Max Verstappen ist auch nach dem Großen Preis von Brasilien wieder einmal in aller Munde. Anders als sonst, geht es dieses Mal aber nicht um eine vermeintlich regelwidrige Aktion oder eine persönliche Fehde mit Ferrari & Co. Der jüngste Grand-Prix-Sieger der Geschichte brillierte in Interlagos allen Widrigkeiten zum Trotz. Weder Regen noch strategische Fauxpas am Red-Bull-Kommandostand konnten Verstappen stoppen. Am Schluss stand eine atemberaubende Aufholjagd aufs Podium.

"Es war eine der besten Leistungen, die ich je in der Formel 1 gesehen habe", sagt Red-Bull-Teamchef Christian Horner, nachdem Verstappen innerhalb von nur 16 Runden vom Position 14 bis auf den dritten Platz nach vorne gestürmt war. Dr. Helmut Marko ging mit seinen Lobeshymnen mindestens genauso weit: "Nach all den Zwischenfällen und dem Umstand, dass wir auf den falschen Reifen waren... wie er das weggesteckt hat und durch das Feld gefahren ist, war unglaublich. Es ist nur noch vergleichbar mit Senna in Donington 1993."

Selbst die Konkurrenz zollte dem Youngster ihren Respekt, nachdem er auch einen Großteil ihrer Fahrer mit kaltschnäuzigen Überholmanövern alt aussehen lassen hatte. "Auch wenn er nicht bei uns fährt, begeistert er uns tatsächlich sehr. Er fährt innen, außen, egal wo. Es ist wirklich großartig, dass wir ihn in der Formel 1 haben", so Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Auch sein Schützling Nico Rosberg wurde in Runde 32 Opfer von einem der atemberaubenden Verstappen-Manöver. In Kurve drei fuhr der Red-Bull-Pilot im wahrsten Sinne des Wortes Kreise um den WM-Führenden.

"Ich denke, das richtige Wort für das Rennen heute, ist 'aufregend'. Ich habe Nico außen in Kurve 3 überholt, was wirklich Spaß gemacht hat. Es schien einfach so, als ob ich dort draußen etwas mehr Grip gefunden hätte", so Verstappen, der am Ende des 71-Runden langen Rennens gefühlt jeden Fahrer, bis auf Lewis Hamilton, an irgendeinem Punkt überholt hatte.

Verstappen machte in Brasilien zumindest auch zeitweise Jagd auf Hamilton, Foto: Sutton
Verstappen machte in Brasilien zumindest auch zeitweise Jagd auf Hamilton, Foto: Sutton

Verstappen fährt mit den Gegnern 'Go-Kart'

Tatsächlich fiel schon hinter dem Safety Car auf, wie Verstappen sich mit seinem Boliden über die gesamte Streckenbreite bewegte, um den Grip auf dem verregneten Autodromo José Carlos Pace zu finden. Im Rennen zeigte sich dann, dass er dabei offenbar einen guten Job gemacht hatte. "Es schien heute für ihn wie Go-Kart-Fahren. So, wie er dort damals im Regen gefahren ist, ist er heute im Formel-1-Auto gefahren", sagte Papa Jos Verstappen.

Und so nutzte Verstappen die von ihm erarbeitete Ideallinie nicht nur, um an Rosberg vorbeizukommen. Dass auch er dabei am Limit unterwegs war, zeigte sich in Runde 39. In Kurve 13, der an diesem Rennsonntag einige Fahrer zum Opfer fielen, erwischte es beinahe auch ihn. Gerade so schaffte er es, seinen Boliden vor der Leitplanke noch abzufangen. "Ich denke, das Abfang-Manöver war 50:50, Glück und Fähigkeiten", so Verstappen, der nicht nur im Rennen blieb, sondern auch seine zweite Position gleich noch erfolgreich gegen Rosberg vereidigte.

"Nach diesem Schrecken war meine Pace immer noch gut und ich konnte die zweite Position halten", sagt Verstappen, der Rosberg ohne Probleme die Stirn bieten konnte. Dass er am Ende doch hinter dem Mercedes-Piloten lag, war einigen riskanten Schachzügen am Red-Bull-Kommandostand geschuldet.

Red Bull scheitert mit der Strategie-Brechstange

Nachdem Verstappen bei der Freigabe des Rennens in Runde acht gleich in der ersten Kurve kurzen Prozess mit Räikkönen gemacht und sich Platz drei geschnappt hatte, heftete er sich Rosberg an die Fersen. Als die Rennleitung nach Ericssons Unfall in Runde 13 das Safety Car auf die Strecke schickte, nahm Red Bull das erste Mal Anlauf für einen Taktik-Coup. Verstappen wechselte auf Intermediates und fiel lediglich hinter Räikkönen zurück. Schnell wurde jedoch klar, dass das Team sich mit der Reifenwahl verkalkuliert hatte. Der Rennabbruch nach Räikkönens Unfall in Runde 20 gab ihm die Chance, ohne Platzverlust zurück auf Regenreifen zu wechseln.

Wenig später versuchte Red Bull allerdings aufs Neue, mit den Intermediates den großen Coup zu landen. "Die Hinterreifen hatten Grip verloren und mir wurde im Funk gesagt, dass Daniel auf Intermediates gewechselt hatte und sehr schnell unterwegs war", so Verstappen, der daraufhin in Runde 43 den zweiten Wechsel auf Intermediates vollzog. Am Kommandostand waren die Strategen zu diesem Zeitpunkt davon überzeugt, die richtige Wahl getroffen zu haben.

"Wir haben einen Versuch auf den Intermediates gestartet. Es wäre die Art von Schachzug gewesen, die uns den Sieg hätte bringen können", erklärt Horner. Der Wettergott spielte jedoch nicht mit, und Verstappen war bald auf verlorenem Posten: "Für eine Runde oder so hat es gut funktioniert, aber mit dem zunehmenden Regen hatte ich keinen Grip mehr. Es gab keine Chance, das weiter durchzuziehen. Also musste ich wieder auf Regenreifen wechseln."

Verstappen und Red Bull versuchten gleich in er ersten Safety-Car-Phase einen Taktik-Kniff, Foto: Sutton
Verstappen und Red Bull versuchten gleich in er ersten Safety-Car-Phase einen Taktik-Kniff, Foto: Sutton

Aufholjagd fühlt sich beinahe wie Sieg an

Der letzte Reifenwechsel in Runde 54 warf Verstappen bis auf die 14. Position zurück - womit sein Husarenritt erst richtig an Fahrt aufnahm. "Von da an hat das Rennen ziemlich viel Spaß gemacht. Ich hatte jede Menge Überholmanöver auf der Außenbahn", so Verstappen, der seine Aktionen nicht nur mit dem besseren Grip-Niveau begründete: "Wenn du hinter den anderen fährst, bekommst du die ganze Gischt ab. Also musste ich eine andere Linie finden."

Die 'andere Linie' fand Verstappen in der Schlussphase des Rennens jedes Mal. Kein Konkurrent konnte ihn stoppen. Vettel schaffte es wohl noch am längsten, sich den Angriffen von Verstappen zu erwehren. Nach etwa einer Runde musste jedoch auch er den heranstürmenden Niederländer ziehen lassen. "Ich konnte die Fans auf den Tribünen im Hintergrund jubeln hören, wenn mein Ingenieur mich angefunkt hat", so Verstappen.

Die Performance des 19-Jährigen beim diesjährigen Grand Prix von Brasilien war wohl eine von der Sorte, über die auch noch in Jahren gesprochen wird. Selbst für Verstappens Empfinden war dieser Nachmittag in Interlagos mehr als nur ein dritter Platz: "Als ich am Ende über die Ziellinie gefahren bin, hat es sich wie ein Sieg angefühlt. Es war fast so schön, wie mein Rennen in Barcelona."