Pro: Werksteam-Power langfristig Gelb wert

Erstmal vorneweg: Gelb, nicht Gold, weil Renault und so. Wobei Nico Hülkenbergs Zeit bei Renault durchaus noch goldene Farbtupfer erhalten kann. Langfristig jedenfalls sind die Aussichten bei einem Werksteam klar besser als bei Force India. Und so alt ist Hülkenberg nun auch wieder nicht. Wirtschaftliche Dürreperioden hat Hülkenberg bei Renault zudem sicher nicht zu erwarten. Bei seinem aktuellen Rennstall sieht das anders aus. Ohne Konzern im Rücken ist und bleibt Force India angewiesen auf das Wohl von Investoren und Sponsoren, um seine Boliden konstant und gut zu entwickeln. In der jungen Vergangenheit hatte das bereits das eine oder andere Mal Probleme bereitet.

Die Gegenwart indessen sieht rein sportlich alles andere als vielversprechend aus, ja: Force India legt die beste Saison der Teamgeschichte hin, Renault krebst am Ende des Feldes nur knapp vor Sauber und Manor herum. Doch verfolgt Renault ein langfristiges Konzept. Das hatte bereits beim vergangenen Werksengagement in der Formel 1 funktioniert, als sich Fernando Alonso mit den Franzosen zweimal in Folge zum Weltmeister krönte. Auch Ferrari, Red Bull und Mercedes haben in diesem Jahrhundert bereits bewiesen, dass sich ein ruhiger und nachhaltiger Aufbau nicht nur auszahlen, sondern gar in schier grenzenloser Dominanz münden kann.

Damit nicht genug. Mit einem Quantum Glück kann Hülkenberg mit Renault bereits viel früher durchstarten. 2017 ändern sich die Regeln in der Formel 1 gravierend. Die Boliden verändern sich massiv, haben kaum noch etwas mit den aktuellen Modellen gemein. Der auf Null gestellte Tacho könnte das Feld radikal durcheinander wirbeln. Und warum nicht Renault an die Spitze? Hat 2005 doch auch geklappt.

Ab sofort befindet sich Nico Hülkenberg mit Force India auf Abschiedstournee, Foto: Sutton
Ab sofort befindet sich Nico Hülkenberg mit Force India auf Abschiedstournee, Foto: Sutton

Contra: Tauben und Spatzen sind unterschiedlich

Ein Sprichwort sagt: Der Spatz in der Hand ist besser als die Taube auf dem Dach. Diese Floskel meint, dass es wichtig ist, das Risiko einer Veränderung und die mögliche Verbesserung auf der anderen Seite abzuwägen. Nico Hülkenberg hat es für sich mit Sicherheit getan. Doch er geht ein großes Risiko ein. Ja, Renault ist ein Werksteam, ja, Force India ein finanziell nicht auf Rosen gebetteter Privatier. Doch spricht es für das besondere Klima des Rennstalls, wie viel sie in den vergangenen Jahren aus wenigen Mitteln herausgeholt haben.

Force India ist aktuell Vierter in der WM, weiter nach oben geht es wohl nicht mehr gegen Mercedes, Red Bull und Ferrari. Doch ob es Renault schafft, in diese Phalanx einzubrechen, bleibt fraglich. Alles in Enstone und Viry befindet sich noch im Aufbau. Am Firmensitz von Force India in Silverstone ist jedoch eine kleine, aber super funktionierende Infrastruktur vorhanden. Hülkenberg wechselt nicht nur das Team. Er muss sich an ein komplett neues Umfeld gewöhnen, neue Mechaniker, Ingenieure und so weiter. Diese Eingewöhnung benötigt Zeit. Zeit, die er vielleicht nicht bekommt. Denn die Erwartungshaltung bei einem Werksteam ist enorm.

Auf den ersten Blick scheint Renault eine logische Wahl, doch basiert diese Annahme auf Vermutungen. Niemand kann zu hundert Prozent sagen, ob die Franzosen tatsächlich an alte Erfolge anknüpfen können. Hülkenberg setzt auf Prognosen und wirft eine sichere Bank weg. Ein Sergio Perez hatte ebenfalls viele Angebote, entschied sich aber bewusst für einen Verbleib bei Force India. Auf der Rennstrecke musste Hülkenberg zuletzt einige Niederlagen gegen den Mexikaner einstecken. Bleibt für ihn zu hoffen, dass die Zukunftsentscheidung nicht auch dazu gehört. Und dass er rückblickend nicht bald erkennen muss, dass der Spatz die richtige Wahl gewesen wäre.