Bei Anruf Ärger: Rund um den Brasilien Grand Prix herrschte dicke Luft zwischen Red Bull und Mercedes. Der Auslöser war ein Telefonat zwischen Silberpfeil-Chef Toto Wolff und Jos Verstappen vor dem Wochenende. Wolff merkte in diesem Gespräch unter anderem an, dass es doch schade wäre, wenn Sohn Max in Folge einer Kollision mit Rosberg oder Hamilton von den Medien niedergemacht würde. Wenige Tage zuvor hatte Verstappen Junior seine Furchtlosigkeit wieder einmal unter Beweis gestellt, als er sich mehrere enge Duelle mit WM-Spitzenreiter Nico Rosberg lieferte.

Von Wolffs Anruf - der laut eigener Aussage keinen Einfluss auf Verstappens Fahrweise nehmen wollte - zeigte sich Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko zunächst wenig begeistert. "Dass Wolff den Vater von Verstappen anruft, ist eine Einmischung in Inneres, die deutlich zu weit geht", polterte der Österreicher. "Wenn, dann soll er mit Max reden - aber nicht solche Aktionen starten. Wir fahren unser eigenes Rennen und werden niemanden vorbeilassen, weil er um die Weltmeisterschaft kämpft."

Keine böse Absicht von Wolff

Wolff versuchte die Wogen im Fahrerlager von Brasilien zu glätten. Sein Anruf sei keinesfalls eine böse Absicht gewesen. Vielmehr habe er Verstappen vor möglichen negativen Reaktionen schützen wollen. "Vor Max habe ich einen riesigen Respekt. Es ist erfrischend, wie er in der F1 fährt", sagte Wolff. "Zu Jos habe ich gesagt, dass es gut sei, dass er bei den Rennen ist. Denn vor ihm hat Max den größten Respekt. Ich habe ihn darauf hingewiesen, dass man es nicht mit sich rumschleppen will, wenn es zu einer Kollision kommt, die die WM entscheidet."

Den Anruf bei Verstappens bereute Wolff keinesfalls, betonte der am Samstagabend in Interlagos. Dass daraus eine solch große Geschichte werden würde, gefiel ihm überhaupt nicht. Das alles sei völlig aufgeblasen worden von einigen Medien. "Ich kenne die Familie seit einiger Zeit und ich mag sie", sagte Wolff. "Ich rufe an, wen ich anrufen will. Das ist völlig aufgeblasen worden. Für mich ist das eine völlige Nicht-Geschichte."

Wolff konnte immerhin nachvollziehen, dass er mit seiner Aktion den Ärger des Red-Bull-Lagers auf sich gezogen hatte. "Na klar, wenn der Mercedes-Teamchef den Fahrervater anruft, würde ich mir auch denken, 'Warum ruft der da an?'. Aber ich kenne Jos seit vielen Jahren und wir haben ein freundschaftliches Verhältnis. Das war das 30. Mal, dass wir so miteinander gesprochen haben. Das war keine Einmischung meinerseits in die Fahrweise von Max." Niemals habe Wolff gefordert, dass Verstappen seine Herangehensweise ändern oder den Mercedes-Silberpfeilen aus dem Weg gehen solle.

Viele Gespräche rund um und mit den Verstappens in Brasilien, Foto: Sutton
Viele Gespräche rund um und mit den Verstappens in Brasilien, Foto: Sutton

Mercedes fährt um 11 - der Rest um 14 Uhr

In Brasilien sprachen sich Wolff und Marko am Samstagvormittag aus und konnten den Konflikt offenbar klären. "Wir hatten ein Gespräch", bestätigte der Mercedes-Mann. "Es ist wie es ist. Die Rivalität zwischen den Personen und Teams hat sich nicht verändert. Das ist aber auch nicht wichtig." Dabei konnte sich Marko einen Seitenhieb in Richtung der Silberpfeile nicht verkneifen: "Ich habe Niki gesagt, er soll Toto vorschlagen, dass Mercedes um 11 Uhr sein eigenes Rennen fährt. Und dann machen wir um 14 Uhr einen Grand Prix. Das wäre eine Lösung. Dann sind die unter sich und Max kann machen, was er will..."

Ans Tageslicht gekommen war die Geschichte durch ein Gespräch zwischen Verstappen Senior und Red Bulls Teamchef Christian Horner am Donnerstag. Verstappen erzählte von Wolffs Anruf - der auch bei Horner zunächst nicht unbedingt gut ankam. Von einer Gegenaktion sah er jedoch ab. "Ich rufe jetzt nicht Lewis' Vater an und von Keke habe ich die Nummer nicht", scherzte Horner. "Da mische ich mich also nicht ein."

Das Problem an der Sache: Wenn es zuletzt ein Team gab, dass Mercedes das Wasser ansatzweise reichen konnte, dann war es Red Bull. Trotz des WM-Duells kämpfen Verstappen und Daniel Ricciardo theoretisch um den Sieg. "Max ist kein Hinterherfahrer", sagte Horner. "Max und Daniel geben ihr Bestes für das bestmögliche Ergebnis. Dafür bezahlen wir sie auch. Natürlich gibt es einen WM-Kampf, aber der herrscht zwischen den relevanten Fahrern. Und es liegt in unserem Interesse, in den Rennen unser Bestes zu geben."

Papa Jos ist in Brasilien dabei, um Sohn Max zu unterstützen, Foto: Red Bull
Papa Jos ist in Brasilien dabei, um Sohn Max zu unterstützen, Foto: Red Bull

Verstappen: Wurde alles bisschen aufgeblasen

Verstappen - wie die meisten anderen Fahrer auch - machte im Verlauf des Brasilien-Wochenendes mehrfach deutlich, dass er nicht zurückstecken werde. "Wir sind halt alles Egoisten", bestätigte etwa Nico Hülkenberg bei Motorsport-Magazin.com. Verstappen nach dem Qualifying am Samstagabend: "Das wurde alles ein bisschen aufgeblasen. Es war ein normales Gespräch und nicht so, wie es manche berichtet haben. Toto ist ein netter Kerl. Meine Herangehensweise ändere ich nicht. Alle Fahrer sollten bis zum Letzten racen. Sonst wäre man ja auch kein würdiger Weltmeister."

Titelaspirant Rosberg hatte Verständnis für die 'egoistische' Herangehensweise der restlichen Formel-1-Fahrer. Doch merkte er an, dass alle zusammen innerhalb gewisser Grenzen fahren sollten. Und schob mit einem Grinsen im Gesicht hinterher: "Zuletzt wurden viele Strafen verteilt. Deshalb lohnt es sich vielleicht, das zu berücksichtigen und etwas entspannter an die Sache zu gehen. Das könnte die richtige Richtung sein."

Auch Vettel klingelte durch

In diesen Tagen stand das Telefon im Hause Verstappen nicht still. Neben Wolff meldete sich auch Sebastian Vettel am Hörer. Am vergangenen Dienstag rief er Verstappen Junior an, um über die streitbaren Geschehnisse aus Mexiko zu sprechen. Dort fühlte sich Vettel vom jungen Niederländer aufgehalten, damit dessen Teamkollege Ricciardo näher aufschließen konnte. Mit einem 'Bastard' in Richtung Verstappen kommentierte Vettel die Szene. "Wir haben alles geklärt", sagte Verstappen jetzt. "Das Gespräch hat 5, 6 Minuten gedauert." Am Sonntag startet Vettel von Platz fünf - genau hinter Verstappen. Verstappens Nummer hat Vettel ja...

Redaktionskommentar

Motorsport-Magazin.com meint: Eine Nicht-Geschichte nannte Toto Wolff das Telefonat mit Jos Verstappen. Das ist nicht ganz korrekt, denn die Story ging um die Welt. Nun möchte ich Wolff hier keine böse Absicht oder Einflussnahme unterstellen. Tatsächlich ist er Verstappen-Fan seit Stunde 1 und würde dessen Vater wohl kaum raten, sich aus dem WM-Duell herauszuhalten. Sollte Max wirklich Rosberg oder Hamilton ungestüm rausfeuern, würde die Presse ihn zerreißen. Damit hat Wolff durchaus Recht. Aber: Wolff ist nicht dumm und musste davon ausgehen, dass Jos Verstappen diese Story weitergibt. Angesichts der 'Freundschaft' zwischen Wolff und Helmut Marko war es nun wirklich kein Wunder, dass die Geschichte öffentlich an Fahrt aufnimmt. Oder hat Wolff genau darauf spekuliert? Was auch immer der Wahrheit entspricht - einen lässt das völlig kalt: Max Verstappen himself. (Robert Seiwert)