Lewis Hamilton machte seine Drohung vom Freitag wahr und sicherte sich im Qualifying für das Saisonfinale 2016 die Bestzeit. Es ist seine insgesamt dritte Pole Position auf dem Yas Marina Circuit - doch viel wichtiger - die erste, seit er in den Farben von Mercedes antritt. In Sachen WM-Kampf herrschen für ihn aber trotzdem trübe Aussichten, denn Teamkollege und WM-Rivale Nico Rosberg wird gleich neben ihm aus der ersten Reihe ins alles entscheidende Rennen gehen.

"Das war bislang ein fantastisches Wochenende", so Hamilton, der in zwei der drei Trainingssessions sowie in allen drei Segmenten der Qualifikation jeweils die schnellste Zeit hinlegte. "Es kommt selten vor, dass man fast jede Session anführt. Deshalb bin ich damit richtig glücklich", fügt der Titelverteidiger an, der am Sonntag zum insgesamt 61. Mal in seiner Karriere von der Pole Position in ein Formel-1-Rennen geht.

Im WM-Kampf gegen Rosberg erfüllte Hamilton mit dieser Leistung abermals seine Pflicht. Angesichts der Ausgangslage vor dem finalen Rennen der Saison, kam für ihn allerdings auch nichts anderes in Frage, wie er selbstbewusst zu Protokoll gab: "Ich habe das gesamte Wochenende über meine Probestarts von der Pole durchgeführt. Ich hatte absolut nicht vor, morgen von einem anderen Platz zu starten."

Auch einen weiteren Nadelstich in Richtung Rosberg konnte sich der Polesitter nach seinem Erfolg vom Samstag nicht verkneifen. "Es gab auch in diesem Qualifying den Moment, wo du normalerweise in einen bestimmten Motor-Modus gehen würdest. Ich hatte angesichts meiner Pace aus dem ersten Run aber das Gefühl und das Selbstvertrauen, dass ich diesen Modus, den Nico nutzte, nicht brauchen würde, um noch schneller zu fahren", unterstreicht Hamilton seine Dominanz.

Hamilton will noch kein Finale

Der Hauptgrund für Hamiltons reichlich selbstbewussten Ansagen, dürften seine zwölf Punkte Rückstand auf Rosberg, sowie die daraus resultierenden, äußert geringen Chancen auf eine erneute Titelverteidigung sein. Wenn es nach dem Brite ginge, der an den letzten drei Rennen 21 Punkte auf Rosberg aufholte, wäre in Abu Dhabi deshalb noch nicht Schluss.

"Es wäre schön für mich, wenn die Saison noch weitergehen würde. Ich fühle mich super fit und bin im Auto sehr entspannt, was zu diesem Zeitpunkt unglaublich ist. Ich könnte jedes Wochenende fahren, wenn ich müsste. Ich habe das in meinen Go-Kart-Zeiten schon getan, ganz einfach aus purer Liebe zum Sport", so Hamilton.

Fakt ist jedoch, dass die Formel-1-Saison 2016 mit dem 21. Rennen in Abu Dhabi enden wird und dem 31-Jährigen damit nur noch ein letzter Grand Prix bleibt, um Rosberg im Titelkampf noch abzufangen. In den vergangenen drei Rennen dominierte Hamilton, während Rosberg hinter ihm als Zweiter über den Zielstrich fuhr. Ein derartiger Ausgang würde Hamilton beim Finale allerdings nur einen abschließenden Rückstand fünf Punkten bescheren und keine vierte Weltmeisterschaft.

Die Szenarien für einen Hamilton-Titel

Lewis Hamilton wird in Abu Dhabi Weltmeister, wenn er...

  • ... gewinnt und Rosberg maximal Vierter wird.
  • ... Zweiter und Rosberg maximal Siebter wird.
  • ... Dritter und Rosberg maximal Neunter wird.

Hamilton muss auf Rosberg-Pech hoffen

Hamilton hat sich für das entscheidende Rennen bisher offenbar nur bedingt Gedanken gemacht. "Ich war 100 % darauf konzentriert, die Pole zu holen. Aber jetzt werden meine 100 % Fokus auf das übergehen, was ich am Sonntag machen will", so der Mercedes-Pilot. Den ersten Teil seines Schlachtplans hat er sich allerdings schon gut überlegt: "Der nächste wichtige Schritt wird sein, die Führung am Start zu behalten. Um überholen zu können, brauchst du hier einen großen Pace-Überschuss. Deshalb wird der Start entscheidend sein."

Sollte ihm das gelingen, bleibt dem amtierenden Weltmeister angesichts des Rückstandes von Red Bull und Ferrari in erster Linie wohl nur die Hoffnung darauf, dass Rosberg ein technisches Gebrechen erleidet. Etwas, das Mercedes-Teamchef Toto Wolff unter keinen Umständen erleben will. "Wir hatten Defekte, die beide Fahrer Punkte gekostet haben. Andererseits gibt es auch keine Garantien dafür, dass es reibungslos läuft. Aber es ist etwas, das natürlich vermieden werden muss und sonst sehr negativ wäre", so der Österreicher.

Hamilton muss für eine Titelverteidigung in Abu Dhabi auf Pech für Rosberg hoffen, Foto: Mercedes-Benz
Hamilton muss für eine Titelverteidigung in Abu Dhabi auf Pech für Rosberg hoffen, Foto: Mercedes-Benz

Greift Hamilton in die Trickkiste?

Eine andere Variante, die zu Hamiltons Titelgewinn führen würde, wäre ein Eingreifen der Konkurrenz. Etwas, worauf Hamilton durchaus Einfluss nehmen könnte, sollte er das Rennen anführen. In der Vergangenheit war es bereits mehrfach der Fall, dass Hamilton an der Spitze das Tempo herausnahm und den Teamkollegen auflaufen ließ. Der Brite selbst beteuert, sich mit solchen Taktiken nicht zu beschäftigen: "Ich kann nicht kontrollieren, was hinter mir geschieht. Ich kann mich nur auf mein eigenes Rennen konzentrieren. Aber du weißt nie, was vielleicht passiert."

Die Teamführung will sich auch beim letzten Rennen wie gehabt aus dem Kampf der Stallgefährten heraushalten. "Das Hauptziel wird sein, so wenig wie möglich in den WM-Kampf einzugreifen und die Fahrer es wirklich auf der Strecke austragen lassen", so Wolff, der auch eine unter Umständen zweifelhafte Taktik Hamiltons ausschließt: "Sie wissen beide, was von uns als sportliches Verhalten angesehen wird. Solange die Grenzen dafür nicht überschritten werden, ist es für uns in Ordnung. Wir müssen sie von der Leine lassen."