alltägliche Leben vielleicht nicht fair ist, aber im Sport Gang und Gäbe. Das muss man so machen und das hat er perfekt durchgezogen.

Aber er hat die Anweisungen von Mercedes ignoriert.
Alexander Wurz: Das ist auch gerechtfertigt. Er tut nichts anderes als um die Weltmeisterschaft zu fahren und ist der Führende im Rennen. Er hätte eh wegfahren können, wenn Vettel wirklich Nico überholt hätte, und Nico hätte auch ihn überholen können. Unter dem Strich habe ich es von außen nicht ganz verstanden. Intern will man natürlich, dass nichts passiert und beide Piloten heil ins Ziel kommen, und das war eben ein bisschen brenzlig. Aber dass Hamilton die Ansage ignoriert und weiter sein Ding macht, verstehe ich zu 100 Prozent.

Was war dein Highlight der Saison?
Alexander Wurz: Der Brasilien GP, weil man gesehen hat, dass alle Fahrer Nerven und Mut wie aus Stahl haben. Dass manche am Funk sagen, man muss das Rennen abbrechen, hat taktische Gründe. Aber als das Rennen losgegangen ist, hat jeder Vollgas gegeben. Es gab schwere Unfälle und extrem schwere Bedingungen, wo jeder gezeigt hat, dass das Ausnahmetalente und wilde Burschen sind. Das ist beim Zuschauen einfach offensichtlich geworden. Das ist mir als Rennfahrer wichtig, weil auch Leute, die im Fahrerlager arbeiten, glauben, Rennfahrer sind Weicheier geworden, und das ist überhaupt nicht der Fall, auch wenn das von oben herab von Bernie teils durchsickert. Das stimmt ja überhaupt nicht. Es sind ganz harte Kerle, das wurde so schön klar beim Brasilien GP.