Ermöglicht das Formel-1-Reglement Ungleichbehandlung? Lassen die die F1-Regeln Rennleitung und Stewards Raum, mit zweierlei Maß zu messen? Genau das unterstellt nun jedenfalls Max Verstappen vor dem Hintergrund einer Kontroverse beim vergangenen Mexiko GP.

Dort hatte sich Lewis Hamilton am Start kapital verbremst und die zweite Kurve abgekürzt. Gegen Rennende unterlief Max Verstappen im Duell mit Ferraris Sebastian Vettel derselbe Fauxpas. Das Ergebnis: Während der Mercedes-Pilot ungesühnt davon kam, kassierte Verstappen eine Zeitstrafe, die ihn im Resultat das Podium kostete.

Das sorgte bereits unmittelbar nach Rennende für lebhafte Diskussionen. Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko etwa kritisierte die für ihn "idiotische Entscheidung" gegen seinen Fahrer im Exklusiv-Interview mit Motorsport-Magazin.com als völlig unverständlich. "was war dann mit Rosberg oder Hamilton in Runde 1? " fragte Marko erzürnt.

Lewis Hamilton kürzte nach einem Verbremser in Kurve eins ungesühnt die Strecke ab, Foto: Sutton
Lewis Hamilton kürzte nach einem Verbremser in Kurve eins ungesühnt die Strecke ab, Foto: Sutton

Verstappen: Lächerliche Situation!

In die gleiche Kerbe schlägt jetzt der Geschädigte selbst. Verstappen wird sogar noch direkter, prangert offensiv die in seiner Augen exerzierte Ungleichbehandlung an. "Das ist eine lächerliche Situation", legt Verstappen in einem Blog-Beitrag für Sponsor Exact los.

"Lewis und ich haben uns beide in derselben Kurve verbremst. Ich hatte genau dengleichen kleinen Vorteil wie er. Dass ich bestraft wurde, aber Lewis nicht, deutet darauf hin, dass ein Stück weit mit zweierlei Maß gemessen wird", poltert Verstappen gegen die fragwürdige Entscheidung. Um eine Strafe gegen Hamilton oder generelle Kritik an den Regeln geht Verstappen dabei nicht. Der 19-Jährige fordert schlicht gleiches Recht für alle. "Regeln werden natürlich gebraucht und ich werde sie immer respektieren, aber es ist nur fair, wenn sie auch für alle gleich sind", erklärt der Niederländer.

Auch Sainz und Räikkönen wetterten gegen Strafen-Lotto

Allein ist Verstappen mit derartiger Kritik bei weitem nicht. Zuletzt häuften sich ähnliche Stimmen. In bester Erinnerung die Klagen Kimi Räikkönens beim US GP 2015 oder bei manch anderen Gelegenheiten, etwa Spa, in der laufenden Saison. Doch auch jüngst in Mexiko gab es noch einen weiteren Zwischenfall neben der Abkürz-Causa Kurve eins. Verstappens ehemaliger Teamkollege Carlos Sainz war für ein Abdrängen Fernando Alonso sanktioniert worden, konnte die Strafe im Rückblick jedoch nicht nachvollziehen. "Ich habe gehört, dass es sehr ähnliche Situationen gegeben hat und dabei keine Strafe", kritisiert der Toro-Rosso-Pilot die Stewards.

"Es ist ein bisschen wie eine Lotterie, eine Strafe zu bekommen oder nicht", ergänzt Sainz. Die Formel 1 müsse das anschauen, vielleicht verlange es auch klarere Regeln und mehr Konstanz bei der Besetzung der Stewards, so der Spanier: "Wir Fahrer müssen mit einem klaren Verständnis Rennen fahren, wenn wir überholen. Wir müssen genau wissen, was die Stewards über die Regeln denken."

Max: 'Lex Verstappen' verkompliziert nur den Sport

Ähnliche Forderungen in puncto Transparenz stellt Verstappen. Für den gibt es seit dem US GP immerhin eine sprichwörtlich eigene Regel: Die Lex Verstappen verbietet ab sofort Richtungswechsel auf der Bremse, 'Moving under Braking' im Fachjargon. Genau damit hatte Verstappen selbst zuvor mehrfach für Entrüstung gesorgt, halten zahlreiche Beobachter und Fahrerkollegen diese Art Manöver schlicht für lebensgefährlich.

"Viele Fahrer hatten ein Problem damit, wie ich mich auf der Bremse verteidigt habe", beschreibt Verstappen in dem Blog. Verständnis dafür zeigt der Niederländer jedoch kaum. "Offenbar möchte nicht jeder sportlich herausgefordert werden", sagt Verstappen. Jetzt gebe es eben diese Regel, die alle die Verstappen-Regel nennen würden. Selbst darin sieht Verstappen eine Ungleichbehandlung: "Obwohl es auch andere Fahrer regelmäßig gemacht haben ..." Wichtiger scheint dem Niederländer jedoch, ganz wie Sainz, ein anderer Aspekt: "Das Problem mit dieser Art von Regel ist, dass es den Sport verkompliziert. Nicht nur für den Zuschauer, sondern auch für die Stewards." Das habe der Mexiko GP belegt.

Hülkenberg über Rebell Verstappen: Das ist Racing!

Unterstützung für seine forschen Worte wie seine harte Gangart auf der Strecke erhält Verstappen von einem Fast-Holländer: Emmericher Nico Hülkenberg outet sich als heimlicher Fan des Red-Bull-Piloten. Verstappen erledigt genau den Job, den es als Rennfahrer zu tun gelte. "Max ist im Moment wie ein kleiner Rebell. Er ist ein harter Racer,aber ich denke, es ist gut und es gehört dazu", sagt Hülkenberg in der niederländischen Talkshow Pauw.

"Er fährt ein kleines bisschen mit den Ellenbogen raus und was er tut, ist manchmal extrem. Denn manchmal ist er sehr spät, sodass er dem Auto dahinter sehr wenig Chancen gibt, etwas anderes zu machen", beschreibt Hülkenberg. Klar, das werde irgendwann auch einmal zu Unfällen führen. "Aber das ist Racing", ergänzt der Wahl-Monegasse von Force India.

Dass Verstappen für reichlich Diskussionsstoff sorgt scheint Hülkenberg offensichtlich so fürstlich wie seine Wahlheimat zu amüsieren. "Das nächste Fahrerbriefing wird vielleicht lang werden, also bringe ich etwas zu essen mit", scherzt Hülkenberg angesprochen auf das Geschehen in Mexiko. "Falls Sebastian anfängt über Max zu sprechen, wird es eine lange Zeit dauern. Es gibt da kleine Reibereien, aber es ist Wettbewerb und das gehört eben dazu. Das ist Racing und was die Leute sehen wollen."