Pascal Wehrlein liefert 2016 bei Manor ein durchaus beachtliches Debütjahr in der Formel 1. Mit dem inzwischen aufstrebenden Hinterherfahrer-Team der vergangenen Jahre erzielte der Deutsche bislang meist stärkerer Resultate als gedacht, beim Österreich GP in Spielberg sprang sogar der erste WM-Punkt seit Jules Binachis glorreicher Monaco-Triumphfahrt 2014 heraus.

Auch seinen Teamkollegen hatte Wehrlein in der ersten Saisonhälfte nahezu durchgängig im Griff. Im Qualifying-Duell siegte der Deutsch zwar nur knapp mit 7:5, doch hatte Wehrlein in den Rennen mit einem durchschnittlichen Vorsprung von 30 Sekunden klar Oberwasser.

Haryanto keine Messlatte für Wehrlein

Eine Leistung, die nicht jeder würdigte. Rio Haryanto, den indonesischen Paydriver, muss ein amtierender DTM-Meister und Mercedes-Junior doch locker bügeln, hieß es nicht nur einmal. Dabei ist Haryanto nicht einmal lupenreiner Paydriver, sondern immerhin auch mehrfacher Rennsieger und Gesamtvierter der vergangenen GP2-Saison 2015.

Pascal Wehrlein Rio Haryanto
Punkte 1 0
WM-Position 17 23
Quali-Duell 7 5
Durchschnittliche Startposition 18,9 (o. Strafen)
18,5 (m. Strafen)
20,2 (o. Strafen)
19,8 (m. Strafen)

Dennoch: Als echte Messlatte galt Haryanto für die wenigsten. Umso mehr kann sich Pascal Wehrlein nun über seinen neuen Teamkollegen freuen. Weil die Gönner Haryantos doch nicht mehr so wohltätig gestimmt waren, ersetzte Manor den Indonesier in der Sommerpause kurzerhand durch Esteban Ocon, seinerseits Mercedes-Gewächs wie Wehrlein.

"Wir haben jetzt zwei Mercedes-Junioren in einem Team und ich glaube davor war es immer schwierig einzuschätzen, wo ich von der Leistung her stehe", schildert Wehrlein am Donnerstagnachmittag in Spa-Francorchamps gegenüber Motorsport-Magazin.com die veränderte Situation. "Jetzt habe ich einen sehr guten Vergleich. Jeder weiß, wo wir ungefähr liegen sollten. Das Duell zwischen uns wird sehr interessant."

Wehrlein erleichtert: Dank Ocon Talent richtig beweisen

Die Erleichterung, nun endlich die Chance zu bekommen, seine Leistungen mehr gewertschätzt zu wissen, ist Wehrlein deutlich anzumerken. Aber kann er eigentlich nicht nur verlieren? Szenario eins: Wehrlein setzt sich gegen Ocon durch. Dann heißt es: klar, der kennt das Auto ja schon seit zwölf Rennen. Szenario zwei: Ocon schlägt Wehrlein. Dann ist nur noch der Franzose aus exakt demselben Grund der große Held.

"Nein, warum?", wiegelt Wehrlein auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com ab. "Irgendwann kommt der Zeitpunkt, wo man sich mal mit anderen Fahrern messen muss. Es war mit Rio (Haryanto, d. Red.) ja dasgleiche. Jeder hat gesagt, dass es selbstverständlich ist, wenn ich vor ihm war. Und wenn ich mal hinter ihm war im Training oder im Qualifying, dann hat jeder gesagt: Was ist denn da passiert?", schildert Wehrlein. Das alles spiele für Mercedes kaum eine Rolle. "Mercedes weiß Bescheid über unsere Daten, über alles, wie wir uns im Team geben und schlagen. Das ist da das wichtigste", versichert Wehrlein.

Der Manor-Pilot bleibt lieber bei den Chancen, die sich ihm durch seinen nun mutmaßlich besseren Teamkollegen eröffnen. Einen starken Fahrer im Team wünsche er sich in jedem Fall. Esteban Ocon sei da die ideale Besetzung. "Vandoorne wäre glaube ich auch ganz gut gewesen, aber bei allen anderen wäre ich wieder in einer Situation gewesen, wo jeder gesagt hätte, man weiß nicht wie stark die Basis dieses Fahrers ist", sagt Wehrlein zu Motorsport-Magazin.com.

Der Druck steigt: Manor-Shootout um Mercedes-Cockpit?

Dass der Druck für Wehrlein nun merklich zunehmen dürfte stört den Deutschen nicht. Im Gegenteil: "Druck hat man immer. Es kommt nur darauf an, wie man mit dem Druck umgeht. Mir gefällt es. Wenn kein Druck oder keine Spannung da wäre, dann wäre es langweilig. Deswegen freue ich mich drauf."

Zudem fühle es sich für ihn nicht wirklich wie ein teaminterner Shootout für ein Cockpit bei den Silberpfeilen an. "Momentan sind die Mercedes-Cockpits belegt. Wenn nächstes Jahr eins frei wäre, dann wäre es vielleicht eine andere Geschichte. Aber momentan sind beide Mercedes-Cockpits für zwei Jahre belegt. Deswegen ist es schwierig zu sagen, ob es ein Shootout ist oder nicht. Auf jeden Fall ist es spannend", sagt Wehrlein.

Generell erwartet Wehrlein neben mehr Wertschätzung bei Siegen im teaminternen Duell kaum Veränderungen im Team durch Ocon. Er habe ohnehin nie einen Status als Nummer-eins-Fahrer für sich beansprucht. "Ich mache meinen Job mit meinen Ingenieuren und gebe die Richtung vor, wie ich das Auto gerne hätte und was man verbessern muss, damit die Rundenzeit besser wird. Das hat sich seit dem ersten Rennen nicht verändert und wird sich auch jetzt nicht ändern", stellt Wehrlein klar.

Zumindest in Spa könnte Wehrlein bei einer Schlappe gegen Ocon sogar noch auf ein wenig Milde seiner Beobachter und Kritik hoffen. Immerhin verfügt der Franzose über deutlich frischere Streckenkenntnisse (GP3 2015) als Wehrlein (F3 2012). "Sehr gut kann ich mich nicht mehr an die Strecke erinnern. Ich werde versuchen, alles so schnell zu lernen wie möglich", sagt Wehrlein. Ocon indessen muss sich jedoch erst einmal ins Auto einfühlen. "Aber es gibt ja genug Trainingsessions, um Fahrt aufzunehmen. Da mache ich mir keine Sorgen. Und ich bin hier ja schon in der F3 und GP3 gefahren, es könnte also keinen besseren Ort geben, meine F1-Karriere zu starten", gibt sich auch der Franzose vollauf zuversichtlich. Als Außenseiter sieht sich also selbst bei Manor niemand mehr.