Gefährlich! Psychatrie! Mad Max! Die Kritik flog am Sonntagabend nur so durch das Fahrerlager von Spa-Francorchamps. Mit seinen harten, unnachgiebigen Manövern hat Max Verstappen die F1-Welt schon mehrmals gespalten - die einen waren verzückt, die anderen furchtbar aufgebracht. Nach der Startkollision in Spa und dem harten Zweikampfverhalten gegen Kimi Räikkönen steht der jüngste Grand-Prix-Teilnehmer in der Geschichte der Königsklasse nun erneut im Kreuzfeuer der Kritik - so sehr wie noch nie zuvor in seiner noch jungen Formel-1-Karriere.

Bereits vor dem Belgien Grand Prix nahmen wir den Niederländer vor seinem Quasi-Heimspiel vor über 70.000 Fans genauer unter die Lupe. In unserer Vorschau titelten wir: "Brennpunkt #05: Max Verstappen vs. den Druck". Dabei stellten wir fest: Verstappen ist clever, gewitzt und verdammt schnell. Aber auch er ist nur ein Mensch, dem der Druck vielleicht zusetzen kann. So geschehen nach seinem viel umjubelten ersten Sieg - als er in Monaco gleich dreimal in der Leitplanke landete. Und so geschehen in Spa, wo er in der ersten Kurve des Rennens versuchte, seinen schlechten Start wegzumachen - und damit sein bislang schlechtestes F1-Rennen einläutete.

"Er ist kein Kind von Traurigkeit, er fährt nicht einfach weg, wenn die Herren Vettel oder Räikkönen kommen", verteidigt ihn Red-Bull-Motorsportchef Dr. Helmut Marko. So haben wir Verstappen in seiner bisherigen Zeit kennengelernt. Immer forsch, immer aggressiv, immer ohne Rücksicht auf Verluste oder große Namen. Wie heißt es so schön? Manchmal muss man im Rennsport eben ein Arschloch sein, um erfolgreich zu sein. Verstappen bringt dieses gewisse Extra definitiv mit.

Nicht nur Dr. Marko vergleicht ihn deshalb schon mit dem jungen Michael Schumacher oder Ayrton Senna. Auch Toto Wolff sieht in ihm einen respektlosen, unerschrockenen "Refresher", der die Etablierten aufmischt. "Ich befürchte nur, dass alles irgendwann heftig in der Mauer endet", so Wolff. "Es ist erfrischend, aber es ist auch gefährlich."

Verstappen sieht das nicht so. "Es ist ja nichts passiert", betont er, ohne Reue oder Einsicht zu zeigen, etwas falsch gemacht zu haben. Auch ein gewisser Michael Schumacher war einst so. Wird der Sturm der Kritik Verstappen verändern? Wird er schon am kommenden Wochenende in Monza anders an das Rennen oder gar Zweikämpfe mit anderen Fahrern herangehen? Wird er dann im Duell Rad an Rad vielleicht sogar zurückstecken?

Max Verstappen wählte: Bad Boy, Foto: Motorsport-Magazin.com
Max Verstappen wählte: Bad Boy, Foto: Motorsport-Magazin.com

Ich würde nicht darauf spekulieren. Selbst wenn die Stewards ihn für seine umstrittenen Fahrmanöver der letzten Rennen bestraft hätten, glaube ich, dass Verstappen das abschütteln und genauso weitermachen würde wie bisher auch. Zu groß ist sein Selbstvertrauen. In diesem Fall gab es noch nicht einmal eine Untersuchung durch die Rennleitung. Das bestärkt Verstappen nur in seiner Meinung, im Recht gewesen zu sein. Das ist auch der Grund dafür, warum sich Jacques Villeneuve in unserem Interview am vergangenen Wochenende so sehr über die Rennkommissare und deren vermeintliche Bevorzugung aufregte.

Schon nach seinem F1-Debüt im letzten Jahr bei Toro Rosso schoss sich Villeneuve quasi als Verstappens Chefkritiker auf den jungen Niederländer ein. Immer und immer wieder klagte er uns sein Leid über den Holländer. Als wir diesen im vergangenen Jahr erstmals damit konfrontierten, sagte er ganz cool: "Jacques ist immer sehr negativ. Wenn jeder 'ja' sagt, sagt er grundsätzlich 'nein'."

Max kümmert sich nicht darum, was andere über ihn denken - egal ob Fahrerkollegen, Experten oder Fans. Schon vor einem Jahr - übrigens ebenfalls in Spa - kündigte Verstappen im Interview mit uns das an, was Kimi Räikkönen in diesem Jahr schon mehrmals am eigenen Leib zu spüren bekam: "Sobald man ein Manöver macht oder sich leicht berührt, heißt es: Oh, dafür sollte er bestraft werden! Ich sage: Nein, es ist ein Rennzwischenfall! Wir Fahrer sollten keine Angst haben, ein Überholmanöver zu setzen, nur weil man vielleicht eine Strafe bekommen könnte."

Angst kennt Verstappen im Cockpit keine. Nur zuhause ekelt er sich vor Spinnen. Aber wem geht das nicht so? Auf dem Cover unserer vorletzten Printausgabe ist Max Verstappen zu sehen. Darunter entschieden wir uns Anfang Juni, lange vor den Berührungen mit dem Iceman, für die Titelschlagzeile: "Wunderkind oder Bad Boy?" Als wir Max das Heft vor einigen Wochen zeigten und ihn fragten, was er wählen würde, kreiste er zwei Worte ein: "Bad Boy". Daran werden auch all die Kritik und die Nachwehen von Spa nichts ändern. Einmal Bad Boy, immer Bad Boy.