Das Transferkarussell dreht sich trotz Sommerpause: Nach zwölf Rennen ist die Saison des ersten Indonesiers in der Geschichte der Formel 1 (vorerst) vorbei! Esteban Ocon wechselt aus der DTM in die Königsklasse und löst dort Rio Haryanto als Teamkollegen von Pascal Wehrlein bei Manor Racing ab. Ocon wird wie Wehrlein von Mercedes unterstützt, die Manor seit dieser Saison auch mit ihrer Power Unit ausstatten.

Ocon ist bereits heiß auf sein Grand-Prix-Debüt auf der legendären Ardennenachterbahn in Spa-Francorchamps. "Das ist so etwas wie mein Heimrennen", betont der Franzose. "Jetzt möchte ich diese Chance mit beiden Händen ergreifen." Ocon war bereits für eine Sitzanpassung und zu ersten Meetings mit dem Team in der Manor Fabrik in England. "Wir können also nach der Sommerpause direkt loslegen. Ich kann es kaum erwarten!"

Dreifache Unterstützung durch Manor, Mercedes & Renault

Esteban Ocon tritt weiter mit Mercedes-Power an, Foto: Mercedes
Esteban Ocon tritt weiter mit Mercedes-Power an, Foto: Mercedes

Möglich werden die Renneinsätze des Franzosen durch die Zustimmung seiner beiden Förderer Mercedes und Renault, für die er jeweils schon F1-Testfahrten bestritten hat. "Wir haben in diesem Jahr bereits gesehen, dass das Auto von Manor unter den richtigen Umständen gut für Punkte ist", sagt Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. "Manor ist genau das richtige Umfeld für junge Fahrer, um erste Erfahrungen in der F1 zu sammeln: Sie sind ein professionelles, kleines Team, das sich auf dem Weg nach vorne befindet und in dem ein Fahrer noch einen echten Unterschied ausmachen kann."

"Esteban ist eindeutig eines der aufstrebenden Talente in der F1", sagt Manor-Renndirektor Dave Ryan. "Er glänzte in seiner Rolle als Ersatzfahrer bei Renault und ebenso bei Mercedes-AMG in der DTM. Unser Team hat sich 2016 deutlich gesteigert und in Österreich zum ersten Mal gepunktet. Jetzt müssen wir unsere Entwicklungsgeschwindigkeit aufrechterhalten, um unsere ambitionierten Ziele zu erreichen."

Dafür sei Ocon genau das richtige Kaliber als zweiter Fahrer neben dem anderen Mercedes-Junior Pascal Wehrlein. "Damit haben wir ein sehr fähiges Fahrerduo mit dem wir unsere Konkurrenten für den Rest der Saison angreifen wollen."

Das sieht auch Renault-Geschäftsführer Cyril Abiteboul so: "Esteban tritt gegen einen hochgeschätzten und schnellen Teamkollegen an. Das gibt uns die Möglichkeit, ihn in einem repräsentativen Umfeld zu beurteilen. Ich hoffe, dass diese Erfahrung für ihn und Renault in naher Zukunft von Vorteil sein wird." Sollte Ocon sich gut schlagen, könnte er schon 2017 ins Renault-Werksteam aufsteigen - denn bei Mercedes werden frühestens Ende 2018 zwei Cockpits frei. Vielleicht für Ocon und Wehrlein?

Ocon profitiert von DTM- und F1-Erfahrung

Esteban Ocon testete bereits den Mercedes-Silberpfeil, Foto: Sutton
Esteban Ocon testete bereits den Mercedes-Silberpfeil, Foto: Sutton

Obwohl Ocon während der Saison zum Team stößt, kommt er mit einiger F1-Erfahrung im Gepäck zu Manor. Neben seinem DTM-Renneinsätzen für Mercedes war der Franzose auch Freitagsfahrer beim Renault F1-Team und durfte zudem auch zwei Testtage im Werks-Silberpfeil absolvieren. Mit dem Manor fährt er nun schon das dritte F1-Auto des Jahrgangs 2016.

Entsprechend sieht sich Ocon als bereit für sein F1-Debüt an. Die Unterschiede zwischen einem F1- und einem DTM-Boliden stellen für ihn kein Problem dar. "Es gibt einige Bereiche, in denen es nah beieinander ist", sagt Ocon. "Bei der Höchstgeschwindigkeit ist es ähnlich, auch in der DTM erreicht man hohe Geschwindigkeiten. In den langsamen Passagen ist es hingegen anders, da das DTM-Auto schwerer ist."

Für Ocon wurde der Sprung aus der GP3 in die DTM von Anfang an als Lehrjahr angesehen. Sein Ziel war von Beginn an die Formel 1. "Natürlich dachte ich, es wäre leichter an der Spitze zu sein, aber man merkt schnell, dass in der DTM sehr schnelle Fahrer unterwegs sind", sagte Ocon gegenüber Motorsport-Magazin.com. "Aber Performance ist nichts, was ich in diesem Jahr in der DTM wirklich brauchte. Ich musste lernen, um für den nächsten Schritt bereit zu sein. Das wollte mein Management für mich und sie haben entschieden, dass die DTM die richtige Option für mich war." Bis sich nun die Chance bei Manor ergab...

In der DTM ersetzt Mercedes den Franzosen am nächsten Rennwochenende in Moskau durch Test- und Ersatzfahrer Felix Rosenqvist. Der Schwede feierte zuletzt einen zweiten Platz beim 24-Stundenrennen in Spa und ist amtierender FIA Formel-3-Europameister. Zudem gewann er in den vergangenen beiden Jahren jeweils den Macau F3 Grand Prix, bei dem auch schon Ayrton Senna und Michael Schumacher siegreich waren.

Formel-1-Aus für Haryanto bei Manor

Das Abenteuer Formel 1 ist für Haryanto vorerst vorüber, Foto: Sutton
Das Abenteuer Formel 1 ist für Haryanto vorerst vorüber, Foto: Sutton

Wenige Minuten vor der Bekanntgabe von Ocons Wechsel verkündete Manor, dass das Team den Vertrag mit Rio Haryanto aufgelöst habe, da dieser seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nachgekommen sei. Kurz gesagt: Er konnte das Geld für die restlichen Rennen nicht auftreiben. Um seinen Formel-1-Traum am Leben zu erhalten, bot der Rennstall dem Indonesier jedoch die Rolle des Ersatzfahrers für den Rest der Saison an.

"Vor einiger Zeit deutete sein Management an, dass sie Schwierigkeiten hätten, nach dem Ungarn Grand Prix ihren Verpflichtungen nachzukommen", erklärte Renndirektor Dave Ryan. Haryantos Management habe rund um die Uhr gearbeitet, um eine Lösung zu finden. Dabei habe das Team sie so gut es ging unterstützt. So konnte Haryanto in Deutschland noch einmal vor der Sommerpause an den Start gehen. "Leider haben wir einen Punkt erreicht, an dem wir im Interesse des Teams gezwungen waren, andere Optionen für den Rest der Saison auszukundschaften."

Für Haryanto ist das Aus vor dem Beginn der zweiten Saisonhälfte besonders bitter, da nun einige Rennen in Asien und in der Nähe seiner Heimat stattfinden. "Für die Menschen in Indonesien ist die Formel 1 noch neu", sagte Haryanto. "Natürlich erwarten sie von mir, dass ich gut bin. Letztes Jahr lief es für mich in der GP2 ganz gut und das haben sie gesehen, und jetzt erwarten sie von mir in der Formel 1 natürlich das Gleiche. Ich muss ihnen die jetzige Situation vermitteln und mit der Zeit werden sie verstehen, wie anders die Formel 1 ist."

Haryanto zieht positive F1-Bilanz

Haryantos Manor-Cockpit geht an Ocon, Foto: Sutton
Haryantos Manor-Cockpit geht an Ocon, Foto: Sutton

Haryantos beste Rennplatzierung zwischen Melbourne und Hockenheim war ein 15. Platz in Monaco. Seine beste Startposition Rang 16 in Baku. Der Indonesier kam nur in drei der zwölf Rennen nicht ins Ziel. Sein F1-Debüt in Australien beendete ein technischer Defekt, in Russland schied er nach einer Kollision aus und in Silverstone nach einem Dreher.

"Ich bin sehr zufrieden, wie die erste Saisonhälfte für mich verlaufen ist", zieht er Bilanz. "Besonders im Qualifying lief es wirklich gut, aber im Rennen haben wir im Kampf mit den anderen Teams häufig die Strategien zwischen Pascal und mir gesplittet. Aber natürlich gibt es auch Bereiche, in denen ich mich verbessern muss."

Das interne Teamduell gegen Wehrlein verlor Haryanto in den Rennen deutlich: Wann immer der Deutsche ins Ziel kam, kreuzte er die Linie auch vor seinem Teampartner mit der Startnummer 88. In den Qualifyings konnte Haryanto Wehrlein jedoch einige Male aus unterschiedlichen Gründen schlagen. Jetzt steht dem Team in den verbleibenden neun Grand Prix eine ganz neue Herausforderung ins Haus: Das Duell der beiden Mercedes-Junioren Ocon und Wehrlein.