McLaren konnte 2016 bei 9 der bisher 15 absolvierten Rennen in die Punkte fahren. In der Summe stehen damit momentan 54 Punkte für den britischen Traditionsrennstall zu Buche - das sind doppelt so viele wie in der gesamten vergangenen Saison. Doch woher kommt diese Verbesserung? Hat Honda bei der Weiterentwicklung der Power Unit endlich die Fortschritte gemacht, die McLaren gefordert hat? Oder ist es ganz einfach das vom Team stets so hochgelobte Chassis, dass den Unterschied macht?

Die durchschnittlichen Startpositionen der McLaren-Piloten zeigen zunächst eine deutliche Verbesserung zum Vorjahr. 2015 gingen Fernando Alonso und Jenson Button im Durchschnitt noch von den Positionen 15,56 respektive 16,21 ins Rennen. Dieses Jahr sind es durchschnittlich die Plätze 12,21 und 12,47. Ersatzpilot Stoffel Vandoorne startete bei seinem einzigen Auftritt in Bahrain von Platz 12.

Den Einzug ins Q3 schafften Alonso und Button 2016 bisher sechs respektive drei Mal. 2015 gelang dies kein einziges Mal. In Barcelona, Monaco, Montreal, Silverstone, Spielberg, Budapest, Spa und Singapur zog mindestens einer der beiden ins letzte Segment des Zeittrainings ein. Bei den meisten dieser Rennstrecken handelt es sich ohne Frage um Kurse, auf denen die Motorpower eher sekundär ist und es hauptsächlich auf das Chassis, sprich mechanischen oder aerodynamischen Grip, ankommt. Lediglich Spa ist eine Ausnahme, auf der es im ersten und letzten Sektor auf Pferdestärken ankommt.

Der Schein trügt

Größtenteils deckt sich dieses Bild mit den Erfolgen in den Rennen. Auf sechs der acht Strecken, auf denen es Alonso oder Button ins Q3 schafften, gab es auch WM-Punkte. Die einzigen Ausnahmen sind Sochi und Hockenheim - hier fuhren die Piloten von außerhalb der Top-10 in die Punkte. Es könnte angesichts dessen leicht fallen, die Punkteausbeute der Qualität des Chassis zuzuschreiben. Doch tatsächlich wurden Alonso und Button häufig durch äußere Umstände nach vorne gespült - angefangen schon beim Zeittraining: In Ungarn und Österreich hatte man bei wechselhaften Bedingungen schlichtweg ein gutes Timing und landete so in den Top-10.

In den Rennen schafften es die Fahrer häufig, ihre Startpositionen im Rahmen der Möglichkeiten in ein zählbares Resultat zu verwandeln. Selbstverständlich hätte Button den dritten Startplatz auf dem Red Bull Ring niemals in ein Podiumsresultat ummünzen können - doch mit Platz sechs machte er das Beste aus dem Glücksfall vom Samstag. Ähnlich lief es bei Alonso in Spa-Francorchamps. Nach einer Strafversetzung aus der letzten Startreihe ins Rennen gegangen, profitierte er von einer Safety-Car-Phase und ging so schlussendlich als Siebter über die Ziellinie. McLaren hatte also nicht nur am Samstag hin und wieder ein glückliches Händchen.

Alonso konnte in Monaco hauptsächlich von den Wetterbedingungen profitieren, Foto: Sutton
Alonso konnte in Monaco hauptsächlich von den Wetterbedingungen profitieren, Foto: Sutton

Das Glück des Tüchtigen

Auch am Renntag lief es hin und wieder einfach für die Mannschaft aus Woking. In Russland, als beide Autos in den Punkten landeten, waren nach der Startkollision beide Red Bull sowie ein Ferrari früh außer Gefecht. In Monaco wurde Alonso im Regen nach vorne gespült und sicherte sich auf dem engen Straßenkurs den fünften Platz.

Einige Punkte waren also der Tatsache geschuldet, dass McLaren häufig zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Das schmälert natürlich nicht die Leistung der Fahrer, denn einen Williams oder sogar einen Ferrari hinter sich zu halten, wie es Alonso in Belgien gelungen ist, erfordert ohne Zweifel Können und kann nicht alleine mit Glück bewerkstelligt werden. Dennoch bewegten sich die McLaren bei ihren Punktefahrt oft in Gefilden, in die sie aus eigener Kraft kaum hätten vordringen können.

Es fehlt immer noch Power

Unter dem Strich stand McLaren auf Chassis-Kursen allerdings immer noch besser da, als auf powerlastigen Rennstrecken. Auf Highspeed-Kursen wie Monza oder Sochi war das Team bisher deutlich unter ferner liefen unterwegs und an Punkte war nicht zu denken. Im Qualifying landeten Alonso und Button auf beiden Kursen klar außerhalb der Top-10, und im Rennen wurden beide - genau wie 2015 - vom Sieger überrundet. Dies bestätigt die nach wie vor anhaltende Kritik der Fahrer, dass die Power Unit von Honda nach wie vor das schwächste Glied im Gesamtpaket darstellt.

Honda hat zwar Fortschritte gemacht, doch diese reichen im Ernstfall Qualifying oder Rennen noch nicht aus. Deutlich wird das angesichts der Leistungen, die McLaren regelmäßig in den Trainingssessions gezeigt hat. Am Freitag selbst auf Kursen wie Monza häufig noch in den Top-10 unterwegs, fallen Alonso und Button spätestens mit dem Qualifying wieder zurück. Alonsos verweist diesbezüglich auf den Motor-Nachteil gegenüber der Konkurrenz: "Es geht um die Motor-Modi. Die anderen Teams benutzen konservative Motor-Modi am Freitag, und am Samstag rufen sie die volle Power ab. Wir haben nur eine Power."

In Monza wurde McLaren wie schon 2015 überrundet, Foto: Sutton
In Monza wurde McLaren wie schon 2015 überrundet, Foto: Sutton

Fazit: Chassis immer noch besser als der Motor

Schlussendlich steht außer Frage, dass McLaren auf Chassis-lastigen Rennstrecken konkurrenzfähiger ist, als auf den Kursen, auf denen Motorleistung die oberste Tugend ist. McLarens bisherigen Punkteresultate, wenn auch hauptsächlich auf winkligen und engen Kursen eingefahren, sind allerdings nicht nur ein Ergebnis der Ingenieursarbeit, sondern vor allem auch das Produkt von gutem Timing und Chancenmaximierung.