Fast auf den Tag genau vor einem Jahr startet Sebastian Vettel den Singapur GP noch von Startplatz eins und gewann anschließend souverän. Ferrari hatte auch in diesem Jahr auf das Singapur-Wunder gehofft, doch das blieb vor allem bei Vettel aus. Vettel musste bereits im Q1 wegen eines technischen Defekts aufgeben.

2015 siegte Vettel noch in Singapur, Foto: Sutton
2015 siegte Vettel noch in Singapur, Foto: Sutton

Der Ferrari-Star fuhr ohne Vorahnung wie gewöhnlich aus der Garage, wärmte seine Reifen in der Outlap auf und dann das: Als er auf Zeitenjagd ging, hob der Ferrari plötzlich den kurveninneren Vorderreifen. "Sobald ich angefangen habe, zu pushen, habe ich es gemerkt", schildert Vettel die Eindrücke aus dem Cockpit.

Trotz des Problems fuhr Vettel die Runde zu Ende und ging sogar auf einen zweiten Versuch, den er schließlich abbrechen musste. "Ich wollte zuerst in die Box kommen, aber wir haben uns dazu entschieden, draußen zu bleiben und es noch zu versuchen. Aber es war hoffnungslos, weil wir nicht schnell genug waren, deshalb bin ich reingekommen. In den drei oder vier Minuten war es unmöglich, das Problem zu lösen."

Ferraris Plan war es, Vettel irgendwie in Q2 zu bekommen, um Zeit zu gewinnen, in der man das Problem hätte lösen können. "Mit drei Reifen funktioniert es nicht", konstatiert Vettel. Vettel fehlte am Ende knapp eine Sekunde auf Esteban Ocon im Manor. Selbst mit bloßem Auge war es zu erkennen, dass es Probleme am Fahrwerk gab.

Stabilisator wahrscheinlich schuld

"Zuerst dachte ich, dass etwas an der Vorderachse kaputt gegangen ist", sagt Vettel. "Aber es war etwas an der Hinterachse." Der erste Verdacht, den Ferrari nicht offiziell bestätigen will: der Stabilisator quittierte seinen Dienst. Das Fehlerbild passt: Ist die Hinterachse plötzlich viel zu weich, sinkt das Auto auf der kurvenäußeren Seite ein. Auf der diagonalen Gegenseite, also vorne auf der Kurveninnenseite, geht das Rad entsprechend in die Höhe.

Weil die Aufhängung der Hinterachse teilweise im Getriebegehäuse integriert ist, erklären wir das Prinzip an der Vorderachse. Der einzige Unterschied: Statt Pull-Rods sind hier Push-Rods im Einsatz. Statt Zug wird hier Druck auf die Umlenkhebel ausgeübt. Das Prinzip ist allerdings gleich.

Die Vorderradaufhängung funktioniert nach dem gleichen Prinzip wie die Hinterradaufhängung, Foto: Sutton
Die Vorderradaufhängung funktioniert nach dem gleichen Prinzip wie die Hinterradaufhängung, Foto: Sutton

Die Umlenkhebel drücken auf eine normale Feder/Dämpfer-Einheit (gelb) - wie bei einem gewöhnlichen Fahrwerk. Die Besonderheit in der Formel 1: Es gibt nicht nur für jedes Rad eine solche Einheit, sondern pro Achse eine zusätzliche, dritte Feder-Dämpfer-Einheit (rot). Die sorgt dafür, dass das Auto durch den aerodynamischen Anpressdruck bei hohen Geschwindigkeiten nicht schon komplett einfedert.

Außerdem sind beide Fahrwerksseiten noch über einen Stabilisator (blau) miteinander verbunden. Teilweise funktioniert der hydraulisch und ist mit den anderen Dämpfern verbunden. Ein herkömmlicher Stabilisator ist ein einfacher Stab, der sich verwringt. Er funktioniert wie eine Torsionsfeder. Je stärker sich der Umlenkhebel dreht, desto höher die Kraft. Das herkömmliche System ist eigentlich recht einfach. Der Stab selbst, die Lagerung oder die Befestigung am Umlenkhebel können theoretisch kaputtgehen.

"Es ist ein seltener Defekt, bislang hatten wir dieses Problem noch nicht", sagt Vettel. "Zum Glück ist es nur an einem Auto kaputt gegangen und nicht an beiden. Diese Dinge passieren und wir können es für morgen reparieren."

Vettel schon bei Power Unit Nummer fünf

Dass Vettel von Platz 22 startet, ist noch nicht sicher. Möglicherweise entscheidet sich Ferrari auch für einen Start aus der Boxengasse. Denn Vettel ist bereits bei Verbrennungsmotor, Turbolader und MGU-H Nummer fünf angekommen. Zusätzliche Einheiten sind mit Strafen verbunden. Deshalb könnte Ferrari die Parc-ferme-Regeln brechen. Allerdings nur, wenn die eingebauten Komponenten eine andere Spezifikation haben. 1:1-Täusche sind erlaubt.

Entschieden ist das allerdings noch nicht. "Ich starte auch lieber aus der Startaufstellung. Wenn man aus der Box hinterherfährt, trifft man erst nach etwa einer halben Runde auf das Feld und in der Zeit hätte man normalerweise schon ein paar Positionen gut gemacht", erklärt Vettel.

Abgeschrieben hat der vierfache Weltmeister den Singapur GP aber noch lange nicht: "Es wird ein anderes Rennen, aber es könnte sein, dass uns das Safety-Car dahin bringt, wo wir hingehören. Das Rennen dauert hier meist zwei Stunden und da kann immer viel passieren. Da wäre es dumm zu sagen, dass man als Letzter nur ein oder zwei Punkte holen kann." Ein kleiner Joker könnten auch die Reifen sein: Weil Vettel nur einen Run im Qualifying machen konnte, hat er im Rennen freie Auswahl und noch jede Menge frische Reifen auf Lager.