Was können Sie Positives aus diesem ersten Jahr als Renault Werksteam mitnehmen?
Frederic Vasseur: Wir wussten schon vor der Saison, dass es eine harte Geschichte wird. Wir sind spät gestartet, wahrscheinlich zu spät. Aber an irgendeinem Punkt muss man mit etwas beginnen. Das Auto war ein 2015er Auto, das für den Mercedes-Motor entwickelt wurde. Und es war schon sehr herausfordernd, mit einem Renault-Motor bei den Testfahrten in Barcelona zu sein. Okay, so ist es, aber es ist ein Langzeitprojekt. Und man muss irgendwann starten. Sicherlich wussten wir aber, dass die erste Saison sehr schwierig werden würde.

Sehr früh in der Saison haben wir uns dazu entschieden, bei Entwicklung und Ressourcen auf 2017 zu setzen. Ich glaube, das war eine gute Entscheidung. Wenn wir uns auf 2016 konzentriert hätten, hätten wir die Pace vielleicht ein bisschen verbessern können, aber nur marginal und das war nicht das Ziel. Die Entscheidung wurde getroffen und wir fokussieren uns voll auf 2017. Ich glaube auch, dass wir auf der Strecke Erfahrung sammeln. Da machen wir die letzten Rennen über schon einen besseren Job. Wir haben nicht die Pace, aber bei Reifen- und Rennmanagement sind wir nun viel besser. Da haben wir uns gut verbessert. Jetzt müssen wir uns auf 2017 konzentrieren, uns das neue Auto ansehen. Da sind wir natürlich etwas blind, denn niemand kennt die Situation der anderen.

Sie wussten, dass es schwierig wird, aber haben Sie erwartet, dass es dermaßen schwierig wird? Sie sind als Hersteller auf Platz neun in der Konstrukteurswertung...
Frederic Vasseur: Ja, so etwas haben wir erwartet. Es ist aber nicht einfach zu wissen, ob man Neunter, Zehnter oder Elfter wird. Das weiß man zuvor nicht, das hängt auch damit zusammen, was die anderen machen. Aber beispielsweise bei der Struktur wussten wir exakt, wo wir in dieser Phase stehen würden. Deshalb war es nicht so überraschend.

Was war das größte Problem in diesem Jahr? Nur, dass das Auto so spät kam?
Frederic Vasseur: Das größte Problem war, dass das Auto um den Mercedes-Motor herum designt war. Es wurde während des vergangenen Jahres nicht entwickelt. Es war schon hart, den Renault-Motor in das Auto zu bekommen. Auch mit der Gewichtsverteilung war es ein Albtraum. Als wir das Auto auf der Strecke gesehen haben, wussten wir sehr schnell, dass wir uns auf 2017 konzentrieren müssen. Ja, das war eine harte Entscheidung, denn wenn du hinten bist, dann willst du das Auto entwickeln. Es waren ja schließlich noch 20 Rennen! Aber ich glaube, es war eine gute Entscheidung für das Projekt. Es ist nicht wichtig, ob wir heute auf Startplatz 16, 14 oder 13 stehen - das wichtigste ist es, für nächstes Jahr und für 2018 bereit zu sein.

Finden Sie das den Fahrern gegenüber unfair? Für Kevin Magnussen und Jolyon Palmer war es eine große Chance...
Frederic Vasseur: Ja, aber sie haben die Situation gekannt, als sie ihre Verträge unterschrieben haben. Sie hatten aber letztendlich die Chance, ihre Pace und ihren Einsatz zu zeigen. Auch sie haben Anteil an den Ergebnissen und an der Entwicklung.

Das ausgegebene Ziel ist es, in fünf Jahren mit um die Weltmeisterschaft zu fahren. Aber was ist das Ziel für das nächste Jahr?
Frederic Vasseur: Der Fahrplan, der von Carlos Ghosn ausgegeben wurde, ist, dass wir 2018 um Podiumsplatzierungen kämpfen. Wir wissen sehr genau, dass 2017 nicht das einfachste Jahr wird. Wenn man Leute holt, dann dauert es sechs oder neun Monate, bis sie in der Firma arbeiten dürfen. Wir werden das Team weiterhin verstärken. Einige sind jetzt zum Team hinzugestoßen, einige kommen in den nächsten Wochen und einige erst Mitte 2017. Sicherlich wird nächstes Jahr ein erster Schritt, 2018 werden wir aber wohl viel besser performen - wir halten uns aber an den Fahrplan.

Wie geduldig ist Renault mit dem Aufbau?
Frederic Vasseur: Ghosn war sehr klar: Wir haben 2016 und 2017 nichts erwartet, aber wir wollen 2018 um Podien kämpfen. Das ist der Fahrplan. Jener ist klar und wir müssen uns daran halten.

Es gibt Gerüchte, wonach es Probleme beim Management des Teams gibt, zwischen Ihnen und Cyril Abiteboul. Können Sie dazu etwas sagen?
Frederic Vasseur: Nein, dazu habe ich nichts zu sagen. Wir können den Job zusammen machen, wir gehen höflich miteinander um und wir müssen unsere jeweilige Position finden, aber daran arbeiten wir. Ich habe kein Problem damit.

Renault: Ab 2018 wieder vorne dabei?, Foto: Sutton
Renault: Ab 2018 wieder vorne dabei?, Foto: Sutton

Wie würden Sie ihre Doppelspitze bei Renault bezeichnen? Kann man es mit Niki Lauda und Toto Wolff bei Mercedes vergleichen? Oder mit Christian Horner und Dr. Helmut Marko bei Red Bull?
Frederic Vasseur: Das kann man nicht vergleichen. Es gibt keine zwei Organisationen, die auf dem gleichen System basieren. Ich bin weder Toto, noch bin ich Niki. Cyril ist weder Christian Horner, noch Helmut Marko. Wir müssen das vergessen und unsere eigene Organisation auf den Fähigkeiten der Leute in unserer Firma aufbauen, um zu verhindern, das nachzumachen, was die anderen machen.

Können Sie unseren Lesern ein bisschen erklären, was Ihre Aufgabe im Team ist und was die von Cyril ist? Von außen ist das etwas schwer zu verstehen. Können Sie Beispiele nennen?
Frederic Vasseur: Cyril kümmert sich um die Firma, um das Management. Jede Firma braucht einen Manager, der sie leitet. Ich kümmere mich um die Renn-Angelegenheiten, um die Performance und um das Zusammenarbeiten auf der Strecke. Und das ist ziemlich gut.

Und wer trifft die Entscheidung über die Fahrerpaarung?
Frederic Vasseur: Wir treffen diese Entscheidungen zusammen. Die Schlüsselentscheidungen wie Fahrer oder große Rekrutierungen können wir zusammen treffen. Somit haben wir zwei Sichtweisen und das ist immer ein Vorteil.

Würden Sie persönlich die Formel 1 als ihre größte Herausforderung beschreiben?
Frederic Vasseur: Das weiß ich nicht. Ich bin mir nicht sicher, ob es die größte Herausforderung ist. Es ist eine neue Herausforderung, von der ich erst im Nachhinein sagen kann, ob es meine größte oder schwierigste gewesen sein wird.

Wie schaffen Sie das mit all Ihren anderen Projekten? Mit ART und Spark haben sie ja noch zwei große Projekte...
Frederic Vasseur: Ich bin dort nicht mehr im täglichen Geschehen involviert. Sébastien Philippe leitet ART, Théophile Gouzin kümmert sich um Spark. Ich bin eigentlich überhaupt nicht mehr in meine alten Projekte involviert. Ich stehe jetzt 24 Stunden am Tag Renault zur Verfügung.

Was haben Sie persönlich in ihrem ersten Jahr als Renault Teamchef in der Formel 1 gelernt, das sie zuvor in Ihrer langen und erfolgreichen Motorsportvergangenheit nicht gelernt haben?
Frederic Vasseur: Ich weiß nicht, ob ich etwas Spezielles gelernt habe, aber man muss komplett in das Team involviert sein, damit es perfekt funktioniert, damit man weiß, welche Bereiche man verbessern kann. Ich verbessere mich auch selbst, um volles Verständnis für die Situation des Teams zu haben. Wir werden als Ergebnis dieser Saison für nächstes Jahr einige Modifikationen vornehmen, wir müssen Plus und Minus der Situation verstehen, um einen Vorteil für das nächste Jahr zu haben. Ich persönlich verbessere mich, weil ich jetzt ein besseres Verständnis für die Gesamtsituation habe. Aber es war vielleicht auch Teil des Problems, das wir zu Saisonbeginn hatten, dass es zwar kein neues Team war, aber eines mit vielen neuen Leuten. Und da muss man eine gute Kombination zwischen ihnen untereinander finden.

Günther Steiner hat in einem Interview mit uns gesagt, dass es einfacher ist, ein neues Team aufzubauen als ein anderes zu übernehmen, weil ein Formel-1-Team so groß und schwerfällig wie ein Tanker ist...
Frederic Vasseur: Ja, aber ihre Herangehensweise ist anders. Man kann ihre Arbeit, die sie mit Günther gemacht haben, nicht mit Renault vergleichen. Jeder hat seine eigenen Ziele mit seinem eigenen Fahrplan. Sicherlich haben wir nicht von Nirgendwo, aber von hinten angefangen. Mit rund 500 Leuten. Das ist eine große Kiste, die man tragen muss und mit der man manchmal viel effizienter und etwas flexibler sein muss. Aber wenn man auf das mittelfristige Projekt schaut, glaube ich, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Kevin Magnussen verlässt Renault nach nur einem Jahr Richtung Haas, Foto: Sutton
Kevin Magnussen verlässt Renault nach nur einem Jahr Richtung Haas, Foto: Sutton

Wie zufrieden waren sie mit der Fahrerpaarung Kevin Magnussen und Jolyon Palmer in diesem Jahr?
Frederic Vasseur: Um ehrlich zu sein, waren sie ziemlich unerfahren. Jolyon war ein Rookie, Kevin ist vor zwei Jahren eine Saison gefahren. Sie haben sich über die Saison hin entwickelt, sie haben einen guten Job gemacht. Wir wissen sehr genau, dass wir ihnen nicht das perfekte Auto gegeben haben. Und es ist viel schwieriger, einen guten Job mit einem Auto am hinteren Ende des Feldes zu machen als vorne. Aber das ist egal, sie waren recht konstant und haben ihren Job gemacht. Sie haben eine gute Atmosphäre im Team geschaffen und das war für uns in dieser Phase wichtig.

Kommt Ihnen die Regeländerung für 2017 eigentlich entgegen?
Frederic Vasseur: Auf der einen Seite sicherlich. Jeder startet von Null. Auf der anderen Seite ist es ein bisschen zu früh, weil die Rekrutierung noch immer im Gang ist. Eine Regeländerung ist eine gute Möglichkeit - man kann nicht sagen, dass wir es gerne nächstes Jahr hätten oder sonst wann. Man muss nach den Regeln spielen und den Job entsprechend erledigen. Ich habe kein Problem damit.